Serie: Fußballfans in Ratingen Vom Fern-Seher zum Fan-Club-Gründer

Ratingen · Ratingen ist eine fußballbegeisterte Stadt – mit breit gefächerten Sympathien. In unserer Serie berichten Anhänger unterschiedlicher Vereine über die Liebe zu ihrem Klub, ihre schönsten Fan-Erlebnisse, -Rituale und -Träume. Heute: Markus Lehnard und der SV Werder Bremen.

 „Jeck op Werder“ in Ratingen: Markus Lehnard ist seit dreieinhalb Jahrzehnten Fan der Bremer Fußballer.

„Jeck op Werder“ in Ratingen: Markus Lehnard ist seit dreieinhalb Jahrzehnten Fan der Bremer Fußballer.

Foto: Achim Blazy (abz)

Bei Markus Lehnard wissen Anrufer schon, bevor sie ihn persönlich erreichen, mit wessen Anhänger sie es zu tun haben. „Das ,W’ auf dem Trikot… bald sind wir wieder Werder“, schallt es einem anstelle eines Freizeichens entgegen. Ein Lied gewordenes Bekenntnis zum SV Werder Bremen. Wie eine Ansage, der jüngsten sportlichen Talfahrt zum Trotz.

Lehnard selbst klingt deutlich geerdeter: „Da habe ich nicht mehr so ganz dran geglaubt“, verrät er mit Blick auf den Klassenerhalt, den seine Grün-Weißen erst in den Relegationsspielen sicherten, die sie überhaupt erst am letzten Spieltag erreichten. Er sagt aber auch: „Man sollte Bremen nie abschreiben.“ Und das, was der Volksmund angesichts der großen Tradition an spektakulären Aufholjagden als „Wunder von der Weser“ bezeichnet, ist für Lehnard „Mentalität, und hat mit Wundern nichts zu tun“.

Die besondere Mentalität war es auch, die den Ratinger vor über dreieinhalb Jahrzehnten zu einem Anhänger der Hanseaten machte. „Wir hatten damals viele Bayern-Fans in der Klasse, aber ich halte es immer eher mit dem ‚David‘ statt dem ,Goliath’, und da hat mich Werder fasziniert, weil die den Bayern immer einen mitgegeben haben“, erinnert sich der heute 42-Jährige. Bezogen auf jene Frühphase der goldenen Bremer Ära mit „König Otto“ Rehhagel, sprudeln die Namen seiner Idole nur so aus ihm heraus: „Burdenski, Otten, Völler, Neubarth, Hermann...“.

Doch bis zum ersten Besuch des Heim-Stadions an der Weser gingen fast zehn Jahre grün-weißes Fan-Sein ins Land. „Mangels Möglichkeiten, nach Bremen zu kommen, war das anfangs eine Fernseh-Leidenschaft“, so Lehnard. Es folgten einige Auswärtsbegleitungen seines Herzensvereins bei Spielen in der Nähe. Seine langersehnte Heim-Premiere in Bremen wurde dafür gleich zu einem Spiel für die Ewigkeit: An einem Dezember-Abend 1993 drehten Bode, Bratseth, Hobsch und Co. das Champions-League-Spiel gegen den RSC Anderlecht und machten in den letzten 24 Minuten aus einem 0:3 ein 5:3. „Unvergesslich, auch wie wir dabei in der damals noch unüberdachten Ostkurve klitschnass geregnet wurden. Aber das war es wert“, schwärmt Lehnard.

Von da an wurden Heimspiel-Besuche ebenso wie herausragende Matches für ihn zur schönen Regelmäßigkeit. Zu letzteren zählt er die drei DFB-Pokal-Endspiele („Es gibt nichts Besseres“), bei denen er seine Werderaner im Stadion unterstützen konnte, und von denen sie auch zwei gewannen. Aber auch quer durch Europa hat er seinen Verein schon begleitet, beispielsweise nach Lyon, Valencia oder Barcelona.

Und durch seine Mitreise-Leidenschaft wurde er auch zum Mitbegründer eines besonderen Werder-Fan-Clubs: „Lebenslang Grün-Weiß – Jeck op Werder“ (mit Sitz in Köln!) vereint Anhänger aus dem Rheinland und darüber hinaus. „Wir haben auswärts immer zusammen gestanden und hatten gemeinsame Bustouren, bis wir uns vor zehn Jahren als offizieller Fan-Club gegründet haben. Das ist ne coole Verbundenheit.“

Das gelte aber für Werder insgesamt. „Das Besondere in Bremen ist die familiäre Atmosphäre im Stadion, alles fair – und eine Stadt, die für den Verein lebt.“ Ein Verein, der Lehnard immer auch damit beeindruckt hat, aus minimalen Mitteln viel zu machen – und aus „Namenlosen“ Stars wie Rufer, Micoud oder Diego, „die sich aber immer komplett eingegliedert haben“. Das sei auch eines der klassischen Werder-Erfolgsrezepte, wie Lehnard betont: „Eine Mannschaft ohne Söldner, nur mit Spielern, die alles für den Verein geben.“

Mittlerweile kommt der Familienvater zwar nur noch auf zwölf bis 15 Stadionbesuche pro Spielzeit und davon vielleicht nur auf zwei Heimspiele. Dann aber „immer Stehplatz“ – in Bremen, wie auswärts, denn: „Im Block herrscht einfach eine besondere Atmosphäre, auch, um Support zu geben“. Wenn’s nicht mit dem Stadionbesuch klappt, ist „Rudel-Gucken“ in der Stamm-Kneipe des Fan-Clubs angesagt oder „mit Kumpels auf der Couch“.

Auf sein Kult-Outfit verzichtet Lehnard aber dabei. Und zwar nicht, weil er mit seinem damaligen Lieblings-Spieler Uli Borowka gebrochen hätte, dessen Name sein ältestes Trikot ziert. „Es passt mir einfach nicht mehr“, bekennt Lehnard schmunzelnd. In seiner Heimatstadt kennt und erkennt man ihn trotzdem als Werderaner – so, wie er hier viele Fans anderer Farben kennt und schätzt: „Schön, dass Ratingen Fußball-technisch so verteilt ist. Dadurch hat die Stadt die totale Fan-Kultur, querbeet, lebendig – es wird hier nie langweilig!“

Etwas, das zweifelsohne auch für seinen SVW gilt. Lehnards Prognose für die kommende Spielzeit nimmt sich demgegenüber unaufgeregt aus: „Untere Tabellenhälfte, aber nichts mit dem Abstieg zu tun haben.“ Aber dann fügt er hinzu: „Wenn wir die alte Werder-Mentalität aufleben lassen, kann es wieder aufwärts gehen.“ Und vielleicht erfüllt sich dann sein größter Wunsch, Werder einmal zu einem Europapokal-Spiel nach England zu begleiten. Und warum auch nicht? Man sollte Bremen schließlich nie abschreiben…

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