Propsteikirche „Faust“-Film mit Musik von der Albiez-Orgel

Kempen · Christian Gössel bot zum Abschluss der „Klingenden Altstadt“ außergewöhnliche Orgelimprovisationen zum Stummfilm.

 Für die Besucher des Abschlusskonzerts der „Klingenden Altstadt“ in der Kempener Propsteikirche war der „Faust“-Film mit Orgelmusik ein besonderes Erlebnis.

Für die Besucher des Abschlusskonzerts der „Klingenden Altstadt“ in der Kempener Propsteikirche war der „Faust“-Film mit Orgelmusik ein besonderes Erlebnis.

Foto: Norbert Prümen

Für den bemerkenswerten Abschluss der „Klingenden Altstadt“ zum Kempener Stadtjubiläum hatte man sich einen cineastischen Leckerbissen aufbewahrt. In der Kempener Propsteikirche war „Faust“ zu sehen, ein Stummfilm-Klassiker aus dem Jahre 1926. Und wie im alten Kintopp üblich, gab es dazu Live-Musik.

Die kam früher von einem Klavier oder einer Kino-Orgel. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich damals die Wurlitzer-Orgeln, die nicht nur über sehr viele Klangfarben verfügten. Es ließen sich auch alle möglichen Alltagsgeräusche darauf erzeugen, vom Hahnenschrei über quietschende Bremsen bis zur Fahrradklingel.

Natürlich ist die Albiez-Orgel der Propsteikirche nicht als Kino-Orgel konzipiert. Aber sie verfügt über sehr differenzierte Register, so dass sie sich zur akustischen Untermalung eines Films bestens eignet. Ein Risiko brauchte man nicht einzugehen. Dass Christian Gössel, hauptamtlicher Organist der Propsteikirche, sich aufs Improvisieren versteht und Filme ohne Noten musikalisch begleiten kann, hat er schon früher unter Beweis gestellt. So lieferte er 2017 in einem Orgelkonzert eine beeindruckende Filmmusik zu „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“.

Vom selben Regisseur, von Friedrich Murnau, stammt auch der Stummfilm „Faust“ aus dem Jahre 1926, der jetzt zu sehen war. Es erwies sich als weitsichtig, dass der Veranstalter mit einem erfreulich guten Besuch gerechnet hatte. Vorsichtshalber hatte man zwei Projektionsflächen aufgebaut, eine fürs Mittelschiff und eine zweite für das linke Seitenschiff. Beide wurden benötigt, die Kirchenbänke waren voll gefüllt.

Der Inhalt des Films entsprach nicht ganz dem Stoff, mit dem man sich vor langer Zeit als Primaner auseinandersetzen durfte. Anders als später Gründgens, der 1960 Goethes Schauspiel verfilmte, greift Murnau in seinem Film auf die alte Volkssage zurück. In der paktiert Faust mit dem Teufel, um etwas gegen das Wüten der Pest unternehmen zu können. Allerdings: Einige Motive sind dann doch aus Goethes Faust eingemischt, so etwa das Duell mit Gretchens Bruder Valentin oder die Erlösung von Faust und Gretchen.

 Christian Gössel, Kirchenmusiker der Kempener Pfarre St. Mariae Geburt, spielte an der Albiez-Orgel Improvisationen zum Stummfilm. Der Kantor erwies sich als hervorragender Improvisator.

Christian Gössel, Kirchenmusiker der Kempener Pfarre St. Mariae Geburt, spielte an der Albiez-Orgel Improvisationen zum Stummfilm. Der Kantor erwies sich als hervorragender Improvisator.

Foto: Norbert Prümen

Gössel hatte angekündigt, dass er die Musik im Stil der Kinomusik der 1920er-Jahre spielen wolle, und das gelang ihm auch ganz ausgezeichnet. Es gelang ihm trefflich, für die Stimmung der expressionistischen Bildersprache die passende Musik zu finden. Bedrohlich klang es, wenn der Leichenzug die Pestkranken fortbrachte, ruhige Musik untermalte eine Sterbeszene. Zu kirchlichen Festen wie Weihnachten oder Ostern blendete der Film passende Choraltexte wie „Es ist ein Ros entsprungen“ oder „Lobe den Herren“ ein. Natürlich machte es dem studierten Kirchenmusiker Gössel keine Probleme, hierzu die entsprechenden Melodien zu spielen. Aber dabei blieb es nicht, geschickt verstand er es, diese Melodien zuerst zu umspielen und dann, bei Fortgang der Handlung, zu verfremden.

Auch für heitere Musik bot sich Gelegenheit. Muntere Walzerklänge kamen ins Spiel, wenn Faust und Gretchen sich näherkamen oder Mephisto umgekehrt den Annäherungsversuchen der von ihm nicht so besonders geschätzten Marthe Schwerdtlein zu entkommen suchte. Wenn ein verführerischer Trank gemischt wurde, glaubte man von der Orgel her das Gluckern der Flüssigkeit zu hören.

Eindrucksvoll war das Filmdokument aus der Zeit der Weimarer Republik, eindrucksvoll und passend war die Musik, die Gössel dazu auf der Orgel improvisierte. Das war auch die Meinung der zahlreichen Zuhörer, die lange begeisterten Beifall spendeten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort