Kaarst "Die FDP ist jetzt nötiger denn je"

Kaarst · Interview Otto Fricke, haushaltspolitischer Sprecher und Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, besuchte gestern den Neujahrsempfang der Kaarster FDP. Mit der NGZ sprach er über Krisen – die der Liberalen und die der Staatsschulden in Europa.

 Neujahrsempfang derKaarster FDP mit Vorsitzendem Heinrich Thywissen, Otto Fricke MdB und Bijan Djir-Sarai MdB.

Neujahrsempfang derKaarster FDP mit Vorsitzendem Heinrich Thywissen, Otto Fricke MdB und Bijan Djir-Sarai MdB.

Foto: L. Berns

Interview Otto Fricke, haushaltspolitischer Sprecher und Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, besuchte gestern den Neujahrsempfang der Kaarster FDP. Mit der NGZ sprach er über Krisen — die der Liberalen und die der Staatsschulden in Europa.

Herr Fricke, zu Beginn eines neuen Jahres kommt man als Bundestagsabgeordneter viel rum im Wahlkreis. Ganz ehrlich: Macht das als FDP-Politiker dieser Tage überhaupt noch Spaß?

Otto Fricke Ganz ehrlich: Es macht mir weiterhin Spaß, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen — nicht nur im Wahlkreis, aber natürlich vor allem dort, wo man aufgewachsen ist, wo man seine Wurzeln hat, selbst wenn man gerne andere Umfragen lesen würde. Es macht auch deshalb Spaß, weil man hier ja überhaupt erst hautnah erfährt, wofür man den täglichen Einsatz in Berlin bringt.

Ihre Partei steckt in der Krise. Die Umfragewerte liegen unter fünf Prozent, im Bund wie im Land. Wie nehmen Sie persönlich die Stimmung an der Basis wahr?

Fricke Auch die Veranstaltung in Kaarst an diesem Sonntag hat mir wieder gezeigt: Die Stimmung ist nicht so schlecht, wie das die Umfragewerte erwarten lassen, sondern eher kritisch konstruktiv. Das Interesse ist groß. Wir alle wollen, dass es der Partei wieder besser geht. Deshalb haben die Mitglieder aber zu Recht Erwartungen an die Führung von Partei und Fraktion. Aber sie sind auch bereit, den Karren weiter mitzuziehen. Im übrigen: Natürlich muss man Umfragen zur Kenntnis nehmen. Aber man darf sich auch nicht von ihnen verrückt machen lassen. Ich erinnere nur an die Zeit ein Jahr vor der Landtagswahl 2000 in NRW und an das Ergebnis der FDP. Umfragewerte werden nicht dadurch besser, dass man spekuliert und jammert, sondern dadurch, dass man arbeitet.

Was antworten Sie auf die Frage, wie die FDP ihre "Parteikrise" lösen wird?

Fricke Genau so: Durch harte, sachliche Arbeit und durch die besseren Argumente. Und übrigens auch, indem man sich mit dem politischen Mitbewerber auseinandersetzt und auch in der öffentlichen Debatte deutlich macht, wofür man selber steht und wofür der politische Gegner steht. Die Zeit der Zurückhaltung ist da vorbei.

Gestern haben Sie eine ganz andere Krise zum Thema Ihrer Rede gemacht: die der Staatsschulden in Europa. Für viele Bürger ist das Problem eher abstrakt. Deshalb konkret: Was bedeutet die Euro-Krise für Deutschland?

Fricke Im Grunde haben wir es nicht mit einer Krise des Euro zu tun, sondern mit einer Schuldenkrise in vielen Staaten Europas — und dort auf fast allen Ebenen. Auch in Deutschland gibt es Verschuldung. Verschuldung führt am Ende dazu, dass man einerseits zu viel für Zinsen zahlen muss, statt für Vernünftiges, und andererseits dazu, dass, wenn man zu viele Schulden hat, man noch viel stärker die Frage beantworten muss, auf was man verzichten kann, soll beziehungsweise muss.

Was heißt das konsequent zu Ende gedacht für die Kommunen?

Fricke Wenn einzelne Länder in Europa und damit in dem Bereich der Welt, mit dem wir beim Export am meisten Geld verdienen, Probleme hat, dann können wir noch so gute Produkte herstellen. Wenn uns diese niemand mehr abkauft, oder nur noch wenige, wirkt es sich auf die Unternehmen vor Ort, auf die Bürger vor Ort und damit natürlich auch auf die Kommunen direkt aus. Letztlich bedeutet die Krise für uns aber auch, dass sich jeder überlegen muss, ob seine Anforderungen an das, was der Staat und seine Kommune leisten muss, berechtigt sind. Es muss sich jeder die Frage stellen, was er bereit ist dafür zu tun, oder auf was er — und nicht immer nur die anderen — bereit ist, zu verzichten.

Wer oder was kann Europa aus Sicht der Liberalen aus der Krise führen?

Fricke Wir dürfen nicht vergessen, was unser Land groß gemacht hat. Erstens die soziale Marktwirtschaft — eine Ordnung, die weder den Markt verteufelt noch den Menschen vergisst. Und zweitens — wie das vor kurzem Franz Müntefering, leider ohne Applaus seiner Partei, im Handelsblatt unter dem Titel "Mehr Anstrengung!" klar dargestellt hat — die Anstrengung und der Fleiß aller, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso wie der Unternehmerinnen und Unternehmer. Darauf kommt es bis 2013 an.

Warum braucht Deutschland die FDP?

Fricke Die FDP als letzte Partei der sozialen Marktwirtschaft, als letzte Partei, für die Leistung und Anstrengung keine Schimpfworte sind, ist in dieser Situation nötiger denn je. Die Ideen der Entfaltung von Wachstumskräften in Verantwortung sind auch für Europa der Schlüssel, um aus der Krise zu kommen. Die Vergemeinschaftung von Schulden, die staatlich organisierte Angleichung von Handelsbilanzen, wie sie die Opposition fordern, löst ebenso wenig das Problem, wie der Gang in die Inflation. Kluges Sparen und die Stärkung von Wachstumskräften sind der richtige Weg.

Julia Hagenacker führte das Gespräch.

(NGZ/url)
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