Analyse Aufstand im Hofstaat des FC Bayern

München · Beim FC Bayern München brennt es derzeit lichterloh. Das liegt auch an veralteten Machtstrukturen im Verein. Es wäre dringend an der Zeit, neue Impulse zuzulassen. Doch in der Chefetage sieht man die Dringlichkeit noch nicht gekommen.

 Ritter Breitner: Beim Champions-League-Finale 2013 trug Paul Breitner die Rüstung und brachte gemeinsam mit Lars Ricken den Pokal ins Stadion.

Ritter Breitner: Beim Champions-League-Finale 2013 trug Paul Breitner die Rüstung und brachte gemeinsam mit Lars Ricken den Pokal ins Stadion.

Foto: imago sportfotodienst

Es gibt da dieses Bild von Paul Breitner. Es ist aufgenommen worden vor dem Champions-League-Finale 2013 in Wembley gegen Borussia Borussia Dortmund. Es zeigt ihn in einer Ritterrüstung. Die Verkleidung beschreibt sehr gut, in welcher Rolle sich Breitner in den vergangenen Jahren beim FC Bayern München gesehen hat. Als Verteidiger des Vereins, der für ihn über allem steht. Schon seit langem hat er sich als kritische Stimme des deutschen Rekordmeisters gesehen. Sehr zum Verdruss der Klub-Oberen, die von ihm dem Treueschwur verweigert bekamen.

Nun ist Breitner (67) aus dem Hofstaat in München ausgeschlossen worden. „Es gab einen Anruf von Herrn Dreesen, mir werde von Uli Hoeneß nahegelegt, mich auf absehbare Zeit nicht im Ehrengast-Bereich blicken zu lassen“, sagte der frühere Profi der „Bild“-Zeitung über ein Telefonat mit Vorstandsmitglied Christian Dreesen. „Ich habe ihm gesagt: Damit habe ich ohnehin gerechnet. Und ich möchte den einen oder anderen im Moment sowieso nicht sehen.“ Er habe nun beschlossen, „meine zwei Ehrenkarten, die ich als Ehrenspielführer auf Lebenszeit besitze, zu Händen von Herrn Dreesen zurückzuschicken. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich Freikarten will“, ergänzte Breitner. Er werde sich ab sofort eben Karten für die Heimspiele der Münchner „ganz normal kaufen, wenn ich ins Stadion gehen will“.

Der Eklat um Paul Breitner ist nicht Teil einer dieser üblichen FC-Hollywood-Aufführungen. Der öffentlich ausgetragene Zwist zeigt den tiefen Riss, der sich derzeit durch den Klub zieht. Im Mittelpunkt der Inszenierung steht Uli Hoeneß (66). Er hat den FC Bayern zu seinem Projekt gemacht. Und es ist sportlich und auch wirtschaftlich eine Erfolgsgeschichte. Gleichwohl droht der Patriarch an dem gleichen Fehler zu scheitern, wie Millionen andere Unternehmensfiguren vor ihm, die den Zeitpunkt verpasst haben, die Leitung an die nächste Generation zu übergeben. Es gibt zu viele Ja-Sager. Auch im Aufsichtsrat, dem künftig Volkswagen-Chef Herbert Diess angehören soll. In Hasan Salihamidžić hat man maximal ein Schoßhündchen als Sportdirektor installiert. Man hätte auch Maskottchen Berni auftragen können, sich künftig um die Finanzen der Aktiengesellschaft zu kümmern.

Es sind fatale Signale, die deutlich machen, wie sehr Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge die Situation unterschätzt haben. Die beiden haben eine wechselhafte Beziehung. Zwei absolute Machtmenschen, die wissen, dass der eine nicht ohne den anderen kann. Hoeneß ist die Seele des FC Bayern, Rummenigge ist der Generalsekretär, der die einzelnen Teile zusammenhält. Die Mitglieder lieben Hoeneß, sie akzeptieren Rummenigge. Das ist das Machtgefüge. Doch das beginnt zu bröckeln.

Immer mehr rücken von Hoeneß ab. Das ist im Misserfolg nicht verwunderlich. Die meisten ehemaligen Spieler sind eh längst ausgeschlossen worden. Vereinslegende Lothar Matthäus – Persona non grata. Stefan Effenberg – spielt keine Rolle. Michael Ballack – spielt keine Rolle. Natürlich sind viele ihrer Beiträge vor allem Dampfplauderei. Aber sie werden gehört und verdienen als Experten bei unterschiedlichen Formaten gutes Geld. Die Geister, die ich rief – und so poltert Effenberg, der FC Bayern habe „gravierende Fehler“ gemacht und brauche nun „dringend Impulse von außen“. Neben Oliver Kahn befürworte er die Verpflichtung eines erfahrenen Managers und brachte die Namen des Gladbacher Sportdirektors Max Eberl und des Frankfurter Sportvorstands Fredi Bobic ins Spiel.

Breitner ist nicht Effenberg. Breitner stand immer für ein gewisses Spektrum im Verein, er hat im Namen des FC Bayern Anhänger aufgesammelt, die sich durch Hoeneß nicht vertreten fühlten. Breitner, der im kommenden Jahr zur Gründungself der „Hall of Fame“ des Fußballmuseums in Dortmund gehört, hat immer mit feiner Klinge ausgeteilt. Vor ein paar Wochen wurde er deutlicher und teilte gewaltig gegen Hoeneß und Vorstandschef Rummenigge wegen ihrer ungewöhnlichen Pressekonferenz aus. „Ich bin nach wie vor deprimiert, weil ich mir nie vorstellen konnte in 48 Jahren, die ich mit oder am Rande des FC Bayern lebe, dass sich dieser Verein diese Blöße gibt, dass er diese Schwäche zeigt“, sagte Breitner. „Was den Uli angeht: Ich verstehe Vieles nicht, was dort passiert ist.“

Hoeneß hatte vor allem die Medien für die sportliche Misere verantwortlich gemacht und angekündigt, Niko Kovac bis aufs Blut verteidigen zu wollen. Das Treuebekenntnis hielt exakt bis zum vergangenen Wochenende. Nach dem 3:3 gegen Fortuna Düsseldorf kündigte Hoeneß an, „alles auf den Prüfstand“ zu stellen und bat die Presse gar um Hilfe, sich die Leistungen der Spieler genauer anzusehen, um sie dementsprechend auch für Fehlleistungen zu kritisieren.

Hoeneß arbeitet gerade intensiv daran, zwischen allen Stühlen zu sitzen. Ernst genommen wird er mit solchen Manövern jedenfalls nicht mehr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort