„Anne Will“ zur Europawahl „Wir erleben hier gerade, warum Ihr Wahlkampf nicht funktioniert hat“

Welche Antworten haben Deutschlands Spitzenpolitiker auf die Ergebnisse der Europawahl? Beim TV-Talk „Anne Will“ diskutierten die Gäste den historischen Wahlabend - und zeigten am Ende doch nur altbekannte Verhaltensmuster.

Wer sich vergewissern wollte, ob er die richtige Wahl getroffen hat, der war an diesem Abend bei „Anne Will“ richtig. Eigentlich sollten die Gäste am Sonntagabend die Ergebnisse der Europawahl analysieren. Ironischerweise gaben sie aber vor allem durch ihr Verhalten die Erklärung für den Wahlausgang.

Aber der Reihe nach. Der SPD-Altvordere Sigmar Gabriel kam gleich zu Beginn auf die Spitzenpersonalie Andrea Nahles zu sprechen. Wie gewohnt teilte der frühere SPD-Chef gegen Journalisten aus (“ein Putsch, der in der Zeitung steht, findet in der Regel nicht statt“), lobte sich nebenbei selbst (“bin über meine Leistungen als SPD-Vorsitzender nicht entsetzt“) und forderte zugleich, es müsse nun jemand bei der SPD die Verantwortung für das Wahldebakel übernehmen.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hingegen meinte, als erstes darauf hinweisen zu müssen, dass das Klimathema seit 20 Jahren bekannt sei und den Grünen vor zwei Jahren in NRW nur wenig mehr als sechs Prozent der Stimmen gebracht hatte. „Wir in Deutschland tragen nur zwei Prozent zum weltweiten Kohlendioxid-Ausstoß bei“, bekräftigte Laschet altbekannte Argumente. Und betonte dann, dass es neben dem Klimawandel schließlich ja auch noch andere Themen gebe.

Und dann kam die Grünen-Bundesvorsitzende Annalena Baerbock. „Warum redet diese Runde wieder darüber, wer wegtreten muss, statt über Inhalte?“, fragte sie und stellte nebenbei klar, dass mitnichten nur die jungen Leute Grün wählten. Sondern gerade auch die 60- bis 69-Jährigen. Lang anhaltender Applaus des Publikums und wenig später die treffende Bemerkung der Spiegel-Journalistin Melanie Amann an die Adresse Gabriels und Laschets: „Wir erleben hier gerade, warum Ihr Wahlkampf nicht funktioniert hat“.

Die beiden versuchten, gegenzuhalten: Es sei eben zurzeit die Stunde der Polarisierer, der eindeutigen Antworten. Gabriel führte aus, die SPD sei, um mit Willy Brandt zu sprechen, die Partei des „Sowohl als auch“, also sowohl Umweltschutz als auch Arbeitsplätze. Laschet dozierte, es müsse möglich sein, auch differenziert Wahlkämpfe zu führen. Die Grünen seien eben nicht in der Regierungsverantwortung, da falle es leichter, einseitige Botschaften zu platzieren. Doch Baerbock witterte den Versuch, die Grünen ins linkspopulistische Lager zu rücken und fuhr Laschet in die Parade: Auch bei den Kommunalwahlen in jenen Städten und Gemeinden, in denen die Grünen mitregierten, habe die Partei hervorragend abgeschnitten.

So ging es noch ein wenig hin und her, die Themen Österreich, Rechtspopulisten und Wahlmodus für den nächsten EU-Kommissionspräsidenten wurden gestreift. Gabriel betonte noch ein paar mal, dass die SPD unter ihm als Vorsitzendem noch besser abgeschnitten hatte.

Am Ende der Sendung ging es wieder um eine SPD-Personalie: Er, Gabriel, werde 2021 nicht noch einmal für den Bundestag kandidieren. Und manch einem Zuschauer wird auch hier erneut klar geworden sein, warum er dieses Mal nicht die SPD gewählt hat.

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