Politische Lesung von Patrick Dollas im Budberger Bürgerhaus Fünf Freunde und ihr Indianerleben in Suhl

Rheinberg-Budberg · Patrick Dollas, ehemals Schauspieler am Moerser Schlosstheater, eröffnete mit einer politischen Lesung die neue Spielzeit des Budberger Bürgerhauses.

 Patrick Dollas liest und singt, unterstützt von Gitarrist Frank, im Budberger Bürgerhaus.

Patrick Dollas liest und singt, unterstützt von Gitarrist Frank, im Budberger Bürgerhaus.

Foto: Ostermann, Olaf (oo)

Das Bürgerhaus Budberg ist mit einem neuen Programm gestartet. Der erste Auftritt gehörte Patrick Dollas, der bis Februar 2021 Ensemblemitglied im Schlosstheater Moers war. Der Schauspieler schlägt mit seinem Soloprogramm „Tipis in Thüringen“ ein neues Kapitel auf. Er lädt das Publikum in die Welt seiner Kindheit ein. Dollas, Jahrgang 1977, wuchs in Suhl auf und erlebte im undemokratischen politischen DDR-System mit Beschränkung und bewachter Grenze eine unbeschwerte Kindheit. Eine Zeit, die er als Kind mit seinen Freunden wie Läufer, Schwarzer Rabe oder kleiner Wolf und großem Indianerehrenwort in den Sommerferien verbrachte.

Die fünf Freunde schlüpfen in die fantastische Welt der Indianer, die sie sich rund um Suhl mit seinen Plattenbauten erschufen. Viele ihrer Freunde sind in jenem Sommer nach Ungarn gefahren. Es ist August 1989, als sie in der Nähe ihres Bolzplatzes weiße Zelte entdecken, die sie magisch anziehen. Das Gelände ist ihr Zufluchtsort, ihr Abenteuerplatz und Lagerstelle für überflüssiges Baumaterial. In unmittelbarer Nähe entstanden pünktlich zum 40. Jahrestag der DDR 100 Wohnungen. Die Freunde genießen ihr Indianersein. Eine Blindschleiche ist ihr Totem, ihr Krafttier, das sie zu allen möglichen Dingen befragen. Auch zu den Menschen, die das Lager auf ihrem Bolzplatz aufgeschlagen haben.

Dollas schafft es mit seinen Liedern und Erzählungen, gemeinsam mit Gitarrist Frank das Publikum ins Reich der Fantasie mitzunehmen. Oft huschte ein Lächeln über die Gesichter der Zuschauer. Auf der Bürgerhaus-Bühne hat Dollas ein Zelt aufgebaut; Traumfänger, Friedenstaube und DDR-Schild sorgen für die perfekte Illusion. Er erzählt von Begegnungen in jenem August, die ein Aufnäher der Band Kiss verursacht, von Rico Schulz und Kalle Achtung. Als dieser Sommer vorbei ist, „näherte sich ein anderes großes Ende: das Ende unserer Kindheit“, so Dollas über den Mauerfall.

Er katapultiert sein Publikum ins Jetzt zurück. „30 Jahre später, sie werden mehr“, so Dollas, der an die Flüchtlinge, die über Marokko kommen, erinnert, an ihre Zelte und Rettungsinseln. „Aber Europa lässt sich nicht erpressen“, sagt er. Die eigene Verletzlichkeit macht erst die Pandemie deutlich. Dollas knüpft an Putins Überfall auf die Ukraine an, schafft den aktuellen Bezug zu einer Zeitenwende, zum europäischen Flächenbrand und zu den Menschen, die jetzt auf der Suche nach einer friedlicheren Welt sind. „Bleibt uns nur das Zelt, meine kleine Friedenstaube“, so Dollas, der vom Publikum mit reichlich Applaus beschenkt wurde.

(sabi)
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