Reportage Von der Theorie zur Praxis und umgekehrt

Ratingen · Die Premiere des Lehrgangs zur Erlangung der Trainer-C-Lizenz bei der SG Ratingen in Kooperation mit dem Handball-Verband Niederrhein ist mit 42 Teilnehmern sehr gut besucht. Es gibt dort viel Arbeit und grundlegende Fragen – und anschauliche Antworten.

 SG-Geschäftsführer Bastian Schlierkamp begrüßt die Teilnehmer mit Andreas Kugler und Tobias Fenske (von links).

SG-Geschäftsführer Bastian Schlierkamp begrüßt die Teilnehmer mit Andreas Kugler und Tobias Fenske (von links).

Foto: Georg Amend

Auf dem Parkplatz an der Sporthalle Gothaer Sraße stehen am Montagmorgen fast so viele Autos, als würde die Saison in der Handball-Regionalliga beginnen. Zwar hat auch hier die SG Ratingen eingeladen, es gibt aber kein Spiel, sondern den ersten Trainer-Kompaktlehrgang zur Erlangung der C-Lizenz in Ratingen. 42 Teilnehmer sorgen für eine starke Resonanz bei der Premiere, die Autokennzeichen deuten das Einzugsgebiet schon einmal an: Natürlich sind es viele aus der Region, aber über Essen und Duisburg geht es hinaus bis zum Westerwaldkreis, Hagen und den Aachener Raum.

In Zeiten der Coronavirus-Pandemie müssen sich alle Besucher der Sporthalle mit ihren Daten in eine Liste eintragen, um mögliche Infektionsketten zurückverfolgen zu können. Drinnen richtet zunächst SG-Geschäftsführer Bastian Schlierkamp ein Grußwort an alle, dann übergibt er an den ausrichtenden Handball-Verband Niederrhein (HVN). Dessen Lehrwart Andreas Kugler erklärt: „Solche Kompaktlehrgänge gibt es noch nicht so viele, es ist ein Versuch.“ Immerhin sollen hier an zehn Wochentagen acht Stunden täglich Inhalte vermittelt und in der Praxis getestet werden – das ist eine Menge Input für Körper und Kopf. „Ich glaube, das wird schon anstrengend“, sagt Kugler und bittet die Teilnehmer um ein kurzes Feedback nach dem Lehrgang. Die Gruppe ist bunt gemischt, was Alter, Spielklasse und Fitnesszustand angeht, ein Sechstel der Teilnehmer ist weiblich. Mehr als 30 Aktive inklusive Trainer sind „auf der Platte“ in Corona-Zeiten nicht erlaubt, darum werden zwei Gruppen gebildet, die nacheinander in der Praxis arbeiten und auch nacheinander den Essensraum aufsuchen müssen.

Davor gibt es aber Theorie, der erste Teil beschäftigt sich mit dem Abwehrverhalten. Die Referenten vom HVN sind Tobias Fenske und Werner Konrads. Ein Mattenwagen dient als Halterung für die Leinwand, auf der die Inhalte mittels eines Beamers projiziert werden, im Zuschauer-Umlauf hat Konrads noch handbeschriebene Plakate mit den Essenzen aufgehängt – Mannschaftstaktik, Manndeckung, Ziele der Abwehr und so weiter. Was wichtig ist: „Es geht darum, die Sachen runterzubrechen“, erklärt Fenske. „Wir reden hier jetzt nicht über die Mannschaftstaktik von Bundesligisten, sondern eine gute D-Jugend ist das, was wir wollen.“

Und da geht es an die sogenannten basics. „Was ist eigentlich richtiges Laufen? Und wie laufe ich richtig aus einer Abwehr raus?“, fragt Fenske. Auf der Tribüne sitzen jede Menge Handballer, die sich solche Fragen vermutlich noch nie gestellt haben, weil sie das intuitiv machen, es gelernt haben, es gewohnt sind. Fenske verdeutlicht: „Das ist total komplex: Ich muss vorwärts-seitwärts laufen und dabei noch mit den Armen abwehren – das können Kinder von sechs oder acht Jahren nicht, wenn sie das erste Mal in eine Halle kommen. Deswegen muss man die Frage beantworten: Wie mache ich das richtig?“

Um 10.43 Uhr geht es in die Praxis, und hier wird spätestens klar, dass es da zur Theorie große Unterschiede gibt. Wenn es schon schwierig ist, theoretischen Inhalt praktisch umzusetzen, ist der umgekehrte Weg noch schwieriger – weil eben vieles intuitiv passiert. Das beste Beispiel dafür liefert Salim Bakhsh, der mit Hendrik Jänsch – der 36-Jährige hatte vor den ersten Laufintervallen schon schmunzelnd geklagt: „Ich bin zu alt für sowas“ – und Benny Karmaat ein Trio der SG bildet. Bakhsh hat Lukas Ellwanger, früherer Handball-Profi und nun neuer Jugendkoordinator von TuSem Essen, als Übungspartner, es geht darum, sich beim Prellen den Ball abnehmen zu lassen und ihn dann zurückzuerobern.

 Die „Ziele der Abwehr“ beschreibt dieses Plakat.

Die „Ziele der Abwehr“ beschreibt dieses Plakat.

Foto: Georg Amend

Die Übung selber ist für beide kein Problem, doch als Fenske unterbricht und den ausgewiesenen Abwehrspieler Bakhsh fragt, wie er reagiert, um den Ball zurückzuholen, stellt sich heraus, das diese intuitive Tätigkeit gar nicht so einfach zu erklären ist. „Ich versuche, mit der Hand an den Ball zu kommen“, sagt der Ratinger. „Mit welcher Hand?“, fragt Fenske. „Mit der ballnahen“, antwortet Bakhsh. Details sind wichtig: Ellwanger bringt lehrbuchmäßig seinen Körper zwischen Ball und Gegner und versucht, an Bakhsh vorbei zur Mittellinie zu prellen, während der das nur mit dem Herausspielen des Balles zu verhindern sucht. „Das ist total komplex“, sagt Fenske und beschreibt die Rolle von Bakhsh: „Du musst rückwärts-seitwärts laufen und dabei noch was mit den Armen machen, gleichzeitig kommen der Körperkontakt mit dem Gegner und plötzliche Richtungswechsel hinzu. Da steckt viel Detailarbeit hinter.“ Und diese Details in Theorie und Praxis aufzubrechen, ist viel Arbeit – erst recht in einem Kompaktlehrgang.

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