Priester aus Indien Seelsorger machen Praktikum in Xanten

Xanten · Zwei Priester aus Indien leben für mehrere Monate in Marienbaum und lernen den Alltag in einer niederrheinischen Pfarrei kennen. Schon jetzt steht für sie fest: Sie wollen in Deutschland bleiben.

 Die beiden Praktikanten und ihre Mentoren (v.l.): Matthias Heinrich,  
 Deepak Dhurwey, Seemon Fredy und Christiane Flüchter. 
  RP-Foto: arfi

Die beiden Praktikanten und ihre Mentoren (v.l.): Matthias Heinrich, Deepak Dhurwey, Seemon Fredy und Christiane Flüchter. RP-Foto: arfi

Foto: Armin Fischer (arfi)

„Dora, Emil, Emil, Paula, Anton, Kaufmann“: Seinen Vornamen flüssig zu buchstabieren, war wohl eine der ersten Lektionen, die Deepak Dhurwey lernte, als er vor neun Jahren nach Deutschland kam, um bis 2020 in München Theologie zu studieren. Und obwohl der 38-Jährige in seiner Heimatstadt Jabalpur im Norden Indiens eine Sprachschule besucht und Deutsch gelernt hatte, bevor er sich ins Flugzeug setzte, war die Landung in Bayern für ihn hart: Er habe rein gar nichts mehr verstanden, erzählt der Priester, der dem Orden der Prämonstratenser angehört und seit Jahresanfang ein Praktikum in der Propsteigemeinde St. Viktor Xanten macht. 6750 Kilometer von der Heimat entfernt.

Neben ihm auf dem Sofa im Wohnzimmer des Pfarrhauses direkt neben der Kirche in Marienbaum sitzt sein Ordensbruder und Landsmann Seemon Fredy (40). Die beiden sind im August nach Deutschland gekommen, haben einen Monat in der Abtei der Prämonstratenser in Hamborn gelebt, von September bis Dezember ein Priesterseminar in Münster besucht. „Willkommenskurs für Priester der Weltkirche“ wird das Seminar genannt, an dem mit ihnen neun weitere Priester teilnahmen, zwei aus Nigeria, einer aus Rumänien. Einführungen in die Geschichte, Kultur, Sprache, Politik, das Grundgesetz des Gastlandes gehörten zum Willkommenskurs. Anfang Januar sind sie zusammen nach Marienbaum gekommen.

Für Seemon Fredy ist es das erste Mal, dass er in Deutschland ist. Er ist mit drei Brüdern in Kerala in Südindien groß geworden, gehört wie Deepak Dhurwey der christlichen Minderheit in dem Land an, in dem 1,3 Milliarden Menschen in 28 Bundesländern leben. Die beiden unterhalten sich meistens in Deutsch, denn obwohl sie beide aus Indien kommen, sprechen sie die Sprache des anderen nicht. „Jedes Bundesland hat seine eigene Sprache“, erklärt Deepak Dhurwey. Die beiden haben sich über den Orden kennengelernt, haben beide eine priesterliche Ausbildung gemacht und sind in Indien zu Priestern geweiht worden. Vier Monate wird jetzt ihr Praktikum in der Propsteigemeinde dauern, während dieser Zeit stehen ihnen die Laientheologen Christiane Flüchter (42) und Matthias Heinrich (51) als Mentoren zur Seite. Die beiden Priester aus Indien werden bei Krankenbesuchen, Dienstbesprechungen in der Propsteigemeinde und Treffen mit evangelischen Kirchengemeinden dabei sein, bei der Vorbereitung von Gottesdiensten helfen, Messen lesen, den Alltag in niederrheinischen Pfarreien kennenlernen. Und sie müssen noch einmal den Führerschein machen, mit ihrem indischen Dokument dürfen sie in Deutschland nicht Auto fahren.

Die Kultur, Sprache, Politik, Denkweise: Alles sei anders hier, sagt Dhurwey. Als er 2013 zum Studieren nach München gekommen sei, wurde er auf dem Flughafen in Freising mit einem „Grüß Gott“ begrüßt – „ich wusste gar nicht, was das bedeutet“. Er habe sich mit dem bayerischen Dialekt schwer getan, gibt der 38-Jährige zu, der in Jabalpur mit zwei Schwestern und einem Bruder groß geworden ist und via Skype und Handy mit den Eltern und Geschwistern den Kontakt hält. Für ihn habe sehr früh fest gestanden, dass er Priester werden will. Dafür musste er eine katholische Schule besuchen, kam mit sechs Jahren von der Familie weg, war bis zur zehnten Klasse im Internat. Mit 15 habe er dann sein Zuhause verlassen, um Prämonstratenser in Nordindien zu werden. Nach dem Theologie-Studium in München ist Deepak Dhurway 2020 wieder zurück nach Indien gegangen, hat als Kaplan in der Abtei Jamtora im Bistum Jabalpur gearbeitet, bevor er sich im August 2021 wieder auf den Weg nach Deutschland gemacht hat.

Xanten sei klein, fast schon dörflich, aber schön, historisch geprägt. Priester Fredy hat die Erfahrung gemacht, „dass die Deutschen sehr direkt sind“. In Indien sei man zurückhaltender, überlege, was man sagen dürfe und was nicht, weil es das Gegenüber vielleicht verletzten könnte. Er führt seit seiner Ankunft Tagebuch, schreibt auf, was er gesehen und erlebt, „was ich als gut oder schlecht empfunden habe, was ich nicht verstehe“. Auch für die beiden Mentoren ist es „unfassbar spannend, von den Priestern aus Indien zu lernen“, so Matthias Heinrich, der wie Christiane Flüchter Theologie studiert hat, aber anschließend nicht zum Priester geweiht wurde. „Das Einzige, was uns von Priestern unterscheidet: Wir dürfen heiraten“, sagt der Vater von drei Kindern, zeigt seinen Ehering und lacht.

Das hierarchische Kastensystem und die große Armut sei ein großes Problem in Indien, wo Christen nur knapp drei Prozent der Bevölkerung ausmachen, stimmen die beiden Priester überein. Sie sprechen von Indien als „Mutterland“, Ältere liebten die Jüngeren, und diese achteten die Älteren. „Mein jüngerer Bruder würde nie zu mir sagen, dass er mich liebt, sondern dass er mich respektiert“. Seemon Fredy und Deepak Dhurwey sind mit dem Herzen Seelsorger. Sie freuen sich auf die Begegnungen mit den Menschen am Niederrhein. Dass sie in Deutschland bleiben, daran gebe es keinen Zweifel. Dompropst Notz vermutet, dass einer von ihnen nach Ablauf des Praktikums Mitte des Jahres in einer Propsteipfarrei und der andere in einer Pfarrei in der Region eingesetzt wird. Aber die Entscheidung trifft schlussendlich das Bistum.

(jas)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort