Ergebnis soll am frühen Nachmittag feststehen SPD-Mitgliedervotum: Der Tag der Entscheidung

Berlin · Knapp drei Monate nach der Bundestagswahl fällt mit der Auszählung des SPD-Mitgliedervotums die endgültige Entscheidung über eine große Koalition. Am Samstagmorgen begann in Berlin die Auszählung der Stimmen. 333.500 der stimmberechtigten 474.820 SPD-Mitglieder hatten sich beteiligt – das sind gut 70 Prozent. Nach SPD-Angaben lief bei der Auszählungsprozedur alles nach Plan. Rund 400 Helfer sind im Einsatz.

So lief der SPD-Mitgliederentscheid
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Knapp drei Monate nach der Bundestagswahl fällt mit der Auszählung des SPD-Mitgliedervotums die endgültige Entscheidung über eine große Koalition. Am Samstagmorgen begann in Berlin die Auszählung der Stimmen. 333.500 der stimmberechtigten 474.820 SPD-Mitglieder hatten sich beteiligt — das sind gut 70 Prozent. Nach SPD-Angaben lief bei der Auszählungsprozedur alles nach Plan. Rund 400 Helfer sind im Einsatz.

Am Samstag kurz nach Mitternacht war ein gelber Post-Lastwagen mit den Umschlägen am Auszählungsort, einem früheren Postbahnhof in Berlin-Kreuzberg, eingetroffen. Der Lkw kam aus Leipzig, wo die Briefe zentral in einem DHL-Zentrum gesammelt worden waren. "Ich erwarte eine Zustimmung in der Größenordnung von 70 Prozent", sagte Schatzmeisterin Barbara Hendricks.

Die SPD-Minister im Kurz-Porträt
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Dass eine nur sehr knappe Mehrheit die Partei belasten könnte, befürchtet Hendricks nicht, "weil auch diejenigen, die mit der großen Koalition nicht einverstanden sind, die Ernsthaftigkeit dieses Prozesses wahrgenommen haben". Zudem sei positiv aufgenommen worden, wie die Partei auf ihre Mitglieder zugegangen sei. SPD-Chef Sigmar Gabriel wollte das Ergebnis ursprünglich zwischen 16 und 18 Uhr verkünden.

Nun kommt die Auszählung offenbar schneller voran als gedacht: Die SPD kündigte ein Pressestatement für 14 Uhr zum Ergebnis des Mitgliederentscheids an. Dann wird feststehen, ob die Parteibasis der Regierungsbeteiligung der SPD als Juniorpartner in einer großen Koalition zustimmt oder die Partei lieber in der Opposition sehen möchte.

Keiner darf die Halle verlassen

Am Samstag ab ein Uhr wurden die mit dem Öffnen der Briefe befassten Helfer eingewiesen, sagte Hendricks. Um 09.30 Uhr folgten dann die eigentlichen Zähler. "Und alle, die kommen, die bleiben auch hier; also die gehen nicht wieder raus, die geben ihre Handys ab, die twittern nicht zwischendurch, die fotografieren nicht zwischendurch."

Hendricks soll in einem schwarz-roten Kabinett das Umweltressort übernehmen, die SPD soll sechs Ministerien erhalten. Am Freitagnachmittag waren die Ressortchefs in spe informiert worden. Noch vor der Auszählung des Votums sickerten die Personalien durch.

Dabei hatte die SPD stets darauf gedrungen, mit Blick auf die Mitglieder die Bekanntgabe der Postenverteilung auf die Zeit nach dem offiziellen Ergebnis zu verschieben. Inhalte seien entscheidend, nicht Posten, hatte die Führung stets betont. In SPD-Kreisen wurde das Durchsickern der Ressortbesetzungen als unglücklich bezeichnet.

Gabriel soll als "Superminister" Wirtschaft und Energie übernehmen, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier das Auswärtige Amt, Hendricks das Umweltministerium, die bisherige Generalsekretärin Andrea Nahles Arbeit und Soziales, SPD-Vize Manuela Schwesig das Familien- und Saar-Wirtschaftsminister Heiko Maas das Justizministerium. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann soll Steinmeier als Bundestags-Fraktionschef nachfolgen.

Mehrheit begrüßt Mitgliederentscheid

Im Falle einer Zustimmung der SPD-Basis zur großen Koalition — womit allgemein gerechnet wurde — wollen Union und SPD am Sonntag offiziell über Aufteilung und Besetzung der Ministerien informieren. Diverse Personalien auch auf Unionsseite wurden jedoch bereits am Freitagabend bekannt.

Stimmt die SPD-Basis einem schwarz-roten Bündnis zu, würde Merkel am Dienstag im Bundestag erneut zur Kanzlerin gewählt. Auch die neuen Minister würden ernannt und vereidigt. Sollte die SPD-Basis Nein sagen, stünden Union und SPD turbulente Zeiten bevor. Merkel hätte dann als Option nur einen Neuanlauf für Schwarz-Grün oder aber eine Neuwahl — in dieser Frage käme Bundespräsident Joachim Gauck eine Schlüsselrolle zu. Bei der SPD könnte es zu Rücktritten kommen.

Unabhängig vom Ausgang begrüßt eine klare Mehrheit der Bundesbürger den SPD-Mitgliederentscheid. Nach einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" halten 56 Prozent das Votum für eine gute Idee, 31 Prozent sind anderer Meinung. Besonders groß ist die Begeisterung für die Befragung bei den SPD-Anhängern. Von ihnen finden 79 Prozent den Entscheid gut, nur 14 Prozent halten ihn für falsch. Bei den Unions-Wählern sehen 60 Prozent das Instrument der Mitgliederbefragung bei der SPD positiv, 36 Prozent negativ.

Die SPD hatte bei der Bundestagswahl am 22. September 25,7 Prozent erreicht, die Union 41,5 Prozent — ihr fehlen aber fünf Sitze zur absoluten Mehrheit. Viele SPD-Mitglieder hatten sich skeptisch gezeigt zu einem erneuten Bündnis mit der Union, viele fürchten nach den Erfahrungen 2005 bis 2009 einen Profilverlust. Daher hatte Gabriel das bisher einmalige Mitgliedervotum über den mit CDU und CSU ausgehandelten Koalitionsvertrag vorgeschlagen.

(dpa)
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