Ausblick auf 2020 EM und Olympia dominieren das Sportjahr

Düsseldorf · Der Höhepunkt der Fußballer und die Olympische Sommerspiele stellen 2020 andere Sportereignisse in den Schatten. Ein Ausblick für das kommende Sportjahr.

 Die deutschen Hockey-Frauen jubeln über die geschaffte Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio.

Die deutschen Hockey-Frauen jubeln über die geschaffte Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio.

Foto: dpa/Roberto Pfeil

Der CHIO (ausgeschrieben: Concours Hippique International Officiel) gilt als Wimbledon des Reitsports. So sagen es die Reiter, und so sagen es natürlich auch die Veranstalter in Aachen. Jährlich kommen 350.000 Zuschauer in die Soers, und das Fernsehen überträgt die wichtigsten Entscheidungen live. Vieles hat eine lange Tradition, die stimmungsvolle Verabschiedung der Teilnehmer zum Beispiel, bei der die Zuschauer im Stadion mit weißen Taschentüchern winken. Und der Termin hat ebenfalls Tradition. Normalerweise begrüßen die Veranstalter die Reitwelt im Juli in der Soers.

Normalerweise. Normal aber ist in diesem Jahr nichts. Denn den Sommer bestimmen zwei Großereignisse, die Fußball-Europameisterschaft und die Olympischen Sommerspiele in Tokio. Unter anderem weil die Fußballer 60 Jahre EM mit dem Einfall feiern, ihr kontinentales Turnier mit Spielen in 13 verschiedenen Ländern auszutragen, sind die Kapazitäten der TV-Sender derart erschöpft, dass der CHIO ausnahmsweise auf einen Termin Ende Mai ausweicht. Über so viel Rücksichtnahme freut sich die ARD, die das Reitsportspektakel über den WDR in die Wohnzimmer bringen wird. Und so viel Rücksichtnahme ist für die CHIO-Veranstalter selbstverständlich. Denn sie brauchen die TV-Bilder für die Verhandlungen mit ihren Sponsoren.

Nach dem CHIO wird alles, was ARD und ZDF bewegen kann, zunächst durch ganz Europa gejagt, um die EM zu begleiten. Und wenn die Fußballer am 12. Juli in London ihren Titelträger gekürt haben (die deutschen Sender hoffen nicht ganz uneigennützig: unter deutscher Beteiligung bis zum Schluss), geht es in der Zeitzone sieben Stunden zurück nach Asien. „Unser Publikum kann sich wieder darauf verlassen, die Spiele in der gewohnten Qualität von ZDF und ARD präsentiert zu bekommen“, versichert ZDF-Intendant Thomas Bellut. Vom 24. Juli bis 9. August ist Tokio der Nabel der Sportwelt.

Zahlen unterstreichen das. Für die TV-Rechte an den Olympischen Spielen von 2018 bis 2024 auf dem europäischen Markt hat der Discovery-Konzern 1,3 Milliarden Euro ans Internationale Olympische Komitee bezahlt. In Tokio sind ARD und ZDF Inhaber von sogenannten Sublizenzen, für die Veranstaltungen von 2018 bis 2024 sollen sie 200 Millionen Euro hingeblättert haben.

Bei der Europameisterschaft wird der Spaß noch teurer. Auf 150 Millionen Euro werden die Lizenz-Kosten für die öffentlich-rechtlichen Sender geschätzt. Aber es entspricht offenbar einem dringenden Wunsch der Kundschaft. Darauf verweist ARD-Programmdirektor Volker Herres auf der Internetseite seines Senders: „Die Spiele der Uefa Euro 2016 im Ersten wollten im Durchschnitt mehr als die Hälfte aller TV-Zuschauer in Deutschland sehen.“

Wenn das so bleibt, wovon trotz der blamablen WM-Bilanz 2018 in Russland auszugehen ist, dann dürfen und werden die Öffentlich-Rechtlichen einen Auftrag daraus ableiten. Das Publikum trägt damit seinen Teil dazu bei, dass auch künftig der Fußball das beherrschende Thema ist. Er hat ohnehin die anderen Sportarten an den Rand gedrängt – die Frage, ob Huhn oder Ei zuerst da waren, ob Medien das Interesse der Kundschaft geleitet oder die Kunden die Medien getrieben haben, muss da gar nicht mehr beantwortet werden. Alles neben dem Fußball ist buchstäblich eine Randsportart.

Außer bei Olympischen Spielen, die alle vier Jahre aus dem Schatten holen, was sonst hinter dem Fußball auch durch mangelnde TV-Präsenz nur schwer sichtbar ist, dominiert der Deutschen liebster Ballsport die öffentliche Wahrnehmung. Das ist bereits in „normalen“ Jahren so, wenn Bundesliga und internationale Wettbewerbe das Schau-Geschäft bestimmen. Und es ist erst recht der Fall, wenn alle zwei Jahre bei Welt- oder Europameisterschaft die Nationalmannschaften ihre Titelträger suchen. Dann kommt es tatsächlich zum vielzitierten Lagerfeuer-Effekt, dass sich ganze Völkerstämme um Bildschirme versammeln und für einen Monat zu Experten und/oder Hardcore-Fans werden.

Vier Jahre vor den Titelkämpfen im eigenen Land dürfen die Deutschen schon mal üben, wie sich die Gastgeberrolle anfühlt. Alle drei Gruppenspiele der DFB-Auswahl und ein Viertelfinale werden in München ausgetragen. 14 Jahre nach dem sogenannten Sommermärchen, als Deutschland sich bei der WM als weltoffenes, fröhliches, gastfreundliches Land vorstellte, gibt es erneut die Chance, etwas fürs Ansehen zu tun.

Das betrifft natürlich auch die sportlichen Botschafter. In Russland kickte die Nationalmannschaft kilometerweit an den eigenen hohen Ansprüchen vorbei. Jetzt kann sie schon in den Gruppenspielen dem eigenen Publikum nachweisen, dass sie auf dem Weg der fußballerischen Erneuerung einen großen Schritt weitergekommen ist. Das wird bei den Gegnern auch nötig sein. Weltmeister Frankreich und Europameister Portugal sind große Kaliber und sicher nicht die Wunschlose. Aber auch die zuletzt doch erfrischend wiederbelebte deutsche Mannschaft zählt bestimmt nicht zu den Lieblingsgegnern auf dem Kontinent.

Deshalb machte nach der mit dem üblichen Pomp vollzogenen Auslosung schnell das Wort von der Hammergruppe die Runde. Komplettiert wird sie von einem eher unterklassigen Gegner, der bei den Play-offs im Frühjahr noch ermittelt werden muss. Das ist eine der Besonderheiten bei dieser ohnehin schon besonderen EM.

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