Hilfsaktionen in den Städten Ultras zeigen in der Krise ihre soziale Seite

Mönchengladbach · Im Fußball-Stadion fallen Ultragruppierungen oft durch Pyrotechnik auf. In der Bundesliga-Zwangspause wegen des Coronavirus machen sie nun vor allem durch ihre Hilfsangebote auf sich aufmerksam.

Coronavirus: Ultras supporten Krankenhäuser mit Bannern
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Mit diesen Bannern bedanken sich die Ultras bei Krankenhäusern

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Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

Steven Mähler weiß, dass da ein Widerspruch ist. Da ist das Bild der Ultras in den Wochen, bevor die Corona-Krise den Fußball zum Stillstand zwang: volle Attacke auf das Establishment des Spiels, harsche Kritik, die im Kern berechtigt sein mag, je nach Perspektive, aber brutal formuliert, zu brutal manchmal. Mähler ist federführend engagiert in der Initiative „Nordkurve aktiv“, die aus der Gladbacher Ultra-Szene stammt. „Ultras sind facettenreich. Sie sind kritisch und haben ihre Standpunkte. Aber Ultras sind auch kreativ und solidarisch“, sagt Mähler. Damit sind wir bei dem anderen Gesicht der Ultra-Bewegung, das sich nun, in der Corona-Krise, offenbart: Ultras fast aller Fußball-Klubs engagieren sich in ihren Städten in Hilfsprojekten.

„Das soziale Engagement gibt es in allen Ultra-Gruppierungen, auch das gehört zur Ultra-Bewegung dazu“, sagt Mähler. „Nordkurve aktiv“ gibt es seit 2010 , die Initiative hat sich „durchdachtes soziales Handeln für unsere Stadt“ zur Aufgabe gemacht und unterstützt über das Jahr hinweg immer wieder Kindertagesstätten und diverse soziale Einrichtungen mit Spenden. „Es kommt vor, dass wir, wenn wir in die Einrichtungen gehen, auf die Bilder aus dem Fernsehen mit der Pyrotechnik und den Plakaten angesprochen werden“, sagt Mähler. Doch er unterscheidet: Was im Stadion ist, ist das eine, dort polarisieren die Ultras, um auf ihre Sache aufmerksam zu machen, das gehört zu ihrem Selbstverständnis ebenso wie das soziale Engagement. Das ist die bewusste Janusköpfigkeit einer Szene, die sich als Subkultur versteht.

Was die Basis beider Facetten der Ultras ist: „Es geht darum, etwas für unsere Stadt zu tun, unsere Heimat. Als Fans unseres Klubs, aber auch als Bürger unserer Stadt. Wir in Gladbach machen das ein wenig anders als die meisten Szenen, die eher zum Ende des Jahres hohe Geldbeträge spenden“, sagt Mähler. Als das allgemeine Kontaktverbot kam, reagierten die Gladbacher Ultras: „Wir helfen“ nennen sie ihre Aktion. Menschen, vor allem aus der Risikogruppe, die vom Virus besonders gefährdet ist, bieten sie an, Einkäufe oder Botengänge zu erledigen – von 8 bis 18 Uhr kann man die Hilfe telefonisch abrufen. Die Gladbacher Ultras haben zuletzt auch den „Gabenzaun“ der an der Gladbacher Citykirche mit Lebensmittel-Tüten für Obdachlose bestückt. Und einen Brief geschrieben: „Es kam eine Anfrage aus einem Altenheim in Neuss, mit den Bitten den Bewohnern mal zu schreiben. Das haben wir getan, der Brief hängt da am schwarzen Brett. Es war eine Kleinigkeit mit großer Wirkung“, sagt Mähler.

Ähnliche Angebote offerieren auch die Ultras anderer Teams in diesen Tagen. Die Ultras von Borussia Dortmund liefern ebenfalls Einkäufe und Medikamente. Ein Angebot, das auch die Leverkusener Ultras anbieten. Außerdem haben Dortmunder Ultras in der Stadt Banner aufgehängt. „Egal ob Pflegekraft oder Verkäuferin – Euer Einsatz gehört belohnt!“ stand zum Beispiel auf einem Banner. Auch die Kölner Coloniacs und die Leverkusener Ultras bedankten sich mit Plakaten bei den Helfern.

Neben einem Einkaufsdienst haben sich die Ultras von Fortuna Düsseldorf die Unterstützung der Obdachlosen zur Aufgabe gemacht. Sie selbst kauften 100 Ausgaben der Obdachlosen-Zeitschrift „Fiftyfifty“, da der Verkauf eingebrochen sei und den Verkäufern die Einnahmen fehlten. Die Düsseldorfer fordern sie zu Spenden auf.

 Ein Banner der Bayer-Ultras hängt am Krankenhaus in Opladen.

Ein Banner der Bayer-Ultras hängt am Krankenhaus in Opladen.

Foto: Miserius

In Gelsenkirchen packen die Ultras zusammen mit der Initiative „Schalke hilft“ Kumpelkisten. Die gibt es sonst auch für Bedürftige, nun werden für Menschen aus der Risikogruppe „spezielle Kumpelkisten mit Produkten zur Lebensmittelversorgung“ geliefert, schreiben die Ultras GE. Sie bieten im Internet auch T-Shirts an, deren Verkauf Unternehmen in der Corona-Krise helfen soll. Die Idee haben sie von der Fan-unabhängigen Initiative „Support your local heroes“ adaptiert.

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