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Fleisch-Talk bei „Hart aber fair“ Plasberg rückt Schlachthofbesitzer aus Geldern auf die Pelle

Düsseldorf · Corona-Infektionen unter Leiharbeitern haben den Blick auf eine ganze Reihe von Missständen in der Fleischindustrie gerichtet. Bei diesem Thema wird der Moderator einfühlsam - mit fiesem Effekt.

 Heiner Manten (l.) und Moderator Frank Plasberg (M.) bei "Hart aber Fair" am 08.06.2020.

Heiner Manten (l.) und Moderator Frank Plasberg (M.) bei "Hart aber Fair" am 08.06.2020.

Foto: WDR

Hunderte Arbeiter haben sich in deutschen Schlachthöfen mit dem Coronavirus infiziert. Am Montagabend geht es bei „Hart aber fair“ um die Frage, ob dadurch nun aufgeflogen ist, was schon lange im Argen lag.

Die Gäste:

  • Heiner Manten, Vorsitzender des Verbands der Fleischwirtschaft
  • Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales
  • Manfred Götzke, Reporter
  • Anette Dowideit, Investigativreporterin
  • Max Straubinger (CSU), Mitglied im Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
  • Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne), Parteivorsitzender

Darum ging’s:

Die Corona-Infizierten sind nicht der erste Skandal, den die deutsche Fleischindustrie erlebt, aber sie richten einen Scheinwerfer auf das, was dort im Argen liegt. Das betont Moderator Frank Plasberg schon in der Einführung, und da ist klar: Ein Vertreter eben jener Branche muss sich warm anziehen – und perfekt auf die Diskussion vorbereiten. Aber so etwas kann auch nach hinten losgehen, wie sich in der Talkrunde zeigt.

Der Talkverlauf:

Angriff ist die beste Verteidigung: Bärbeißig startet Heiner Manten seinen ersten Redebeitrag in der Kostenpflichtiger Inhalt Talkshow. Der Vorsitzende des Verbandes der Fleischwirtschaft und Besitzer eines Schlachthofs in Geldern bedankt sich, endlich ein Gespräch mit „Herrn Heil“ führen zu können. Doch das bringt ihm nur einen Rüffel von Moderator Frank Plasberg ein, der auf die anderen Gäste verweist und auf seine Frage beharrt: Wie überrascht Manten über die Zahlen der Infizierten gewesen sei. Statt einer Antwort verweist jener darauf, dass es auch in anderen Ländern Corona-Infizierte in Fleischfabriken gebe, dass Werkverträge nicht das Problem seien und Betriebe auch nicht, und schließlich schiebt er noch Zweifel an den Fakten in die Runde: „Dass da drei, vier Arbeiter zusammen in einem Zimmer wohnen, kann ich mir nicht vorstellen, kenne ich so nicht.“

Das zumindest passt in die Argumentation des Landwirts und CSU-Politikers Max Straubinger: In den Schlachthöfen liefe nicht grundsätzlich etwas schief, sondern es seien „vielleicht zehn Betriebe“, in denen es zu Corona-Infektionen gekommen sei. Straubinger vermutet die Ursache zudem in „privaten Unterkünften“.

Als Ergänzung zur Talkrunde interviewt Plasberg den Reporter Manfred Götzke, der ohne Sprachbarriere mit rumänischen Arbeitern gesprochen hatte. Jener fasst seinen handfesten Bericht zusammen mit den Worten: „Fakt ist: Sie bekommen keinen Mindestlohn.“ Erst durch die Corona-Infektionen habe sich das in Rumänien herumgesprochen. Bis dahin habe es einen guten Grund gegeben, warum die Arbeiter dennoch kamen: „Die Leute können es sich nicht vorstellen, dass sie in Deutschland ausgebeutet werden.“

Nun soll Manten Stellung beziehen, aber der verlegt sich auf eine Batterie an Rückfragen an Götzke. Ob jener eine Lohnabrechnung gesehen habe, ob das 1200 Euro brutto oder netto gewesen seien und so fort. Und dann passiert’s: Plasberg wechselt auf die Metaebene. Mit verständnisvoller Geste beteuert er, die Talkrunde solle „kein Tribunal werden“, und er suggeriert, dass möglicherweise Talkshow-Coaches oder Kollegen auf Manten eingewirkt hätten. Nun rät Plasberg ihm, all das zu vergessen. „Reden Sie für sich, als ehrlicher deutscher Unternehmer.“ Und ausgerechnet in einer Sendung, die sich mit höchstwahrscheinlich durch fehlenden Abstand entstandenen Corona-Infektionen auseinandersetzt, rückt Plasberg Manten dabei ganz dicht auf die Pelle. Dafür entschuldigt Plasberg sich später.

Manten fällt dazu ein, dass er zumindest ja „vor einigen Wochen“ getestet worden sei – so wie alle Fleischbetriebe. Und mit noch einem kleinen Schubs von Plasberg und Götzkes Einwurf, die 1200 Euro seien übrigens brutto gewesen, macht Manten ein Statement: „Das ist ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz, das lehne ich ganz klar ab.“

Aber der Schaden ist da, Manten steht als der Bemitleidenswerte in der Runde da. Gegen Ende eröffnet sich überraschend eine Chance, das zu ändern: Dowideit baut Manten mit einer Frage eine goldene Brücke. Sie will wissen, wie er es denn schaffe, dem Personal in seinem Fleischbetrieb im Durchschnitt 12,50 Euro zu zahlen. In anderen Firmen sei dieser Wert schließlich deutlich geringer – und das war einer der Punkte, dessen Lösungsmöglichkeiten die Runde diskutierte. Doch Manten lässt die Chance verstreichen.

Immerhin verspricht ihm Hubertus Heil einen Besuch. Der Minister für Arbeit und Soziales tritt vehement für Verantwortung in der sozialen Marktwirtschaft ein. Er will gesetzliche Regelungen für den Arbeits- und Gesundheitsschutz, aber auch für „anständige“ Löhne und Arbeitsbedingungen. „Wann, wenn nicht jetzt, sollte man grundsätzliche Konsequenzen ziehen?“, fragt Heil. Die Wurzel des Übels liegt in seinen Augen in verschachtelten Werksvertragskonstruktionen mit diversen Subunternehmern.

An Manten gewandt erinnert er daran, dass frühere Runden auch seiner Vorgänger immer dieselben Ergebnisse gehabt hätten: Selbstverpflichtungen und runde Tische, und dann seien nur die Regeln umgegangen oder bei ihrer Entstehung durch Interessenvertreter verwässert worden. „Ich will mit Ihnen darüber sprechen“, sagt Heil. „Aber nicht über das ‚ob‘ – wir werden das machen – sondern über das ‚wie‘“.

Auf Heils Argumentation sagt Manten: „Anständig, korrekt und fair, das ist genau meins.“ Fast schon sieht es so aus, als hätte er zu einem positiven Ende gefunden. Doch leider belässt Manten es nicht dabei. „Ich glaube aber nicht so ganz diese Geschichten“, sagt er.

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