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Ukraine-Russland-Krise Auch Deutschland hat viele Russlandversteher

Analyse · Nicht nur Altkanzler und SPD-Politiker Gerhard Schröder gilt als enger Putin-Freund. Auch AfD und viele Linke in Deutschland formieren sich als Kreml-Sympathisanten – allerdings aus unterschiedlichen Motiven.

Ukraine-Konflikt: Internationale Pressestimmen zur Verschärfung der Krise
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Internationale Pressestimmen zum Ukraine-Konflikt

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Foto: qvist /Shutterstock.com

Wladimir Putin bereitet vielen Sorgen, aber längst nicht allen. Dass der russische Staatspräsident einflussreiche Oligarchen und zweifelhafte Machthaber wie Alexander Lukaschenko in Belarus oder Viktor Orbán in Ungarn hinter sich weiß, ist nicht neu. Dass er aber auch deutsche Unterstützer hat, darf nicht vergessen werden. Zwischen pazifistischem Internationalismus der Linken und Entspannungsnostalgie einzelner Sozialdemokraten sticht vor allem die Anbiederung der AfD hervor.

Die Reaktion der AfD-Fraktion auf Putins Truppenbefehl fällt im Ton noch differenziert aus: Man dürfe nicht den Fehler machen, Russland allein die Verantwortung zuzuschieben, die Situation „ist eine Folge der entgegen aller Absprachen mit Moskau vorangetriebenen Osterweiterung der Nato“. Dauerhafte Entspannung sei „nur durch die Neutralität der Ukraine zu erreichen“, so die Pressemitteilung. Sanktionen gegen Russland lehnen sie jedoch strikt ab – eine der Grundhaltungen der AfD-Außenpolitik. Die speist sich vor allem aus einer eurokritisch-nationalistischen Politik gepaart mit antiwestlicher Systemkritik. Wenig überraschend und doch auffällig: die enge Verbindung von AfD und Russland, die sich sowohl auf oberster politischer Ebene wie auch auf gesellschaftlicher Ebene zeigt.

So hat die AfD zum einen das große Wählerpotenzial innerhalb der deutsch-russischen Community früh erkannt und gezielt erreicht – durch russischsprachige Wahlwerbung, Präsenz in russischsprachigen Medien und das parteiinterne Netzwerk „Russlanddeutsche für die AfD NRW“. Zum anderen investiert die Partei in eigene Beziehungen zum Kreml. 

Schlagzeilen machte 2018 der Ausflug eines sächsischen AfD-Abgeordneten auf die von Russland völkerrechtswidrig annektierte Krim. Nach Recherchen des ARD-Magazins „Kontraste“ und dem „Spiegel“ war die Reise durch den Auswärtigen Ausschuss des russischen Parlaments, der Duma, finanziert. Bezahlte Propaganda, so der Vorwurf. Ähnlich erging es Markus Frohnmaier, Ex-Vorsitzender der Jugendorganisation der AfD und seit 2017 Bundestagsmitglied. Frohnmaier soll im Wahlkampf 2017 direkt von Russland unterstützt und als Marionette Putins behandelt worden sein. In einem Moskauer Strategiepapier soll er als „ein unter absoluter Kontrolle stehender Abgeordneter“geführt worden sein.

Selbst die Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny Ende 2019 hielt die AfD nicht davon ab, im Frühjahr 2020 gleich zweimal mit einer Delegation um Alice Weidel den Kreml zu besuchen – und das mitten in der heißen Phase des Wahlkampfes in Baden-Württemberg, Weidels Heimat. Zuletzt empfing sogar der russischer Außenminister Sergej Lawrow AfD-Chef Tino Chrupalla persönlich – ungewöhnlich für einen eher unbekannten Oppositionspolitiker. Die Zuneigung scheint beidseitig.

Auch die Linke hat zu Russland traditionell ein anderes Verhältnis. Vor allem die beiden Partei-Prominenten Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi haben für die Phantomschmerzen Putins, nicht mehr die weltbeherrschende Supermacht zu sein, ein gewisses Verständnis. Beide werfen auch der Nato ein aggressives Verhalten vor und teilten lange Zeit die Sorge des russischen Präsidenten, vom westlichen Bündnis eingeschnürt zu sein. Gysi wehrt sich zudem dagegen, Nord Stream 2 zu stoppen. Das sei eine „wirtschaftlich sowie klimapolitisch dumme Entscheidung“, sagte er dem „Spiegel“. Noch größere Putinfans bei den Linken, die „Russia-Today-Fraktion“, benannt nach dem Propaganda-Sender des Kremls, finden sogar, dass sich die Ukraine den Interessen Putins unterordnen müsse und nur eine beschränkte Souveränität besitze.

Wesentlich differenzierter ist die Haltung führender SPD-Politiker, denen mitunter auch ein zu großes Verständnis für den Kurs Putins vorgeworfen wird. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich trommelt zwar unermüdlich für eine Verhandlungslösung, aber ebenso klar distanziert er sich von der russischen Aggression. Das war nicht immer so. Von scharfen Sanktionen wollte er lange Zeit nichts wissen. Gerhard Schröders Engagement als Verwaltungsratsvorsitzender von Nord Stream 2 und künftiges Aufsichtsratsmitglied von Gazprom nannte er noch ganz aktuell eine Privatsache.

Die Nähe zu Putin, die Altkanzler Schröder pflegt, darf aber nicht verwechselt werden mit dem Wunsch vieler SPDler, alles für eine friedliche Lösung des Konflikts zu versuchen. Das entspricht der Tradition des Ausgleichs mit dem Osten, der seit der Ostpolitik des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt zur Partei-DNA zählt. Da mischen sich oft Vorbehalte gegen die bisweilen scharfe Rhetorik der Amerikaner ein – gerade auch mit Russland. Bundeskanzler Olaf Scholz war diesem Weg ebenfalls zutiefst verpflichtet.

 Nicht nur SPD-Grande Gerhard Schröder reicht Putin die Hand, wie hier 2018 im Kreml.

Nicht nur SPD-Grande Gerhard Schröder reicht Putin die Hand, wie hier 2018 im Kreml.

Foto: dpa/Alexei Druzhinin

Putin-Freund Schröder hat sich zur aktuellen Lage nicht geäußert. Dafür seine Frau So-yeon Schröder-Kim, die auf Instagram eine Vermittlungsrolle ihres Mannes für möglich hielte, „wenn das die Bundesregierung ernsthaft wollte“. Allerdings gab sie gleich selbst die Antwort: „Davon ist aber nicht auszugehen.“

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