Großbritanniens Sanktionen gegen russische Milliardäre Warnung an die Oligarchen

Düsseldorf · Großbritannien hat Sanktionen gegen drei reiche russische Unternehmer verhängt. Ihr Vermögen wurde eingefroren. Außerdem dürfen sie derzeit nicht mehr einreisen. Kritiker bezweifeln die Wirkung der Maßnahmen.

 Regelmäßig lädt Wladimir Putin einflussreiche Geschäftsleute Russlands zum Austausch in den Kreml ein – hier im Dezember 2019.

Regelmäßig lädt Wladimir Putin einflussreiche Geschäftsleute Russlands zum Austausch in den Kreml ein – hier im Dezember 2019.

Foto: Kremlin Pool / dpa

Knapp sechs Kilometer liegen in London zwischen dem Fußballstadion an der Stamford Bridge und Downing Street 10, wo Boris Johnson residiert. In der Arena ist Roman Abramowitsch als Eigentümer und Geldgeber des Champions-League-Siegers Chelsea London gern gesehen, am Amtssitz des britischen Premierministers sicherlich weniger. Zumindest dann nicht, wenn der russische Milliardär auf der Insel mehr als nur ein regelmäßiger Besucher bei den Auftritten seines Vereins im Stadtteil Fulham sein wollte.

Würde Abramowitsch ein Bleiberecht für das Empire beantragen, müsste er vermutlich sein gewaltiges Vermögen offenlegen, und das kommt nach Überzeugung vieler Beobachter aus mindestens umstrittenen Quellen. Einer solchen Überprüfung ist er 2018 schon mal aus dem Weg gegangen, als London nach dem Giftgasanschlag auf den ehemaligen russischen und britischen Agenten Sergej Skripal und dessen Tochter ankündigte, russische Investoren stärker unter die Lupe zu nehmen. Abramowitsch verzichtete danach auf einen Antrag zur Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.

Womöglich würde Johnson das Vermögen des Mannes, der bei der ersten Wahl von Wladimir Putin zum russischen Präsidenten eingangs des 21. Jahrhunderts eine wichtige Rolle spielte, sogar einfrieren. So, wie er es gerade bei drei anderen Oligarchen aus dem unmittelbaren Umfeld des Machthabers im Kreml getan hat. Zu ihnen gehört Gennadi Timtschenko, Großaktionär der russischen Bank Rossija, die ungeachtet ihrer bescheidenen Größe (bei 1,25 Milliarden Euro Bilanzsumme macht sie gerade mal ein Promille der Deutschen Bank aus) angeblich eine wichtige Rolle für die Finanzierung des engeren Putin-Zirkels spielt. Es gibt Spekulationen darüber, der Präsident selbst sei an der Bank beteiligt.

Das Institut sei wiederum ein Hauptaktionär der National Media Group, „die die russische Politik zur Destabilisierung der Ukraine unterstützt“, hieß es aus London als Begründung für die Sanktionen, die neben dem Einfrieren des Vermögens auch Einreiseverbote nach Großbritannien beinhaltet. Allerdings seien die Betroffenen auf der Insel nur wenig aktiv, sodass die Sanktionen kaum Wirkung zeigen dürfen, sagen Kritiker der Maßnahme. Um welches Vermögen es bei den Sanktionen geht, blieb zunächst unklar.

Sie treffen, in welchem Ausmaß auch immer, neben Timtschenko auch Boris Rotenberg und seinen Neffen Igor. Boris Rotenberg ist Hauptaktionär der SMP Bank und Mitglied des Verwaltungsrates der Bank, Igor Rotenberg Chef des Verwaltungsrats von National Telematic Systems, einem Anbieter von Verkehrstelematiklösungen, der unter anderem in Russland, Asien und Lateinamerika tätig ist. Bank und Telematic-Firma gelten aus Johnsons Sicht als Unternehmen von strategischer Bedeutung für die russische Politik. Dazu kommen die Rossjia Bank und vier weitere russische Geldhäuser, gegen die in Großbritannien Sanktionen verhängt worden sind.

Der britischen Hauptstadt kommt eine besondere Rolle zu, wenn es um die russischen Oligarchen geht – jene Neureichen, die nach dem Zerfall der Sowjetunion vor rund drei Jahrzehnten rasch im Geschäftsleben aufstiegen und in mehr als einem Fall verdächtig erschienen, sich für ihre Karriere Teile des Staatseigentums unter den Nagel gerissen zu haben. Für so manchen von ihnen ist London beinahe zur zweiten Heimat geworden, in die sie gern reisen – nicht nur Abramowitsch, der Mann mit dem Fußball-Faible und den drei Pässen (russisch, israelisch, portugiesisch), sondern beispielsweise auch Alexei Mordaschow, Haupteigentümer und Chef des Stahlkonzerns Severstal, zu dessen Kunden BMW, Mercedes und Ford gehören und dessen Familie knapp ein Drittel der Anteile am deutschen Tui-Konzern hält. Oder Michail Fridman, heute einflussreicher Banker, vor seinem steilen Aufstieg unter anderem Fensterputzer, Diskothekenbetreiber und Eintrittskartenverkäufer. Auch sie könnte Europa auf dem Radar haben, wenn es um Sanktionen gegen Vertraute von Wladimir Putin geht.

Was Boris Johnson angeht: Die Opposition steht ihm schon länger auf den Füßen und wirft der Regierung vor, zu lax im Umgang mit Russlands Reichen zu sein. Angeblich gibt es in London Immobilien im Wert von umgerechnet knapp 1,8 Milliarden Euro, die mit Geld aus verdächtigen Quellen bezahlt worden sein sollen. Und dann wären da noch die Spenden, die von russischen Geschäftsleuten an die Tories geflossen sein sollen. Da könnte die kleine Offensive gegen das Oligarchen-Trio ein Schritt sein, innenpolitisch Punkte zu sammeln.

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