Krefelder Historie Das himmelblaue Akkordeon - jetzt als CD

Krefeld · Die Erinnerungen des Krefelder Auschwitz-Überlebenden Werner Heymann sind berührend. Jetzt haben bekannte Krefelder die Kapitel seines Lebens eingelesen. Das Hörbuch ist jetzt erschienen.

 Sie stellen die neue CD im Garten der Villa Merländer vor: (v.l.) Gabriele König, Stefan Kronsbein, Burkhard Ostrowski, Michael Rotthoff und Sandra Franz

Sie stellen die neue CD im Garten der Villa Merländer vor: (v.l.) Gabriele König, Stefan Kronsbein, Burkhard Ostrowski, Michael Rotthoff und Sandra Franz

Foto: Petra Diederichs

Werner Heymann war ein glückliches Kind: ein „gesunder und strammer blonder deutscher Junge, der prima essen konnte und stolz die muskulösen Beine den Kunden seines Vaters in der Metzgerei zeigen musste, weil die behaupteten, dass Fleisch essen nicht gesund sei.“ So stellt sich Heymann im ersten Kapitel seiner Lebenserinnerungen vor. Es sind besondere Erinnerungen aus einer besonderen Zeit, die ein besonderes Schicksal erzählen: Werner Heymann war Jude. Er war einer derjenigen, die den Holocaust und Auschwitz überlebt haben. Das Glück und ein himmelblaues Akkordeon haben ihm dabei geholfen.

Heymanns Buch „Mein himmelblaues Akkordeon“ ist seine Lebensgeschichte  und es ist eine Krefelder Geschichte. „Es ist vermutlich das einzige Hörbuch zu einem Kapitel Krefelder Geschichte“, sagt Stefan Kronsbein. Er hat das 160 Seiten starke Buch 2008 herausgegeben. Jetzt ist die Literatur Sprache geworden: Für das Hörbuch „Mein himmelblaues Akkordeon“ haben 21 bekannte Krefelder jeweils ein Kapitel der bewegenden Geschichte eingelesen.

 Werner Heymann und sein Akkordeon sind auf dem Cover Buch und Hörbuch in einen Hauch von Himmelblau getaucht.

Werner Heymann und sein Akkordeon sind auf dem Cover Buch und Hörbuch in einen Hauch von Himmelblau getaucht.

Foto: Repro: RP

Oberbürgermeister Frank Meyer und Eldad Horwitz, der stellvertretende Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Krefeld, die Schauspieler Paula Emmrich und Matthias Oelrich, die Theaterleiter Isolde Wabra (Kresch) und Michael Grosse (Stadttheater) sind dabei und viele mehr. „Wir haben einen Querschnitt durch Altersgruppen, Gesellschaftsschichten und die bürgerlichen Parteien, weil wir damit auch die breite Aufstellung und Akzeptanz unserer Arbeit zeigen wollen“, sagt Sandra Franz, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle. Und weil die Initiatoren hoffen, dass junge Leute über eine bekannte Stimme oder einen guten Leser an die Geschichte herangeführt werden.

„Denn es ist schwere Kost“, sagt Gabriele König. Die Kulturbeauftragte der Stadt hat ein Kapitel eingelesen, das sie sehr bewegt hat. Es ist eine Bahnfahrt 1943 von Krefeld nach Kleve, die Heymanns Leben dramatisch verändert.  Als Jude ist ihm die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verboten. Der 20-Jährige fliegt auf und wird deportiert. „Da überlegt man schon, in welchem Ton man das liest“, sagt König. Für jede Episode die richtige Stimme zu finden und den Vielklang der Deutungen zu hören, machen den Reiz des Hörbuchs aus.

Werner Heymann wurde 1923 geboren und hat behütet in einer Mittelstandsfamilie gelebt. Sein musikalisches Talent zeigte sich, als er eine himmelblaue Ziehharmonika geschenkt bekam und auf der Straße Schlager spielte. Hin und wieder warf einer dem Knirps einen Groschen zu. Später, in Auschwitz,  sicherte ihm sein Talent das Überleben. Als er zur Zwangsarbeit ins Ausbesserungslager Gleiwitz geschafft worden war, hatte er als Musiker, der die Wachmannschaften unterhielt, das Privileg des Küchendienstes. Da konnte er für sich und seine Kameraden Lebensmittel abzweigen. Vor der Befreiung des Lagers gelang ihm die Flucht, den Todesmarsch hat er überlebt, und er ist nach Krefeld zurückgekehrt. 1947 wanderte er nach Chile aus.

Dort hat er sehr viel später, 1985, seine Erinnerungen niedergeschrieben. Die Flucht und später die Reise ins chilenische Exil hat Heymann wie einen Abenteuerroman geschildert. Das Trauma des KZ ist verdrängt. Schon bei der Herausgabe des Buchs haben die Editoren bewusst auf historische Korrekturen verzichtet. Es ist Lebensgeschichte.

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