Ausstellung zum ersten Titel vor 50 Jahren Borussias historisches Meisterstück als Motivation für die Gegenwart

Mönchengladbach · Am 30. April 1970 machte Borussia die erste Meisterschaft perfekt. Dazu gibt es eine Ausstellung im vereinseigenen Museum. Das aktuelle Team lädt zum Träumen ein. Trainer Marco Rose fordert aber Bodenständigkeit.

 Am 30. April 1970 stemmte Günter Netzer um 21.50 Uhr die Meisterschale in den niederrheinischen Nachthimmel.

Am 30. April 1970 stemmte Günter Netzer um 21.50 Uhr die Meisterschale in den niederrheinischen Nachthimmel.

Foto: HORSTMUELLER GmbH

Am Abend des 30. April 1970 läuteten im Mönchengladbacher Stadtteil Eicken die Glocken von St. Elisabeth und St. Mariä Rosenkranz. Die Menschen strömten auf die Straßen, überall gab es spontane Jubelgesänge. Borussia hatte mit einem 4:3 gegen den Hamburger SV den ersten Meistertitel gewonnen. Herbert Laumen, Berti Vogts, Horst Köppel und Hartwig Bleidick, der am 26. Dezember 75 wurde, schossen ein 4:0 heraus, bevor der HSV die Borussen nochmal zittern ließ. Doch es reichte. Um 21.50 Uhr an diesem Donnerstag stemmte Günter Netzer die Meisterschale in den niederrheinischen Nachthimmel.

Hennes Weisweiler, der Meistertrainer, hatte vor der Saison gesagt: „Entweder es gibt den Titel oder ich bin weg.“ Der Triumph war Teil seines Dreijahresplans, der nach zwei dritten Plätzen in den Spielzeiten zuvor aufgehen musste. Weisweilers Ultimatum und der Zukauf der Verteidiger Luggi Müller und Klaus-Dieter Sieloff waren wohl zwei gute Gründe für den ersten von fünf Meistertiteln, die Gladbach holte. Hätte es nicht geklappt in jener Saison, wer weiß, ob all das, was folgte, tatsächlich passiert wäre. Doch die Borussen holten die Schale, Weisweiler blieb, sein Team verteidigte  den Titel als erster Bundesligist, wurde 1973 Pokalsieger, 1974 und 1975 Meister und holte 1975 zudem als erstes deutsches Team den Uefa-Cup. Dann ging Weisweiler zum FC Barcelona.

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Borussia widmet dem Trainer und seiner Zeit als Borusse ab dem 30. April 2020 eine Sonderausstellung im vereinseigenen Museum, der Fohlenwelt. „Weisweilers Meisterstück“ wird sie heißen und sich „mit der Bundesligasaison 1969/70 beschäftigen, in der die Fohlenelf zum ersten Deutschen Meistertitel der Vereinsgeschichte stürmte. Ein großer Teil der Ausstellung wird das Lebenswerk von Trainer Hennes Weisweiler beleuchten“ – so kündigt Borussia die Schau an, die bis zum 25. Oktober zu sehen sein wird.

74 Punkte holten die Borussen vor 50 Jahren und schossen 71 Tore. Die Basis für den Triumph legten sie in der Hinrunde, die bis heute eine der besten der Vereinsgeschichte ist, nur in der bislang letzten Meister-Spielzeit 1976/77 war die Ausbeute genauso gut: 39 Punkte nach 17 Spielen. In beiden Fällen waren die Borussen Erster nach dem ersten Teil der Saison. In der Gegenwart sind die Borussen als Zweiter in die Winterpause gegangen, sie haben 35 Punkte eingesammelt, es ist nach den beiden vorgenannten Ergebnissen die zweitbeste Punktebilanz der Vereinsgeschichte nach 17 Spielen. Dass Vergleiche gezogen werden zu den großen 70ern, ist klar.

Trainer Marco Rose hat damit grundsätzlich kein Problem – so lange der Umgang mit der Geschichte stimmig ist. „Es ist ein Antrieb, der aber zur Hypothek werden kann, wenn es öffentlich falsch aufgearbeitet wird“, sagte Rose zuletzt im Interview mit der „Zeit“. „Im Erfolgsfall werden wir mit der Meister-Elf verglichen und ich bin schon Hennes Weisweiler. Dann verlieren wir zweimal, und wir müssen uns Sorgen machen. Das ist für mich nicht nachvollziehbar“, sagte Rose.

Doch das, was Borussia auf ihrer Internetseite über Weisweiler schrieb, als er 100 Jahre alt geworden wäre, beschreibt auch Rose: „Ein großer Fußball-Fachmann, ein Mann mit Visionen, der Arbeit einfordert.“  Mit Rose will Borussia den nächsten Schritt machen. Es gibt kein Ultimatum wie vor 50 Jahren. Aber es gibt den Traum der Fans nach einer Hinrunde, in der die Borussen acht Mal in Folge Tabellenführer waren, so lange wie seit der Saison 1976/77 nicht mehr. 50 Jahre nach der ersten Meisterschaft scheint vieles möglich.

„Euphorie und große Ziele: gerne“, stellte Rose in der „Zeit“ klar. Er hat keine Angst vor hohen Ansprüchen. Doch er fordert auch Bodenständigkeit, Demut und Realismus ein. Quasi als Gegenleistung für die Einladung zum Träumen, die er und sein Team mit der starken Hinrunde ausgesprochen haben. Rose arbeitet daran, den Borussen den absoluten Willen zum Sieg anzuerziehen, der in den Jahren zuvor oft fehlte, wenn es entscheidend wurde. Man darf nicht vergessen: Gladbach hat sich recht schnell vom ewigen Abstiegskandidaten in die ständige Einstelligkeit katapultiert, aber dann wirklich ein Spitzenteam zu sein, für das Siege und Titel selbstverständlich sind, ist nochmal eine andere Dimension.

„Man muss es sich erarbeiten. Das ist das Geheimnis großer Mannschaften. Barcelona. Bayern. Madrid. Mannschaften, die ständig um Titel spielen. Die diesen Glauben immer haben, weil es für sie gar keine Alternative zum Gewinnen gibt. Das ständig zu schaffen, ist der nächste Schritt“, sagte Rose der „Zeit“. Weisweilers Borussen haben am 30. April 1970 diesen Schritt gemacht, aus dem Herausforderer wurde ein Meisterteam. Wie weit Roses Team schon ist, wird sich am 16. Mai zeigen, wenn der letzte Spieltag vorbei ist. „Ich glaube, dass es keinen Sinn macht, plakative Ziele rauszuknallen“, sagte Rose. Er will keine Luftschlösser aufbauen. Aber er will jedes Spiel gewinnen. Wohin es führen kann, wenn das oft passiert, zeigte sich am 30. April 1970. Was vor 50 Jahren geschah, das kann Motivation sein für die Borussen der Gegenwart Großes zu schaffen.

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