Kommentar zum Mitgliederentscheid Die SPD gewinnt gegen sich selbst

Berlin · SPD-Chef Sigmar Gabriel läuft stets dann zur Hochform auf, wenn die Lage aussichtslos ist. Mit dem Mitgliederentscheid zum Koalitionsvertrag hat er dies erneut eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

So lief der SPD-Mitgliederentscheid
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Nach der Bundestagswahl stand die SPD-Führung mit dem Rücken zur Wand. Sie hätte auf dem klassischen Weg, wonach die Parteiführung verhandelt und ein Parteitag das Ergebnis abnickt, nicht in eine große Koalition gehen können, ohne dass es zu schweren innerparteilichen Konflikten gekommen wäre.

Nun hat die SPD nach verlorener Bundestagswahl gegen sich selbst gewonnen. Sie startet mit einer parteiinternen Drei-Viertel-Mehrheit einig und innerlich gestärkt in die neue Regierung.

Doch Gabriels Stärke ist zugleich seine Schwäche. In seiner Not hat er sich nur auf seine Partei fokussiert, teure Rentengeschenke und Mindestlohn im Koalitionsvertrag durchgesetzt. Die Frage, was nach der großen Koalition kommt, wer die Rechnungen begleichen soll, die nun aus Opportunitätsgründen anfallen, spielt leider ein untergeordnete Rolle. Klientelpolitik reicht auf Dauer nicht, um breite Bevölkerungsschichten zu erschließen.

Die Sozialdemokraten werden erst dann wieder die Chance haben, zu alter Stärke zurückfinden zu können, wenn sie endlich von der steten Selbstvergewisserung lassen. Ein Mitgliederentscheid mag ein gutes Instrument für eine Partei in einer Identitätskrise sein. Er sollte aber die Ausnahme bleiben und nicht zur Show verkommen, wie die Präsentation des Ergebnisses am Samstagnachmittag in Berlin.

Die gute Nachricht ist, dass Deutschland ab der kommenden Woche endlich wieder eine stabile Regierung hat. Zu hoffen bleibt, dass das Bündnis besser, stärker, kreativer und zukunftsorientierter wird, als es der gemeinsame Koalitionsvertrag befürchten lässt.

Dieses Bündnis muss mehr Kraft entfalten als bei den gemeinsamen Verhandlungen. Es gilt, endlich das Ruder herumzureißen und von einer Ressourcen verbrauchenden Finanz-, Sozial- und Energiepolitik zu einer Nachhaltigkeit zu kommen, die den Namen verdient. Nur dann wird die Regierung ihr Versprechen einlösen können, dass sie Zukunft gestalten will.

(qua)
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