K-Frage in der SPD Sigmar Gabriels Geheimplan

Düsseldorf (RPO). Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel setzt im Rennen um die Kanzlerkandidatur auf den Faktor Zeit. Und seinen Heimatverband Niedersachsen. In der Partei sind sich einige sicher: Gabriel will es selbst machen.

Gabriel besucht Eon-Betriebsversammlung
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Der Vorsitzende speckt ab. Das ist derzeit ein heiß gehandeltes Gesprächsthema im Willy-Brandt-Haus. Zehn Kilo sollen es schon sein. Vielleicht auch mehr. SPD-Chef Sigmar Gabriel, seit der historischen Wahlniederlage der SPD im Herbst 2009 Vorsitzender der größten Oppositionspartei in Deutschland, hat sich offensichtlich vorgenommen, seine üppige Körperform zu entschlacken. Für nicht wenige Genossen ist das ein Zeichen für seine Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur. "Der macht sich fit für den Job", sagt ein Berater Gabriels und schmunzelt.

In der Tat scheint der SPD-Chef im parteiinternen Rennen um die Kanzlerkandidatur nicht klein beigeben zu wollen. Seit Wochen steht zwar Peer Steinbrück, der im Volk angesehene Ex-Finanzminister im Fokus der Öffentlichkeit. Die "Bild"-Zeitung legte sich vor zwei Wochen schon auf den hanseatischen SPD-Finanzexperten als Kanzlerkandidat fest. Auch Frank-Walter Steinmeier hat sich nach der Niederlage 2009 im Job als Fraktionsvorsitzender eingefunden, gilt als verlässlich, fleißig und ehrgeizig. Doch Sigmar Gabriel hat in den vergangenen Wochen fast unbemerkt von der Öffentlichkeit einen Stilwechsel vollzogen, und einige in seinem Umfeld wissen auch schon, wie der 51-jährige Lehrer am Ende der lachende Dritte in der K-Frage sein könnte.

Faktor Stil: Noch im Frühjahr kam kaum ein Gabriel-Portrait in den Medien ohne das Etikett "sprunghaft" aus. Gabriel galt als rauflustiger Polterer, der Schleier des Unseriösen umgibt ihn, spätestens, seitdem er als Umweltminister mit dem Berliner Promi-Eisbär Knut knuddelte. Doch Gabriel hat sich geändert. Seit Wochen gibt er den Staatsmann, bietet der schwarz-gelben Regierung in der Euro-Krise Hilfe an und vermeidet direkte persönliche Attacken auf den politischen Gegner. In der Analyse der eigenen Partei ist Gabriel zurückhaltend, großspuriges Getöse lässt er nicht zu. Man habe sich wieder nach oben gekämpft, sagt er. Aber der Weg zu alter Stärke sei noch weit. Im Willy-Brandt-Haus lobt ein Stratege seinen Chef: "Er ist entspannter geworden."

Faktor Koalition: Im Bundestagswahlkampf 2013 könnte es zu einer Lagerbildung kommen. Hier Schwarz-Gelb, dort Rot-Grün mit einer echten Machtoption. Die Stärke der Grünen kompensiert die fehlenden Prozente bei der SPD, so dass eine Mehrheit ohne die Linken längst realistisch ist. Und Gabriel ist mehr als Steinbrück und Steinmeier der Mann für diese Konstellation. Schon im Wahlkampf 2009 hatte sich Gabriel frühzeitig gegen Kanzlerin Merkel gestellt und die große Koalition kritisiert. Die Grünen behandelt Gabriel nicht herablassend wie es einst Steinbrück tat, sondern auf Augenhöhe. Dass der Berliner SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit in der Hauptstadt die Verhandlungen mit den Grünen platzen ließ und nun auf eine große Koalition setzt, soll bei Gabriel nicht gut angekommen sein. Zudem hält er einen fast freundschaftlich engen Draht zu Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Als Vorkämpfer für Rot-Grün 2013 wirkt Sigmar Gabriel in der Kanzlerkandidatenriege am glaubhaftesten.

Faktor Zeit: Je länger der SPD-Chef die Nominierung des Kanzlerkandidaten hinausschieben kann — und Gabriel hat das Vorschlagsrecht — desto größer sind seine Chancen. Peer Steinbrück ist nach herrschender Meinung zu früh als krisengestählter SPD-Mann und möglicher Kanzlerkandidat in den Medien aufgetaucht. Demnächst geht der Ex-NRW-Ministerpräsident auf Lesereise mit SPD-Altkanzler Helmut Schmidt. Die Schlagzeilen sind ihm wieder sicher. Doch glauben nicht wenige, dass ein Steinbrück-Überdruss kommen kann. Was soll denn noch über den Finanzexperten mit der klaren Sprache geschrieben werden? Es ist dieses Jahr doch schon alles gesagt worden.

Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier steht unangefochten an der Spitze der Fraktion. Doch liegt die Last der 2009-Niederlage auf ihm, und an der Parteibasis ist er kaum zu sehen. Der Parteitag der SPD im Dezember in Berlin könnte daher Gabriel in die Hände spielen. Steinmeier redet am ersten Tag, Steinbrück am letzten. Dem SPD-Chef Gabriel gehört der Samstag, der zentrale Parteitagstag. Wird von Steinmeier eine staatstragende Rede und von Steinbrück eine Analyse der Euro-Krise erwartet, kann sich Gabriel als Parteichef mit seiner Ansprache in die Herzen der Genossen reden. Aufbruch erzeugen, Selbstbewusstsein versprühen, den Kampf gegen Schwarz-Gelb artikulieren. Niemand kann das besser als der rhetorisch versierte Gabriel. Zudem ist er es gewesen, der die Partei in der schweren Krise übernommen hat. Der großzügige Dank der Genossen ist ihm sicher.

Der Applaus wird den Medienvertretern als Gradmesser im Dreikampf der Kandidaten dienen. Zuletzt hat Gabriel als Herrscher des Verfahrens einen Vorteil. Er kann die Nominierung des Kandidaten bis zur Landtagswahl in Niedersachsen im Frühjahr 2013 hinauszögern. Ein rot-grünes Votum in seinem Heimatverband, Gabriel gilt als enger Verbündeter des Hannoveraner Bürgermeisters und möglichen Spitzenkandidaten Weil, könnte den Bundesvorsitzenden stärken. So war es 1998 schon mit Gerhard Schröder. Ein Niedersachse muss Kanzler werden, lauteten die Anzeigenmotive vor der Landtagswahl 1998, die Schröder fulminant für sich entscheiden konnte. Dass sich Gabriel das Kanzleramt zutraut, ist keine Frage. Bei aller neuen Bescheidenheit. An Selbstbewusstsein mangelt es dem SPD-Chef nicht.

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