Himmel Und Erde Alles Fußball - oder was?

Wesel · Was hat die Kirche mit der Weltmeisterschaft zu tun? Bei aller Euphorie: Man sollte den faden Beigeschmack nicht ignorieren. Es gibt ungute Entwicklungen auf der Welt, die den Sport vergiften.

Fußball ist und bleibt für viele Menschen die schönste Nebensache der Welt. Neben der Bundesliga lassen die großen internationalen Fußballturniere die Herzen aller Fußballfans höher schlagen. Seit einer Woche rollt nun auch der WM-Ball wieder durch milliardenteure Stadien und über hunderte Millionen Bildschirme in aller Welt. Auch die Kirchen können sich der Fußballweltmeisterschaft in Russland nicht entziehen. Von einigen Würdenträgern ist bekannt, dass sie Fußballfans sind. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki zum Beispiel hält es - leid- und abstiegsgeprüft - mit dem 1. FC Köln. Der Präses der rheinischen Landeskirche Manfred Rekowski ist bekennender Fan von Borussia Dortmund. Und Papst Franziskus verfolgt den Club Atletico San Lorenzo aus seiner früheren Bischofsstadt Buenos Aires. Die WM-Begeisterung macht auch vor Kirchengemeinden und Gotteshäusern nicht halt. Deutschlandweit haben fast 600 Kirchengemeinden eine Gema-Lizenz zur Übertragung von Spielen der Fußball-Weltmeisterschaft beantragt und ermöglichen so Public Viewing in Kirchen und Gemeindehäusern für ihre Gläubigen. Bei aller WM-Euphorie lassen sich aber die zunehmenden Schattenseiten dieses Großereignisses nicht übersehen. Der Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, der hessische Kirchenpräsident Volker Jung, sagte, der Fußball-Weltverband FIFA werde der Verantwortung bei der Auswahl der Gastgeberländer "schon seit Jahren nicht mehr gerecht". Bei der WM in Russland drohe die Gefahr, dass "Sportler instrumentalisiert und zur nationalen Inszenierung genutzt werden". Und auch der Berliner Erzbischof Heiner Koch kritisiert die gnadenlose Kommerzialisierung der Fußballweltmeisterschaft durch die FIFA, ohne auf die Menschenrechte in den austragenden Ländern zu achten. Mit Blick auf die Vergaben der Fußball-WM in Länder mit autoritären Regierungen wie Russland 2018 und Katar 2022 sprach er von "unentschuldbaren Fehlentscheidungen". Bei der Auswahl der Gastgeber-Nationen müssten "deutlich strengere Maßstäbe gerade im Hinblick auf die Menschenrechtslage angelegt werden", so Koch. Wladimir Putin führt Krieg - in Syrien und der Ukraine genauso wie im eigenen Land gegen seine Gegner. Es ist allzu offensichtlich, dass er die Spiele nutzt, um internationale Reputation zu ergaunern.

Die meisten spielen mit. Der Fußball-Weltverband FIFA zeigt dabei einen beschämenden Kniefall vor der teuersten Weltmeisterschaft aller Zeiten. Bei aller Freude an den Spielen sollten wir den faden Beigeschmack deshalb nicht ignorieren. Er sollte Ansporn sein, sich gegen die Entwicklungen auf der Welt stark zu machen, die den Sport immer weiter vergiften.

THOMAS BRÖDENFELD, SUPERINTENDENT IN WESEL

(RP)
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