Museum Kalkar Auf der anderen Seite des Flusses

Kalkar · Claus van Bebber und Rita Beckmann setzen sich in zwei Rauminstallationen im Kalkarer Museum mit dem Kriegsende und der Überwindung des Rheins auseinander.

 Rita Beckmann vereinigt eine britische Verodnung von 1946  mit der heutigen über Asylverfahren.

Rita Beckmann vereinigt eine britische Verodnung von 1946  mit der heutigen über Asylverfahren.

Foto: Klaus-Dieter Stade (kds)/Stade, Klaus-Dieter (kds)

Ein Schlauchboot, Munitionskisten, dazu ein altes, verschwommenes Bild von Flößen unterm Tarnnetz. Kriegsmaterial. Das Schlauchboot steht diagonal im Raum, versperrt den Weg, die Munitionskisten liegen wie abgestellt auf der einen Seite und füllen, so man sie anstößt, den Raum mit einem mahlenden Geräusch. Das Boot ist groß und schwarz, wie es ähnlich die Briten und Kanadier nutzten, als sie 1945 von der linken Rheinseite aus über den Fluss setzten. Das Foto zeigt ein Materiallager der Alliierten. Die lagen ganz in der Nähe des damals zerstörten Kalkars: In Kehrum und Niedermörmter. Die Munitionskisten fand der Künstler Claus van Bebber in seinem Heimatort Kranenburg, das Boot bekam er von einem Militäria-Sammler, nachdem das Bevrijdingsmuseum in Groesbeek (NL) nicht auf seine Anfragen antwortete.

Jetzt erinnern die Kriegsrelikte an die Zeit des Rheinübergangs, als es mit Tod und Verderben verbunden war, die andere Seite zu erreichen. Van Bebber sieht seine Ausstellungs-Installation im unteren Raum des Kalkarer Museums an der Grabenstraße als dokumentarisch angelegt. Er habe die Dinge zusammengefügt und aus den Munitionskisten eine Klanginstallation gemacht.

Passend titelt die Ausstellung „Die andere Seite“. Sie erzählt von dem Rheinübergang und von den Gefechten der alliierten und der deutschen Truppen im Reichswald, um Kleve und um Uedem, erinnert hinter den Ausstellungsstücken an völlig zerstörte Städte und das Leid der Menschen. Es war eine Zeit, die bis heute, über 70 Jahre später, in der Erinnerung nachwirkt. „Dieses Nachwirken, diese Frage der Roman-Autorin Susanne Fritz, wie der Krieg ins Kind kommt, hat mich fasziniert“, sagt Carla Gottwein. Die Reeser Filmemacherin hat dazu eine Ausstellungsserie im Rahmen der Reihe „In der Ebene“ diesseits und jenseits des Rheins organisiert, die vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW und dem Kulturraum Niederrhein gefördert wird und deutsche und britische Künstler zusammenführt, wie beispielsweise im projektraum-bahnhof25 in Kleve. „Viele Bewohner des Niederrheins haben Erinnerungen an die damaligen britischen Befreier bzw. Besatzer. Spuren und Relikte finden sich noch heute in privaten Häusern“, schreibt Gottwein und bezieht sich auch auf ihr Elternhaus in Rees.

Rita Beckmann hat diese Erinnerungen im zweiten Obergeschoss des Kalkarer Museums verarbeitet. Das trennende des Flusses zeigt eine Installation aus Eierschalen, die eine ganze Raumhälfte füllen mit zwei Nestern aus Weidengeflecht darin. Getrennt werden sie von einem Fluss. „Es geht hier nicht nur um die kriegerische Grenze, es geht auch darum, dass die Menschen jenseits des Rheins früher aus der Welt waren, jeweils auf der falschen Seite lebten“, sagen Beckmann und van Bebber. Auf der „gönne Kant“, wie es am Niederrhein heißt.

Beckmann hat die Kriegs- und Nachkriegszeit in feinen Pappierarbeiten thematisiert. Da ist der Falschirmspringer, ein grob gerastertes Foto aus einer Dokumentation, die den Springer mehr erahnen als sehen lässt. Das Foto hat sie geschreddert: Man wisse nicht, ob der Springer lebend die Erde erreiche, ob er von einer Granate zerfetzt werde, erschossen oder ob er abstürzte, oder lande, töte oder falle, sagt Beckmann.

Die Künstlerin schafft auch den Sprung ins Hier und Jetzt: Eine britische Verordnung von 1946, wie sich der Bürger und die vielen Flüchtlinge, die Heimatlosen der Nachkriegszeit zu verhalten haben, schredderte sie zusammen mit der Verordnung über aktuelle Asylverfahren der Bundesrepublik und vereinte sie zu eine großen Wandbild. Ein sehr schönes Symbol. Auch wenn es ihr schwer gefallen sei, das Original von 1946 durch den Schredder zu schicken.

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