Pferdesport Pferdesport läuft nur auf Sparflamme

Rhein-Kreis · Abgesagte Turniere, eingestellter Schulbetrieb – die Reitställe im Rhein-Kreis und ihre Betreiber machen schwere Zeiten durch. „Wir haben im Moment praktisch keine Einnahmen,“ sagt Frederic Tillmann, auf dessen Gut Neuhaus rund 100 Pferde stehen. Die aber brauchen weiter Futter – und müssen regelmäßig bewegt werden.

 Die Pferde auf Gut Neuhaus dürfen wie hier von Frederic Tillmann bewegt werden, ansonsten herrscht Ruhe in den Ställen und im Gestüt in Grevenbroich-Neukirchen.

Die Pferde auf Gut Neuhaus dürfen wie hier von Frederic Tillmann bewegt werden, ansonsten herrscht Ruhe in den Ställen und im Gestüt in Grevenbroich-Neukirchen.

Foto: Dieter Staniek

Mitten in der Krise hat Dennis Tolles seinen Betrieb erweitert. Ende März nahm er auf Gut Altwahlscheid eine neue Führanlage für die 61 Pferde in Betrieb, die zur Zeit auf dem historischen Vierseitenhof vor den Toren von Uedesheim zu Hause sind. Mit einer Grundfläche von 15 mal 30 Metern ist die Anlage, in der elf Pferde gleichzeitig an Gleitschienen bewegt werden können, die größte ihrer Art in Nordrhein-Westfalen.

Tolles spricht von einem „günstigen Zeitpunkt“, auch wenn die geplante Eröffnungsparty aufgrund der Kontaktsperre abgesagt werden musste. Denn „ohne die neue Anlage wäre es im Augenblick wesentlich schwieriger, die Pferde zu bewegen.“ Das aber müssen sie laut Tierschutzverordnung auch in Corona-Zeiten, am besten täglich. Tolles hat auf seinem Hof eine Art Schichtbetrieb eingeführt, jedes Pferd darf für zwei Stunden aus dem Stall. Zehn Personen gleichzeitig dürfen sich auf der Anlage aufhalten, , vier sind jeweils in den Reitställen unterwegs, vier auf dem Außenplatz, zwei führen Aufsicht. „Alle müssen sich in Listen eintragen,“ sagt Dennis Tolles. Und natürlich Abstand voneinander halten.

 Die neue Führanlage auf Gut Altwahlscheid ist die größte ihrer Art ind Nordrhein-Westfalen.

Die neue Führanlage auf Gut Altwahlscheid ist die größte ihrer Art ind Nordrhein-Westfalen.

Foto: Kerstin Terhardt

„Wir erfüllen damit die Vorgaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung,“ sagt der 37-Jährige, der seit 2015 zusammen mit Ehefrau Sarah die Reitanlage auf dem denkmalgeschützten Hof betreibt. Obwohl er selbst als Springreiter erfolgreich unterwegs ist – 2014 erhielt er das Goldene Reiterabzeichen, 2008, 2010 und 2016 sicherte er sich den Titel beim Kreisturnier – hat der Förderkreis Dressur im Kreispferdesportverband Neuss auf Altwahlscheid seine sportliche Heimat gefunden.

 Seit fünf Jahren betreiben Dennis und Sarah Tolles die Reitanlage auf Gut Altwahlscheid vor den Toren von Uedesheim.

Seit fünf Jahren betreiben Dennis und Sarah Tolles die Reitanlage auf Gut Altwahlscheid vor den Toren von Uedesheim.

Foto: Dennis Tolles/Tolles

Mit dem zusammen wollte er dort am 16. Mai ein Turnier ausrichten. Das steht auch weiterhin im Veranstaltungskalender des Pferdesportverbandes Rheinland, in dem der größte Teil der bis Ende kommenden Monats geplanten Turniere mit dem Eintrag „abgesagt“ versehen ist.

So auch das am Wochenende (17. bis 19. April) geplante Turnier des Reitervereins Jüchen-Waat und das für eine Woche später (24. bis 26. April) vorgesehene Turnier auf Gut Böckemeshof in Kaarst. Ebenfalls noch nicht abgesagt ist das Turnier auf dem Holzbüttgener Dückershof (5. bis 7. Juni). „Wir warten die weitere Entwicklung ab,“ sagt Dennis Tolles, hat aber auch schon einen Ausweichtermin im August ins Auge gefasst.

Gerade noch rechtzeitig vor Beginn der Kontaktsperre haben die „Tillmänner“ die Gut Neuhaus Indoors ohne Einschränkungen über die Bühne gebracht. Seither „ist es bei uns sehr ruhig“, sagt Frederic Tillmann, gemeinsam mit Vater Friedhelm und Bruder Gilbert, dem Sieger des Deutschen Springderbys von 2013, Hausherr auf dem Gestüt in Grevenbroich-Neukirchen.

Wie überall, ruht auch hier der Schulbetrieb. Wie überall, müssen die Pferde trotzdem versorgt und bewegt werden. „Unsere Einstaller dürfen sich jeden Tag eine Stunde um ihre Pferde kümmern,“ sagt Tillmann – natürlich nicht alle gleichzeitig und nur unter Beachtung der vorgeschriebenen Abstands- und Hygieneregeln.

„Reitspaß“ kommt da keiner auf, auch an ein Leistungstraining ist nicht zu denken. „Ziel ist nicht die Ausübung des Sports oder die Freizeitgestaltung,“ hat das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen in einem Mitte März herausgegebenen „Leitfaden für alle pferdehaltenden Betriebe mit Publikumsverkehr“ ausdrücklich betont. Das wurde zwei Wochen später modifiziert, seither dürfen „Berufsreiter unter bestimmten Voraussetzungen Teilbereiche ihres Berufs, den Beritt und das Training von Pferden, ausüben,“ schreibt die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN).

So sieht es auch auf Gut Neuhaus aus. „Unsere Angestellten dürfen die Pferde bewegen und reiten,“ sagt Frederic Tillmann. Das gilt im Wesentlichen für die Turnierpferde, „die Schulpferde verbringen den größten Teil der Zeit auf der Wiese.“ Gut 100 Vierbeiner stehen zur Zeit auf Gut Neuhaus, und an der Zahl dürfte sich in absehbarer Zeit wenig ändern. „Der Pferdeverkauf ruht ebenfalls zum größten Teil, die Leute können ja nicht anreisen,“ sagt Frederic Tillmann – Zucht und Verkauf machen neben Reitunterricht und Einstallungen das dritte Standbein des Familienunternehmens aus.

Das vierte ist gleichermaßen beeinträchtigt: Die Vermietung von Pferden für Karnevals- und Schützenumzüge ist eine Art Familientradition, selbst der legendäre Hello Max, auf dem Gilbert Tillmann 2013 das (in diesem Jahr auf unbestimmte Zeit verschobene) Deutsche Springderby gewann, hat so seine Karriere begonnen. In Summe heißt das: „Wir haben im Moment praktisch keine Einnahmen,“ sagt Frederic Tillmann. Wie lange das Unternehmen eine solche Durststrecke aushalten kann, weiß er nicht, doch „die Auswirkungen werden wir mehr als nur ein Jahr lang spüren.“

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