Der Kanzleramtschef geht Ronald Pofalla — Raufbold, Stratege, Merkel-Vertrauter

Berlin · Bisweilen prägt die Loyalität eines Politikers zu einem anderen Politiker so sehr das öffentliche Bild, dass die berufliche Nähe Teil des Rufnamens wird. Beim niederrheinischen CDU-Politiker und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla war das so. Er war der "Merkel-Vertraute". Kaum ein Unionspolitiker arbeitete in den acht Kanzlerinnenjahren so eng und so vertrauensvoll mit der Regierungschefin wie der umtriebige Jurist aus Weeze.

Bundesminister: Das Kabinett der großen Koalition
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Das Kabinett der großen Koalition

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Foto: RP. DPA

Merkel und Pofalla, das war ein gut geöltes Polit-Tandem, das sich auch in Krisenzeiten nicht auseinanderdividieren ließ. Nun zieht sich Pofalla aus der Politik zurück. Mehr Zeit für Privates, eine neue Perspektive im Leben, so lautet in Berliner CDU-Kreisen die Begründung. Eine gewisse politische Ermüdung im Job dürfte bei Pofalla ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Wohl kaum ein Kanzleramtschef musste so viele Krisen und Politikwenden gestalten, organisieren, modernisieren und Konflikte beseitigen wie Pofalla in vier Jahren Schwarz-Gelb. In der christlich-liberalen Koalition war es der Kanzleramtschef und Bundesminister für besondere Aufgaben, der zahlreiche Großprojekte im täglichen Klein-Klein der Gesetzesarbeit umsetzen musste. Die Abschaffung der Wehrpflicht, ein Sparpaket, die Euro-Krise, das tägliche Ringen mit der Bundesrats-Blockade von Rot-Grün und die abrupte Energiewende sind nur einige Beispiele. Aufmüpfige Liberalen und genervte CDU-Ressortchefs machten es dem ohnehin nicht gerade als Diplomaten bekannten Pofalla nicht leichter.

Am Ende stand Merkels Getreuer wegen seines saloppen Umgangs mit der NSA-Affäre ("Affäre ist beendet") massiv in der Kritik. Berüchtigt auch sein Gerangel mit dem CDU-Politiker Wolfgang Bosbach vor mehr als zwei Jahren. Dem meist im Hintergrund agierenden Pofalla ging damals das mediale Trommelfeuer des prominenten Euro-Kritikers so sehr auf die Nerven, dass er ihn anblaffte: "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen."

Sohn einer Putzfrau und eines Holzfacharbeiters

Pofalla-Gegner sahen damit den Beweis erbracht, dass der frühere Kohl-Fan eben doch ein überheblicher Raufbold ist. Angela Merkel hielt damals zu ihm. Pofalla hat auch eine andere, weniger bekannte Seite. Dass der Sohn einer Putzfrau und eines Holzfacharbeiters ein Gespür für soziale Ungerechtigkeiten hat, legen sein Sozialpädagogikstudium, aber auch sein unermüdlicher Einsatz für die Opposition in Europas letzter Diktatur, Weißrussland, nahe. Auch Pofallas reflektierte Sicht auf die aufgeregten Mechanismen des Berliner Politikbetriebs, blieben der Öffentlichkeit meist verborgen.

Nun kehrt der "Merkel-Vertraute" Angela Merkel und Berlin Mitte den Rücken zu. Der Kanzleramtschef gehe auf eigenen Wunsch, so heißt es. Merkel hätte gerne mit ihm weitergearbeitet. Doch Pofalla habe sich gegen die Rund-um-die-Uhr-Politik und für ein Privatleben entschieden. Er wolle eine Familie gründen und mehr Zeit mit seiner Lebensgefährtin Nina Hebisch, einer Rechtsanwältin aus Dinslaken, verbringen, heißt es. Pofalla hat bereits zwei gescheiterte Ehen hinter sich.

Ob der CDU-Bundestagsabgeordnete sein Mandat behält, ist noch offen. In der Wirtschaft dürfte der Stratege mit den exzellenten Kontakten jedenfalls gute Chancen haben. Schon vor einem Jahr war Pofalla als Finanz-Chef der einflussreichen RAG-Stiftung in Essen im Gespräch. Mit dem Stiftungsvorsitzenden Werner Müller ist Pofalla befreundet. Auch seine Drähte zu den Arbeitgeberverbänden sind gut. Pofalla hatte sich in seiner Zeit als Generalsekretär der CDU (2005-2009) immer als Sozialpolitiker verstanden. Der Branchen-Mindestlohn war seine Idee, die Hartz-IV-Schelte des früheren FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle hatte Pofalla scharf kritisiert.

Seit 1990 im Bundestag

Seit 1975 ist Pofalla CDU-Mitglied, seit 1990 im Bundestag. Der Jurist gehörte zu den Nachwuchspolitikern, die sich in der "Jungen Gruppe" trafen und gegen die Parteiführung aufbegehrten. Später konzentrierte er sich auf seine Anwaltstätigkeit in der Kanzlei seines Förderers Stephan Holthoff-Pförtner, die in der CDU-Spendenaffäre Alt-Kanzler Helmut Kohl vertrat. Bis heute ist sein Kontakt zu Kohl gut.

Dennoch geriet Pofalla in den Nach-Kohl-Jahren früh in das Fahrwasser der neuen starken CDU-Chefin Angela Merkel. Als Unions-Fraktionsvorsitzende machte Merkel Pofalla 2004 zum Nachfolger von Friedrich Merz als Vize-Fraktionschef für Wirtschaft und Arbeit. Die Frau aus dem Osten entdeckte die strategischen Fähigkeiten, aber auch die Loyalität des West-Politikers für sich und machte Ronald Pofalla zu ihrem Verbündeten. Bis heute.

Wenn die Kanzlerin nach einem langen Tag im Kanzleramt noch ein Glas Rotwein trinken und über Koalitionen, Personalien und politische Gegner diskutieren wollte, fiel ihre Wahl oft auf Duz-Parteifreund Pofalla. Nur Merkels Büroleiterin Beate Baumann, Medienberaterin Eva Christiansen, Regierungssprecher Steffen Seibert und Fraktionschef Volker Kauder werden so eng einbezogen in die Pläne der Kanzlerin wie der 54-Jährige.

Bei einem dieser gemütlichen Weinrunden mit der Kanzlerin soll Pofalla seinen Abschied aus der Politik angekündigt haben. Merkels Versuche, ihn umzustimmen, waren erfolglos.

(brö)
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