Nachbarland senkt Steuern Spritpreise fallen in den Niederlanden stark

Kleve · Die niederländische Regierung wird als Reaktion auf die Rekordpreise an den Tankstellen die Abgaben auf Benzin und Diesel senken. Gibt es in Deutschland keinen Tankzuschuss, wäre das fatal für Tankstellenpächter im hiesigen Grenzgebiet.

 An der Shell-Tankstelle Jöken an der Hoffmannallee in Kleve kostete der Diesel zuletzt rund 2,35 Euro.

An der Shell-Tankstelle Jöken an der Hoffmannallee in Kleve kostete der Diesel zuletzt rund 2,35 Euro.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Der Freitag war wie ein Feiertag für niederländische Tankstellenbesitzer im Grenzgebiet. In den vergangenen Jahren standen die Pächter die meiste Zeit alleine in ihren Häuschen und warteten auf Kunden. Wenige Lkw kamen, um Diesel zu tanken, denn der war in Holland nur marginal günstiger als im Nachbarland. Am Wochenende gab dann die niederländische Regierung als Reaktion auf die Rekordpreise bekannt, die Abgaben auf Benzin und Diesel erheblich zu senken. Ein Liter Benzin wird 17,3 Cent günstiger, der Diesel 11,1 Cent. Ab dem 1. April tritt die Regel in Kraft. Zunächst ist sie bis Ende des Jahres befristet. Zusätzlich wird beim Nachbarn die Mehrwertsteuer auf Gas und Strom von jetzt 21 auf neun Prozent gesenkt. Ändert sich an der aktuellen Situation nichts, wird es den Tanktourismus weiterhin geben. Allein in die andere Richtung: Deutsche Autofahrer werden jenseits der Grenze erwartet.

So kostete der Diesel am Dienstag gegen 12 Uhr an der Shell-Tankstelle Hoffmannallee in Kleve 2,34 Euro. 9,6 Kilometer entfernt führt Paul Fransman die Texaco-Tankstelle in Ven-Zelderheide. Zum selben Zeitpunkt zahlt der Kunde dort 2,22 Euro. Zieht man die 11,1 Cent ab, die der niederländische Staat übernimmt, würde aktuell 2,11 Euro auf der Anzeigetafel stehen. Ein Preisunterschied von 0,23 Cent pro Liter. Bei einem Tankvolumen von 50 Litern spart der Fahrer bei einer Füllung 11,50 Euro. Trotz des aktuellen Preisunterschieds wird der Betrieb bei den niederländischen Zapfstellen wohl erst ordentlich Fahrt aufnehmen, wenn die Preise am 1. April nach unten rauschen.

 9,6 Kilometer entfernt führt Paul Fransman die Texaco-Tankstelle in Ven-Zelderheide. Der Dieselpreis: 2,23 Euro.

9,6 Kilometer entfernt führt Paul Fransman die Texaco-Tankstelle in Ven-Zelderheide. Der Dieselpreis: 2,23 Euro.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Dennoch ist Paul Fransman bereits jetzt zufrieden, nachdem jahrelang die Niederländer an seinem Betrieb vorbeifuhren. Für ihn laufen die Geschäfte dieser Tage schon besser. „Letzte Woche haben wir schon deutlich gemerkt, dass mehr deutsche Kunden kommen. Beim Benzin können wir noch nicht mithalten. Der Diesel ist aber bei uns schon günstiger als in Deutschland. Die Leute aus Goch, Kleve oder Kranenburg machen sich auf den Weg zu uns“, sagt Fransman. Der Tankstellenpächter ist schon lange im Geschäft und weiß, was passieren wird: „Wenn die deutsche Politik nichts macht, dann wird bei uns die Hölle los sein.“ In den vergangenen Jahren habe er darunter gelitten, dass seine Landsleute gen Deutschland tanken fuhren. „Viele sind grundsätzlich immer nach Deutschland gefahren. Für uns war das natürlich super schade, das hat dem Geschäft geschadet“, sagt Fransman. Nun aber könnte sich der Trend umkehren. Und den Umgang mit deutschen Kunden beherrscht Paul Fransman, der selbst in Kranenburg lebt, aus dem Effeff. Er sagt: „Für den Kaffee sind die Deutschen in den vergangenen Jahren sowieso schon treu zu uns gekommen, das kennen wir.“

Eine Tankstellen-Mitarbeiterin aus Groesbeek, die namentlich nicht genannt werden will, sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Da kommt in den nächsten Monaten einiges auf uns zu, wenn die Deutschen nichts an den Preisen machen. Die Grenzlage nutzen beide Seiten gerne aus. Und während viele Niederländer in der Vergangenheit nach Deutschland gefahren sind, fahren nun eben viele Deutsche nach Holland.“ Schon jetzt würde sich abzeichnen, dass mehr deutsche Kunden an der Zapfsäule halten, so die Niederländerin.

Die deutschen Tankstellenpächter waren von der Nachricht aus dem Nachbarland geschockt. „Das wäre natürlich das Ende. Kunden aus den Niederlanden würden nicht mehr kommen. Je nachdem, wie groß die Preisunterschiede dann sind, würden uns selbst die deutschen Autofahrer nicht mehr bleiben“, sagt Felix Walrafen von der Esso-Tankstelle an der Tiergartenstraße in Kleve. Für ihn ist klar: „Wenn sich an der Situation nichts ändert, dann werden wir hauptsächlich Zigaretten verkaufen. Denn die sind noch günstiger als in den Niederlanden.“

Alle guten und schlechten Zeiten rund um die Tankstellen hat Herbert Jöken (61) schon erlebt. Er führt die Shell-Tankstelle an der Hoffmannallee. „Uns gibt es hier seit 1959. Mittlerweile in der zweiten Generation. Und ich mache das auch nur noch ein paar Wochen“, sagt der 61-Jährige. Er kennt die Zeiten, als vor einigen Jahren jeder zum Diesel-Tanken über die Grenze fuhr. „Jetzt scheint es so, als würden die Kunden bei uns ausbleiben“, sagt Jöken. Die Mitarbeiterin einer Klever Tankstelle konnte Dienstag ihren Chef nicht ans Telefon holen. „Der hat gerade viel zu tun“, sagt sie. Aber nur an der Waschstraße.

Besonders heftig würde der Preiskampf die Aral- und Argos-Tankstellen in Kranenburg treffen. Jahrelang hat die niederländische Kundschaft aufgrund der enormen Preisunterschiede für gute Umsätze und Chaos an den Straßen gesorgt. Das wäre nun vorbei.

Doch gibt es in Deutschland Bestrebungen, die Rekordjagd beim Spritpreis auch hierzulande zu stoppen. So fordert der Kreis Klever Bundestagsabgeordnete Stefan Rouenhoff deutliche Entlastung bei den Energiepreisen. Auf Initiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hin werde dazu in dieser Woche im Bundestag über einen Antrag für eine bezahlbare Energieversorgung beraten, um etwa den Steueranteil bei Kraftstoffen spürbar zu senken, so Rouenhoff. Finanzminister Christian Lindner (FDP) will den Sprit um mindestens 0,20 pro Liter günstiger machen. Jens Spahn (CDU) sprach am Montag sogar von einer Reduzierung des Preises um 40 Cent pro Liter und mehr. Dann bliebe es beim Tanktourismus in Deutschland.

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