Alpen Die Tischlerin beherrscht die gute Form

Sonsbeck/Xanten/Alpen · Wanda Seegers hat mit Bravour ihre Lehre in André Rennings Schreinerei gemeistert. Auch ihr Gesellenstück überzeugt.

 Wanda Seegers hat André Rennings mit ihren Fertigkeiten und Fähigkeiten so beeindruckt, dass sie nach ihrer Lehre übernommen wurde. Schon vorher hatte sie als erste Frau im Team die Xantener Schreinerei nachhaltig bereichert.

Wanda Seegers hat André Rennings mit ihren Fertigkeiten und Fähigkeiten so beeindruckt, dass sie nach ihrer Lehre übernommen wurde. Schon vorher hatte sie als erste Frau im Team die Xantener Schreinerei nachhaltig bereichert.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Die Urkunde für Wanda Seegers (23) fügt sich nahtlos ein in die kleine Galerie an der Wand im Büro der Xantener Tischlerei mit dem schönen Namen „Holz Art“. Der ist Programm. Die Auszeichnung im Wettbewerb „Die Gute Form“ ist bereits die vierte, die Auszubildende des Betriebes für ihr Gesellenstück bekommen haben. Das erfüllt Meister André Rennings (39) mit Stolz. Die Urkunden belegen, dass seine Leute am Ende der Lehre  nicht nur das Handwerk beherrschen, sondern auch ein Händchen haben für funktionale Schönheit, die auch Designern gefällt.

Wanda Seegers, die erste und bislang einzige Frau in der Werkstatt am Maulbeerkamp, hat einen Tisch gebaut, der mit schlichter Eleganz und nicht auf den ersten Blick erkennbaren Details überzeugt – und der sowohl als Schreib- wie auch als Schminktisch gute Dienste tun könnte. Noch hat die Erschafferin kein Plätzchen für ihr Werk auserkoren. „Aber das wird sich schon finden“, sagt die junge Frau mit den langen blonden Haaren. Es gab zwar schon interessierte Nachfragen. „Aber der Tisch ist unverkäuflich“, sagt die Jung-Gesellin bestimmt.

Eigentlich hatte sie lange Zeit die Idee im Kopf, einen Weinschrank zu bauen, um damit in den Wettstreit um die beste Form zu gehen. „Doch das hatte sich schnell erledigt“, sagte sie. Nach Gesprächen mit Meister André Rennings brachte sie erste Skizzen aufs Papier. Der Stoff, aus dem die „schöne Idee“ Gestalt annahm: Zebrano, ein dunkles Holz mit auffälliger Maserung, das aber nur an den Seiten der Tischplatte sichtbar wird, die ansonsten mit silbergrauem HPL (High Pressure Laminate) beschichtet ist – eine samtige Oberfläche. Meister Rennings ist beeindruckt von der „besonderen Haptik“. Der Clou des minimalistischen Möbelstücks, das in mehr als 100 Stunden entstanden ist, sind die seitlichen versteckten Schubkästen, die für den „Aha-Effekt“ sorgen.

Wanda Seegers, die in Menzelen-Ost aufgewachsen ist, hat ihrem Vater immer gern zugeschaut, wenn der was im Hause gewerkelt hat. Und als Hauptschülerin in Alpen mit einem ausgeprägten Faible für Technik hat sie damals in der Werkstatt des Schul-Partners Lemken kleine Roboter zum Leben erweckt. Dennoch kam sie nach dem Fachabitur am Hermann-Gmeiner-Berufskolleg in Moers erst über Umwege zum Tischlerhandwerk nach Xanten.

Versuche als Tourismuskauffrau in Freiburg und als Denkmalschützerin in Kevelaer erwiesen sich für sie als untauglich. „Ich merke eigentlich sehr schnell, ob mir etwas liegt oder halt nicht“, sagt sie. Als sie über einen Mitarbeiter zur Lehre bei „Holz Art“ kam, war ihr daher nach kurzer Zeit klar: „Das passt“.

Dass sie dabei in eine bis dahin reine Männerwelt einbrach, störte sie und ihre Kollegen nicht. Dabei sei’s anfangs schon manchmal nicht – im Wortsinne – ganz leicht gewesen. „Wir schrauben schließlich keine Streichhölzer zusammen“, sagt André Rennings, der schon mit 23 Jahren seinen Meister gemacht hat und seit zehn Jahren mit seinem Betrieb und drei Gesellen am Maulbeerkamp zu Hause ist. Es müssen schon massive Dinge – manchmal in engen Treppenhäusern – mit Muskelkraft bewegt werden. Die ehemalige Fußballerin hat im Fitnessstudio daher nicht nur zum Spaß „eine Schüppe drauf gelegt“, wie ihr der Meister bescheinigt. Überhaupt findet André Rennings nur lobende Worte für die junge Frau mit den zwei Ringen im linken Nasenflügel und dem unter dem Firmen-T-Shirt erkennbaren Tattoo auf dem linken Oberarm.

„Aufgeschlossen“, „lernwillig“, „ruhig“ lauten die Attribute. „Wanda hat fachlich enorm zugelegt“, bescheinigt ihr der Meister. Sie höre gut zu und setze die Dinge dann auch um. Das gefällt ihm. Und Seegers gefällt das, was sie gerade tut. „Der Beruf ist so vielfältig“, sagt sie. Das Schönste sei, wenn sie das, was in der Werkstatt entstanden sei, am Ende eingebaut sieht in der Wohnung, wo das gute Stück das Gesamtbild stimmig vollendet.

Momentan baut Holzart die Einrichtung einer Kneipe in den Niederlanden. „Eine sehr reizvolle Aufgabe“, sind sich die Jung-Gesellin und ihr Meister absolut einig. Seine Schülerin hat ihn so überzeugt, dass er sie nach bestandener Prüfung  weiter beschäftigt. Ein Grund, sich auf den Lorbeeren ausruhen, gebe es allerdings nicht: „Jetzt geht’s erst richtig los.“

Diese Lektion hat Wanda Seegers längst kapiert. Sie weiß, was sie will. An Meisterschule denkt sie nicht. Vielleicht, so sagt sie, ziehe sie es in absehbarer Zeit einmal ins Ausland: „Um auch mal zu sehen, wie anderswo gearbeitet wird.“ Aber so weit ist es noch nicht.

Was sie nicht will, das weiß sie ebenfalls ganz genau: Die Walz kommt nicht infrage. „Drei Jahre von zu Hause weg sein, das möchte ich nicht.“

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