Niederlage in der Europa League Zwei Schritte zurück für Bayer 04

Leverkusen · Das 2:3 in der Europa League beim FC Zürich glich über weite Strecken einem fußballerischen Offenbarungseid. Heiko Herrlich versucht, die Diskussionen um seine Arbeit zu verdrängen – und die Spieler haben Mitleid mit ihrem Trainer.

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Foto: Anne Orthen

Während die Spieler des FC Zürich mit lautem Jubel in ihrer Kabine verschwanden, trat der sichtlich geknickte Abwehrchef der Werkself vor die Mikrofone. Sven Bender wirkte einmal mehr ratlos, als er die 2:3-Niederlage seines Teams und seine eigene schwache Leistung erklären wollte. „Am Ende ist es halt ein Wahnsinn“, sagte der 29-Jährige und übte sich in schonungsloser Selbstkritik.

„Ich lasse mich beim 0:1 düpieren. Was ich da gemacht habe, war absoluter Mist.“ Beim 2:2 habe er dann den Ball entscheidend abgefälscht und sein Kopfballtreffer zum 3:3 in letzter Sekunde wurde zu allem Überfluss zu Unrecht wegen eines vermeintlichen Foulspiels seines Bruders abgepfiffen. „Der Fußballgott war heute nicht auf meiner Seite“, betonte der gebürtige Rosenheimer.

In der Tat lieferte der Ex-Dortmunder und Zwilling von Kapitän Lars Bender eine schwache Leistung ab – nicht nur, weil er sich vor dem ersten Gegentor tunneln ließ. Doch damit bildete er beileibe keine Ausnahme an diesem gebrauchten Abend im Stadion Letzigrund. Im Gegenteil. Die erste Halbzeit war die schlechteste von Bayer 04 in dieser bis dato ohnehin sehr dürftigen Spielzeit – und das will was heißen.

FC Zürich - Bayer 04 Leverkusen: die Werkself in der Einzelkritik
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Foto: dpa/Ennio Leanza

Immerhin: In den ersten zehn Minuten nach der Pause wurde die Werkself ihrer Favoritenrolle gerecht. Das Team kam mit viel Schwung aus der Kabine und spielte den FC Zürich regelrecht an die Wand. Zwei Tore von Karim Bellarabi, der neben Schlussmann Lukas Hradecky schon im ersten Durchgang der beste Mann auf dem Platz war, drehten die Partie kurzzeitig.

Was danach folgte, ist mit rationalen Mitteln indes kaum noch zu erklären, denn die Werkself stellte ohne Not den Betrieb wieder ein. Die keineswegs überragenden Züricher nahmen die Einladungen zum Toreschießen dankend an und in der Bayer-Offensive lief bis zum Schlusspfiff nicht mehr viel zusammen.

Trainer Heiko Herrlich betont immer wieder, dass er in seiner Bewertung von Fußballspielen stets zwischen Leistung und Ergebnis unterscheidet. Bei dem weitgehend mut- und ideenlosen Auftritt in der Schweiz war beides schlicht und ergreifend schlecht. Für den unter Dauerdruck stehenden Coach des Tabellendreizehnten der Bundesliga wird die Luft immer dünner. Bayer Leverkusen enttäuscht in dieser Saison trotz des hochtalentierten Kaders bisher auf ganzer Linie.

Herrlich will die seit Wochen brodelnde Trainerdebatte „erstmal verdrängen“, wie er nach dem Spiel sagte. „Ich mache mir jetzt keine Gedanken, inwiefern das Vertrauen in mich noch da ist oder weniger geworden ist.“ Die Niederlage sei bitter und tue ihm weh. Die Analyse des Spiels und der vergebenen Chancen sei ihm wichtiger als die Diskussion um seine Person.

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Foto: dpa/Tim Rehbein

Das ist eine Gefühlslage, die Sven Bender nachvollziehen kann. „Er war sehr leidenschaftlich vor dem Spiel und hat uns gut eingestellt“, kommentierte er die Arbeit seines Trainers. „Es tut mir weh, dass wir es nicht hinkriegen, das auf dem Platz umzusetzen, was er uns mitgibt.“ Er habe diesmal selbst „einige Böcke“ im Spiel gehabt. „Die Jungs können gerne auf mich schimpfen, aber wichtig ist, dass wir die Köpfe oben lassen und weitermachen.“

Genau das ist aber seit Wochen das Problem in Leverkusen: Die Köpfe sind nicht oben, das Selbstvertrauen fehlt, der Glaube an die eigene Stärke. Auch eine klare Spielidee wird immer seltener erkennbar. Hinzu kommt mangelnder Einsatzwillen. „Wir müssen uns alle die Frage stellen, ob wir genug investieren“, sagte Kai Havertz. Das ist ein erstaunlicher Satz. Immerhin ging es in der Schweiz um nichts Geringeres als eine Vorentscheidung in Gruppe A der Europa League. Nun ist Zürich nach drei Spielen Erster mit neun Punkten, gefolgt von Bayer 04 (6), Rasgrad und Larnaka (je 1).

Schon das 0:0 in der Bundesliga in Freiburg oder das glückliche 2:2 gegen Hannover waren zuletzt eher Rück- als Fortschritte. Zürich bildet hingegen einen neuen Tiefpunkt. Die Gründe für Optimismus sind vor dem eminent wichtigen Auswärtsspiel am Sonntag in Bremen (18 Uhr) auf ein Minimum gesunken. Auch der zweifache Vorlagengeber Havertz fand daher deutliche Worte der Selbstkritik: „Es ist einfach viel zu wenig, was wir abrufen. Jeder einzelne Spieler hat Potenzial nach oben. Im Moment machen wir alles falsch, was wir falsch machen können und haben so ein bisschen die Scheiße am Fuß.“

Und die ist laut des legendären Zitats von Andi Brehme bekanntermaßen äußerst schwierig loszuwerden.

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