Beobachtung am Rande des Länderspiels Am Rande notiert

Wer erst gut eine Stunde vor Anpfiff des Länderspiels im neuen TSV Bayer-Sportcenter ankam, der hatte schlechte Karten: Erstmal galt es, noch einen der wenigen verbliebenen Parkplätze zu ergattern. Wer das geschafft hatte, der musste sich wieder in Geduld üben - in einer der langen Warteschlangen vor dem Eingang. Was die gut 2.400 Besucher anlockte, war zum einen mit Sicherheit das Länderspiel zwischen Deutschland und der Schweiz.

Zum anderen wird der ein oder andere die Gelegenheit genutzt haben, sich dieses "Schmuckkästchen" in Dormagen, wie es Hallensprecher Bernd Kaiser formulierte, einmal genau anzusehen. Viele der Fans hatten sich bereits im Eingangsbereich mit kleinen Deutschland-Fahnen ausgerüstet, andere hatten sich direkt die Gesichter in schwarz-rot-gold verziert, um die junge Mannschaft von Trainer Heiner Brand gebührend zu unterstützen. Nachdem die Deutschen bereits in der fünften Spielminute drei Tore erzielt hatten, hatten sie schnell für die nötige Stimmung in der fast ausverkauften Halle gesorgt.

Dementsprechend waren schon in der Halbzeitpause überwiegend zufriedene Gesichter zu sehen. "Es ist einfach eine schöne Halle, sie ist angenehm hell und hat Atmosphäre", meinte Carsten Gies aus Köln. Sein Begleiter Ingo Buckert unterstrich diese Meinung: "Und das, obwohl ich mir sonst eher Basketball als Handball anschaue. Aber wenn schon ein Länderspiel in der Nähe ist, dann kann man das gut damit verbinden, einmal in die neue Halle zu kommen", fügte er hinzu.

Dem Dormagener Jürgen Bogs gefiel die Halle ebenfalls, allerdings hätte er sich etwas mehr Stimmung gewünscht: "Wir haben in Dormagen nicht das richtige Sport-Publikum. Die Leute brauchen leider etwas länger, um mal richtig mitzugehen und für die nötige Atmosphäre zu sorgen", meint er. Den meisten schien es allerdings zu gefallen, sie spornten die Nationalspieler mit rhythmischem Klatschen und Sprechchören an und quittierten die Tore der Deutschen mit viel anerkennendem Applaus.

Auch Bürgermeister Reinhard Hauschild zog es zum Höhenberg. "Wir haben mit diesem Länderspiel wirklich die Vorzüge des Handballs demonstriert bekommen, indem uns die Spieler viele interessante und spannende Spielzüge präsentiert haben." Nicht nur damit sei aber die Vielzahl der Besucher zu erklären, sondern auch mit der neuen Sportstätte: "Die Halle ist fantastisch und sie wird von den Leuten sehr gut angenommen", ist Hauschild überzeugt. Allerdings, so räumte Hauschild ein, sei dieses Spiel erst der Anfang einer Entwicklung: "Eine Stadt wie Dormagen muss sich auch erstmal an eine neue Halle und den Umgang damit ,gewöhnen". Auch solche Beziehungen müssen wachsen. Aber erstmal muss Akzeptanz da sein. Und Akzeptanz ist zweifellos da, wenn eine so große Halle ausverkauft ist."

Die junge Dame, sie mag so zarte zwölf oder dreizehn Jahre alt gewesen sein, gehörte eindeutig zu den Gewinnern des Nachmittags: "Ich hab' den Frank von Behren nackt gesehen", verkündete sie den umstehenden Autogrammjägern beiderlei Geschlechts, nachdem die sich öffnende Tür zur Umkleidekabine mehrmals Blicke auf die ihrer Trikots entledigten Handball-Nationalspieler erlaubt hatte.

Der junge Mann, vor sieben Wochen genau 19 Jahre alt geworden, gehörte ebenso eindeutig zu den Gewinnern des Nachmittags: "Eigentlich wollte ich nur keine Fehler machen. Dass es dann am Ende vier Tore geworden sind, davon hätte ich noch nicht mal geträumt", bekannte der Magdeburger Bennet Wiegert nach dem Schlusspfiff seines ersten A-Länderspiels in der Mannschaft des Vize-Europameisters.

Es waren zwei von 2.400, denn eigentlich gab es nur Gewinner am Nachmittag im TSV Bayer-Sportcenter. Die deutsche Nationalmannschaft sowieso, die mit temporeichem, engagierten Handball auch gegen einen schwachen Gegner die Herzen der Fans eroberte; vor allem die "jungen Wilden", die Generation der 19- bis 21-Jährigen machte so nachdrücklich auf sich aufmerksam, dass Ulrich Strombach, der Präsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB), schon einen euphorischen Blick nach vorne warf: "Das war unser Team für die Zukunft. Wenn wir den Zuschlag für die WM 2005 bekommen, und davon gehe ich aus, braucht uns angesichts solcher Perspektiven nicht bange sein."

Die Schweizer Nationalmannschaft, denn auch wenn sie chancenlos war, verkaufte sie sich doch besser als beim 16:28-Debakel am Freitagabend in Dessau. "Für uns haben diese Spiele ihren Zweck erfüllt", konstatierte denn auch Nationaltrainer Arno Ehret.

Der TSV Bayer Dormagen, denn er erwies sich als guter Gastgeber. "In der Kürze der Zeit ist hier Hervorragendes geleistet worden", bedankte sich DHB-Sportdirektor Peter Sichelschmidt bei allen vor und "den vielen ungenannten Helfern hinter den Kulissen. Und da der "Zuschauerzuspruch auch sehr gut" war, kann er sich durchaus vorstellen, dass das gestrige nicht das letzte Länderspiel am Höhenberg war.

Und noch einmal der TSV Bayer Dormagen. Denn er hat auf sich aufmerksam gemacht im Konzert des großen Handballs. Und da er seit Freitagabend schon für die Zweite Liga planen darf, wünschen sich viele, dass er auch die Rückkehr ganz nach oben schafft. Von Hotti Bredemeier ("hier möchte ich mal mit Minden um Punkte spielen") über Henning Fritz ("Den Dormagener kann ich nur alles Gute wünschen, dass sie bald wieder Erste Liga spielen") bis zu Arno Ehret: "In diese Halle gehört Bundesliga-Handball. Der Rahmen stimmt, jetzt müssen ihn die Verantwortlichen mit Leben füllen." Bayer-Sportbeauftragter Meinolf Sprink, am Freitag schon Augenzeuge des Dormagener Triumphs in Hagen, war als Ohrenzeuge dabei. Volker Koch/Anja Pick

(NGZ)
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