Niedrigwasser im August 2022 Vater Rhein auf dem Rückzug
Niederrhein · Der Rhein-Pegel sinkt seit Wochen – und die Zeit des Niedrigwassers dürfte noch andauern. Zwischen Rheinberg, Xanten und Wesel ist ein neuer Tiefststand möglich. Gefährlich bleibt der Fluss trotzdem.
Bis zum sogenannten bisher niedrigsten bekannten Wasserstand sind es zwar noch zehn Zentimeter: Am 24. Oktober 2018 stand der Rhein in Wesel bei nur noch 94 Zentimetern. Aber das war im Herbst und am Ende der Niedrigwasserzeit, die für gewöhnlich von Juli und August bis September und Oktober andauere, erklärt Christian Hellbach, Pressesprecher am Wasserstraßen und Schifffahrtsamt (WSA) Rhein. Und im Sommer 2018, also Wochen vor dem bisherigen Rekord-Tiefststand, sei der Pegel höher gewesen als in diesem Sommer. Die Erfahrung zeigt also, dass sich der Fluss in den nächsten Wochen wohl noch weiter zurückziehen wird.
Das ist natürlich schwer vorauszusagen. Das WSA habe eine 14-Tage-Vorhersage, demnach werde der Wasserstand in den nächsten zwei Wochen wieder leicht steigen – „aber nicht signifikant“, erklärt Hellbach. Und danach? Das sei Spekulation. Es hänge vor allem von den Niederschlägen ab, sagt der WSA-Sprecher. Seit dem Frühjahr hat es zu wenig geregnet.
Ein Pegelstand von 1,04 Metern bedeutet aber nicht, dass der Rhein in Wesel auch nur 1,04 Meter tief ist. Die Fahrrinne ist noch einmal tiefer. In Wesel müssen 1,03 Meter dazugerechnet werden. Die sogenannte Fahrrinnentiefe lag in Wesel also am Freitagmittag bei 2,07 Metern und in Duisburg-Ruhrort, dem nächstgelegenen Messpunkt rheinabwärts, bei 2,15 Metern. Dort war der Pegel auf 1,68 Meter gefallen, bis zur Fahrrinnentiefe kommen noch 47 Zentimeter hinzu.
Durch den Fluss zu laufen, ist also trotz des Niedrigwassers nicht möglich. „Ein Spaziergang durch Fließgewässer ist keine gute Idee“, sagt Frederik Bremer, Pressesprecher der Gocher DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft). Zumal trotz des Niedrigwassers die Gefahren der Strömungen bestehen bleiben. Daher sollte auch niemand im Rhein schwimmen, auch jetzt nicht. „Das Niedrigwasser ändert nichts daran, dass der Rhein lebensgefährliche Strömungen birgt“, sagt Herbert Boot von der Klever DLRG. „Die sieht man vom Ufer aus nicht, das Risiko wäre also völlig unkalkulierbar.“ Selbst ausgebildete Schwimmer hätten keine Chance.
Vom Ufer aus lässt sich beobachten, was so gefährlich ist: Wie bei Ebbe und Flut zieht sich der Rhein manchmal zurück und kehrt wieder zurück – aber binnen weniger Sekunden. Denn Schiffe, die stromaufwärts fahren, saugen das Wasser vor ihnen an. In Ufernähe sinkt dann der Wasserpegel. Sobald jedoch das Schiff vorbeigefahren ist, kommt der Fluss mit unerwarteter Kraft und reißt selbst Erwachsene in die Hauptströmung.
Zurzeit sind sogar mehr Schiffe auf dem Rhein unterwegs: Wegen des Niedrigwassers können sie nicht mehr so schwer beladen werden wie sonst. „Niedrige Pegelstände bedeuten, dass die Schiffe weniger Ladung mitnehmen können“, erklärt Claudia Thoma von der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV). Denn mehr Ladung bedeute mehr Gewicht, und mehr Gewicht bedeute, dass die Schiffe tiefer im Wasser liegen – und den Grund berühren, beschädigt werden oder stecken bleiben können. Deshalb wird die Ladung auf mehr Schiffe verteilt. Das macht den Transport teurer.
Dass die Schifffahrt eingestellt werden könnte, wenn der Wasserstand weiter fällt, wird zumindest am Niederrhein aber nicht erwartet. Selbst 2018 seien noch Schiffe gefahren, sagt Hellbach. (mit dpa)