Die neue Bundesregierung steht fest Das ist Angela Merkels neues Kabinett

Düsseldorf/Berlin · Der Weg zur großen Koalition ist frei. Es war eine lange und mühevolle Strecke mit Überraschungen am Ende. Die SPD sagt laut Ja, das Kabinett wird neu zugeschnitten, Pofalla geht, Maas kommt, von der Leyen wird erste Verteidigungsministerin Deutschlands.

Bundesminister: Das Kabinett der großen Koalition
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Das Kabinett der großen Koalition

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Sigmar Gabriel nimmt sich Zeit. Der Jubel der Anhänger und die abfallende Anspannung der SPD-Spitze verrät bereits die Zustimmung der Mitglieder zur großen Koalition. Aber noch hält der Parteichef das Ergebnis zurück.

Nach all der Aufregung um die aufwendige, millionenteure Mitgliederbefragung lässt er sich diese Bilanz nicht nehmen: "Dieser Tag wird nicht nur in die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie eingehen, sondern, ich glaube, der Tag wird in die Geschichte der Demokratie in Deutschland eingehen."

Es ist Tag 71 nach der ersten Sondierung von CDU, CSU und SPD. Noch nie dauerten Koalitionsverhandlungen in Deutschland so lange. Die SPD hat nicht ihren Vorstand wie die CSU oder einen kleinen Parteitag wie die CDU über ein gemeinsames Bündnis abstimmen lassen, sondern die ganze Partei. Anders sah Gabriel keine Chance, die Sozialdemokraten vom Gegenteil dessen zu überzeugen, was ihre Spitze im Wahlkampf propagiert hatte: nicht Rot-Grün, sondern Schwarz-Rot.

Knapp 78 Prozent der SPD-Mitglieder haben sich an der Befragung beteiligt, gut drei Viertel von ihnen mit Ja zu dem Bündnis mit der Union gestimmt. Der Weg für die dritte große Koalition der Bundesrepublik ist damit frei.

Reaktionen auf den SPD-Mitgliederentscheid
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Die Zustimmung der SPD ist viel deutlicher als erwartet. "Ich muss für mich sagen, ich war lange nicht mehr so stolz, Sozialdemokrat zu sein wie in diesen Wochen und Monaten", sagt Gabriel am Samstag bei der Verkündung des Triumphes in einem früheren Postbahnhof in Berlin-Kreuzberg gerührt.

Gabriel wird in der neuen Koalition Superminister eines neu zugeschnittenen Ressorts für Wirtschaft und Energie. Es ist ein großer Posten, eine große Herausforderung und eine große Chance zum Erfolg - und ein Risiko zu scheitern. Schafft er es, in den nächsten vier Jahren die Energiewende zu organisieren, dürfte er für die Bundestagswahl 2017 einen guten Bonus als Kanzlerkandidat haben.

Gabriel wird der starke Mann neben Kanzlerin Angela Merkel. Die CDU-Vorsitzende hat gute Erfahrungen mit ihm in ihrer ersten gemeinsamen Koalition von 2005 bis 2009 gemacht. Bei der Bildung des neuen Bündnisses hat sie aber Zugeständnisse wie zum Mindestlohn machen müssen, die ihr schwer fielen, und die ihrem Wahlsieg nach Ansicht von CDU-Mitgliedern auch nicht entsprechen.

Nur fünf Ministerien bekommen die Christdemokraten, die 34,1 Prozent bei der Wahl holten. Das sind: Innen, Finanzen, Verteidigung, Gesundheit und Bildung. Die SPD mit nur 25,7 Prozent besetzt sechs Ministerposten: Außen, Wirtschaft/Energie, Arbeit/Soziales, Justiz/Verbraucherschutz, Familie, Umwelt.

Die CSU mit 7,1 Prozent darf drei Ressortchefs stellen: Verkehr/digitale Infrastruktur, Ernährung/Landwirtschaft, Entwicklung. In der CDU rumort es bereits, dass die SPD mit Wirtschaft, Arbeit und Familie Ministerien führe, mit denen sie nah am Bürger sei und auch Geschenke verteilen könne.

Dafür bekommt die CDU aber von der CSU das wichtige Innenministerium zurück. Die Partei von Horst Seehofer hat zwar in Bayern bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit gewonnen und pochte deshalb auch auf drei Ministerien wie in der schwarz-gelben Koalition. Doch die CSU verliert inhaltlich an Gewicht. Denn neben dem Tausch Innen gegen Entwicklungshilfe muss das bisher von ihr geführte Agrarministerium den Bereich Verbraucherschutz an das Justizressort abgeben.

Die größte aller Überraschungen im neuen Kabinett ist, dass Merkels enger Vertrauter Ronald Pofalla von Bord geht. In der Union war fest damit gerechnet worden, dass der Kanzleramtsminister ein Ministerium übernimmt. Er hat Merkel während der großen Koalition von 2005 bis 2009 als CDU-Generalsekretär gedient und im Kanzleramt während der schwarz-gelben Regierung die Fäden zusammengehalten.

Es gibt nicht viele, die Merkels Vertrauen genießen und die Fähigkeit zum schwer geforderten Kanzleramtschef besitzen. Peter Altmaier, einst Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion und dann Bundesumweltminister, wäre ein guter Kandidat. Er ist bestens vernetzt, ein Arbeitstier und kann Gegner versöhnen. Doch dem Vernehmen nach ist er nicht begeistert von dem Amt.

Eine andere große Neuigkeit ist, dass Ursula von der Leyen als erste Frau in Deutschland Verteidigungsministerin wird. In der CDU ist die zarte 55-Jährige mit dem robusten Auftreten nicht sehr beliebt, wird aber anerkennend als "Allzweckwaffe" beschrieben.

Zu den Neulingen der Union im Kabinett zählen neben CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Beide haben großen Anteil an dem Wahlsieg ihrer Parteien. Damit muss Merkel auch gleich die Nachfolge des Parteimanagers klären.

Merkel und Seehofer wollten ihre Namen erst am Sonntagabend bekanntgeben. Am Dienstag stellt sich Merkel zur Wahl im Bundestag. In einem dürfte sie sich mit Gabriel bereits einig sein: "Jetzt wird auch Zeit, dass mal Weihnachten ist."

SPD-Vize Özoguz wird Migrations-Staatsministerin

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz wird neue Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration. Das erfuhr die Deutsche-Presse-Agentur am Samstagabend aus Parteikreisen in Berlin.

Damit wird erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine Frau mit türkischen Wurzeln am Kabinettstisch Platz nehmen. Seit 2005 besetzt diesen Posten im Kanzleramt die CDU-Politikerin Maria Böhmer.

Die 46 Jahre alte Hamburgerin Özoguz ist seit 2009 Bundestagsabgeordnete und seit 2011 stellvertretende SPD-Vorsitzende. Den Staatsminister für Kultur und Medien sowie den Staatsminister bei der Kanzlerin stellt hingegen jeweils die CDU.

(csr)
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