In Kleve aufgewachsen Schalker trauern um bekannten Fan Hassan Talib Haji

Kleve · Hassan Talib Haji war einer der meinungsstärksten Anhänger von Schalke 04. In sozialen Medien diskutierte er gerne kontrovers. Jahrelang lebte Haji in Kleve, nun ist er gestorben. Die Fans trauern - und rufen zu einer Spendenaktion auf.

Das Logo des FC Schalke auf der Geschäftsstelle (Symbolfoto).

Das Logo des FC Schalke auf der Geschäftsstelle (Symbolfoto).

Foto: dpa/Guido Kirchner

Trainer-Entlassungen, Rassismus-Debatten oder finanzielle Sorgen – Hassan Talib Haji hatte immer eine Meinung, wenn es um seinen Herzensverein Schalke 04 ging. Seine Positionen verteidigte er mit Eifer und Wortgewalt, vorzugsweise in sozialen Medien. Nun ist seine Stimme für immer verstummt. Am Freitag ist der bekannte Fan des Bundesliga-Klubs, der in Kleve aufwuchs und jahrelang in der Kreisstadt lebte, von seiner Familie tot aufgefunden worden. Die Anteilnahme im Ruhrpott ist riesig, war Haji doch einer der bekanntesten Anhänger in der Veltins-Arena.

Hassan Talib Haji wurde in Kenia geboren. Seine Mutter stammt aus Somalia, sein Vater aus Indien. Nach dem Tod des Vaters verliebte sich die Mutter in einen deutschen Fabrikarbeiter. „So zogen wir aus Kenia nach Deutschland. Ich bin in Kleve aufgewachsen. Das liegt am Niederrhein, nahe der Grenze zur Niederlande“, sagte Haji vor einigen Jahren im Interview mit dem Online-Portal „Ruhrgesichter“. Der Stiefvater nahm den Jugendlichen mit ins Schalker Parkstadion. Der Verein weckte eine Faszination in Hassan Talib Haji, die ihn nie wieder loslassen sollte. Als Jugendlicher erlebte er den UEFA-Cup-Sieg 1997. Die Euro-Fighter rund um Olaf Thon, Marc Wilmots oder Mike Büskens avancierten zu Helden, auch für Hassan Talib Haji. So wurde das Schalker Stadion zu einer zweiten Heimat.

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Doch ein Unfall in Bremen stellte das Leben des gebürtigen Kenianers 2007 auf den Kopf. Bei einem Fenstersturz brach sich Haji die Wirbelsäule. „Seitdem bin ich an einen Rollstuhl gefesselt. Dies war auch der Grund, weshalb ich zurück nach Kleve gezogen bin. Ich brauchte drei Jahre, um mein Leben, auch vom Kopf her, wieder in die Reihe zu bekommen“, sagte Haji. In der Folge zog er nach Gelsenkirchen, nur einen Steinwurf von der Arena entfernt. Dort erlebte er die deutsche Vizemeisterschaft 2018 und den bitteren Abstieg 2021.

Der schlimmste Fußballmoment des Verstorbenen ereignete sich allerdings im Kreis Kleve, wie er einst in einem Interview berichtete. Im Alter von 15 Jahren kickte Haji für den SV Rindern als Mittelstürmer. Mitte der Neunzigerjahre war das, Haji traf im Finale des Voba-Cups auf die DJK BV Labbeck-Uedemerbruch. „Wir gingen in Weeze mit 2:2 – ich habe das zwischenzeitliche 1:1 geköpft – in die Verlängerung. Es fielen keine weiteren Tore mehr, somit kam es zum Elfmeterschießen. Ich sollte den letzten Elfmeter treten. Doch dazu kam es nicht, weil wir vorher keinen einzigen verwandelt hatten. Ich war ziemlich fertig und dies war das einzige eigene Spiel, in dem mir die Tränen kamen“, so Haji. Die in letzter Minute verlorene Meisterschaft im Jahr 2001 war allerdings noch dramatischer, sie habe beim Schalker für einen „salzigen Wasserfall“ gesorgt.

In den vergangenen Jahren machte sich Haji als Schalke-Reporter einen Namen. Über den Blog „Hassans Corner“ verbreitete er seine Meinungen. Gerne pointiert, bisweilen provokant. Die Fußballzeitung RevierSport engagierte den Klever als Kolumnisten, für das Portal Goal.com interviewte Haji Spieler, Manager und Trainer. Im Internet war er nie um eine hitzige Debatte verlegen, er suchte die Konfrontation. Doch lange währte der Groll nie, die virtuelle Umarmung gehörte für Hassan Talib Haji dazu.

Wenig verwunderlich also, dass die Fangemeinde bestürzt auf den plötzlichen Tod reagiert. Einige Anhänger haben nun sogar zu einer Spendenaktion aufgerufen. Knapp 6000 Euro wurden benötigt, um Haji auf dem Schalker Fan-Feld, einem blau-weißen Friedhof im Gelsenkirchener Ortsteil Sutum, die letzte Ehre zu erweisen. Das Geld kam schnell zusammen. Eine Grabstätte, die Hassan Talib Haji gefallen dürfte: Vom Friedhof aus hat man einen beeindruckenden Blick auf die Veltins-Arena.

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