Niederlage im Derby Dieses eine Bild zeigt Borussias ganze Verzweiflung

Düsseldorf · Borussia Mönchengladbach hat das Derby in Düsseldorf 1:3 verloren. Ein Foto bringt die Stimmung der Fohlen in diesem Spiel zum Ausdruck. Eine Bildbesprechung.

 Verzweiflung im Bild, festgehalten von Dirk Päffgen.

Verzweiflung im Bild, festgehalten von Dirk Päffgen.

Foto: Dirk Päffgen

Gefühle sind ein flüchtiges Etwas. Sie sichtbar werden zu lassen, ist gerade in der Fotografie, die allein ein Abbild der Realität ist, oder besser: ihrer Oberfläche, schwierig. Ein Moment wird eingefroren, jedoch gibt es keinen Weg hinein in das Foto, es ist da und ewig. Das Foto jedoch, das unser Fotograf Dirk Päffgen aufgenommen hat, nachdem Patrick Herrmann, angestellt als Offensivspieler bei Borussia Mönchengladbach, gerade eine große Torchance vergeben hat im Bundesligaspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und den Borussen, illustriert mit einer bemerkenswerten Tiefe das emotionale Befinden der Mönchengladbacher an diesem  Tag. Man darf dem Foto den Titel „Borussische Verzweiflung“ geben.

Da ist Kapitän Lars Stindl zu sehen, der aufrecht steht und doch innerlich am Boden ist, das sagt sein Blick, der leer und müde wirkt. Die Hände schlägt er über dem Kopf zusammen, die Geste sagt: „Das darf nicht wahr sein!“. Im Vordergrund verkörpert Stindls Kollege Patrick Herrmann die Gesamtsituation der Borussen in der aktuellen Saisonphase: Herrmann liegt da wie ein Häuflein Elend,  er rollt sich zusammen, macht sich möglichst klein, möchte vermutlich am liebsten im Boden versinken, doch tat er sich nicht auf, der Düsseldorfer Rasen. Hätte Herrmann zuvor getroffen, wäre da vielleicht nochmal Hoffnung gewesen, doch nun ist sie hinfort nach der verpassten Gelegenheit, die Hoffnung des niederrheinischen Patienten, der  Geschichte noch eine Wendung zum Guten zu geben.

Dass Stindl und Herrmann, zieht man eine Linie entlang ihrer Rücken, ein „L“ bilden, ergänzt die Komposition: „L“ wie „Loser“ im Englischen, Verlierer. Gestützt wird diese Botschaft durch das Zahlenspiel: Der Düsseldorfer Spieler im Hintergrund, André Hoffmann, trägt die Nummer 3 auf dem Rücken, die Anzahl der Düsseldorfer Tore in diesem Spiel. Sie waren zu sehen im Rückblick-Video in der Halbzeit, zweimal Rouwen Hennings und einmal Kevin Stöger, und das Ganze war untermalt mit der Melodie der englischen Slapstick-Serie „Benny Hill“, „Yakety Sax“ von Boots Randolph. Man muss es sagen: Das passte, denn die Art und Weise, wie die Borussen bei den Gegentoren ihren Gegenspielern hinterherliefen, erinnerte an die skurrilen Verfolgungsjagden aus der Benny-Hill-Reihe.

Fortuna Düsseldorf gegen Borussia Mönchengladbach: Bilder zum Spiel
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Foto: Falk Janning

3 ist zugleich die Hälfte von  6, und drei Sechser sind die Zahl des Satans, 666. Mithin war es ein teuflisches Erlebnis für die Gladbacher, dieses Spiel in der Landeshauptstadt, oder besser ein verteufeltes, und das nicht nur, weil die Fortunen mit einem diabolischen Lächeln ihren Triumph genossen. Dass Stindl, der Traurige, die 13 trägt, sei am Rande erwähnt: Sie ist so janusköpfig wie die Borussen in dieser Saison, gilt sie doch zugleich als Glücks- und Unglückszahl. Die Gladbacher haben sich bis zum 20. Spieltag als Spitzenteam dargestellt, waren Zweiter und auf dem besten Wege zurück in die Champions League. Seither ist ihr Spiel so traurig und rätselhaft wie die zentrale Figur in Albrecht Dürers Meisterstich „Melencolia I“ aus dem Jahre 1514. Es ist eine Frauengestalt mit Engelsflügeln, so wie es die Figur der Borussia ist, die in der Kunst die Allegorie für das alte Preußen ist und dem Gladbacher Fußballverein seinen Namen gegeben hat.

Die Quersumme aller Zahlen, die auf dem Bild zu sehen sind (dazu kommt noch die 1 des Fortuna-Torhüters Michael Rensing, ganz rechts im Bild zu sehen), ist 8. Und genau das ist der Alptraum der Gladbacher Fans, denn Platz acht wäre keiner mehr, der für Europa reicht. Die 8, die liegend quasi zum Unendlichkeitszeichen wird, wäre, so sie Realität wird in der Abschlusstabelle, das Symbol für das ewige Scheitern der Borussen in den vergangenen drei Spielzeiten. Und da ist auch die Vier als die Quersumme der Stindl-13. Die 4 steht für das, was die Borussen dabei sind zu verspielen, die Champions League, in die Platz vier und aufwärts führen würden.

Doch steht das zweite Gesicht der 13 auch für die Hoffnung der Borussen. Denn noch ist nicht alles vertan. Nimmt man Hoffmanns Nummer 3 dazu, ergibt sich die Quersumme 7: Genau so viele Spiele sind noch in dieser Saison. Die 7 gilt weithin als Glückszahl, steht aber auch für das Menschliche: für den Geist und den Körper. Beides muss stark sein bei den Borussen, um die Wende zu schaffen, um wieder in die Spur zu kommen, um das Debakel von Düsseldorf zu überspielen mit gutem Fußball und guten Ergebnissen.

Fortuna Düsseldorf - Borussia Mönchengladbach: Stimmen zum Spiel
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Foto: Falk Janning

Patrick Herrmanns Schuhe können derweil im positiven Sinne symbolisch sein: Der Hersteller hat sich nach der griechischen Siegesgöttin benannt. Und siegen, möglichst oft siegen, muss Gladbach bis zum Ende der Saison. Der Song, der in Düsseldorf in der Pause auf das Benny-Hill-Thema folgte, sollte das Programm werden für das Team von Dieter Hecking: „I just can’t get enough“ von Depeche Mode. „Ich kann nicht genug bekommen“. Vom süßen Gefühl des Siegens, vom Erfolg.

Ein psychologisch wertvoller Ansatz für Dieter Hecking könnte es sein, das Foto von Düsseldorf, das einen Moment voller Elend und Verzweiflung zeigt, in den Tagen bis zum nächsten Spiel gegen Werder Bremen am Sonntag, als Schreckensgemälde in der Gladbacher Kabine aufzuhängen.

Als einen Anreiz, alles besser zu machen: „Verdammt nochmal, so möchten wir uns nicht mehr fühlen müssen.“

Dieser Text ist kein gewöhnlicher. Er gehört zu einer Sonderausgabe der Rheinischen Post am 1. April 2019. Geplant und gestaltet wurde diese nicht von der RP-Redaktion, sondern von zwei „Chefredakteuren für einen Tag“: Schauspielerin Annette Frier und Kabarettist Konrad Beikircher. Mehr dazu und alle Texte dieser Sonderausgabe finden Sie hier.

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