Hückeswagens größter Arbeitgeber Nach der Flut ist „Klingelnberg wieder auf Kurs“

Hückeswagen · Hückeswagens größtes Unternehmen blickt auf das wohl schwerste erste Halbjahr der Firmengeschichte zurück. Grund dafür sind die massiven Schäden durch das Hochwasser am 14./15. Juli.

 Hückeswagens größter Arbeitgeber wirbt auf einer Gebäudefläche am Firmenparkplatz für seine Produkte.

Hückeswagens größter Arbeitgeber wirbt auf einer Gebäudefläche am Firmenparkplatz für seine Produkte.

Foto: Stephan Büllesbach

Bis Mitte Juli war es bei Klingelnberg hervorragend gelaufen. Einer der weltweit führenden Hersteller von Hochtechnologie im Bereich der Verzahntechnik für eine Vielzahl von Branchen hatte noch im März und im Juni mitgeteilt, dass die Gruppe eindrucksvoll die schwere Krise aus dem Konjunkturrückgang und den unmittelbar darauf einsetzenden weltweiten Belastungen durch Corona gemeistert hatte.

Doch dann brach die Flut nicht nur über das Betriebsgelände an der Peterstraße herein und setzte große Teile davon unter Wasser, sondern die Katastrophe machte auch sämtliche Erfolge zunichte. Den Schaden schätzt die Unternehmensleitung auf 55 bis 65 Millionen Euro, entsprechend rutschte das Halbjahres-Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) des aktuellen Geschäftsjahres ins Minus.

Die Katastrophe Am 14. Juli waren in Hückeswagen in nur wenigen Stunden 160 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen. Die Wupper trat infolgedessen gewaltig über die Ufer und überflutete nicht nur Wiesen, sondern unter anderem auch Handwerks- und Industriebetriebe sowie viele Privathäuser. Betroffen davon war auch der mit etwa 750 Mitarbeitern wichtigste Produktionsstandort der Klingelnberg-Gruppe an der Peterstraße. „Der Schaden war gewaltig“, heißt es im Bericht zum Halbjahresabschluss 2021/22, den die Geschäftsführung am Mittwoch in der Firmenzentrale in Zürich veröffentlichte. Produktionsstätten standen unter Wasser, bereits exportfertige Maschinen waren zerstört worden. „Jetzt wird aufgeräumt, gereinigt und geschaut, was noch zu retten ist“, hieß es seitens des Unternehmens unmittelbar nach der Flutkatastrophe.

  Das Wupper-Hochwasser hatte große Teile des Klingenberg-Betriebsgeländes an der Peterstraße unter Wasser gesetzt.

Das Wupper-Hochwasser hatte große Teile des Klingenberg-Betriebsgeländes an der Peterstraße unter Wasser gesetzt.

Foto: Feuerwehr

In der Zwischenzeit Am Mittwoch zeigten sich der Geschäftsführer (CEO) der Klingelnberg-Gruppe, Jan Klingelnberg, und der Kaufmännische Geschäftsführer (Chief Financial Officer), Christoph Küster, bereits schon wieder optimistischer: „Durch den großen und gemeinsamen Einsatz von Mehrheitsaktionär, Verwaltungsrat, Geschäftsführung, Management sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern konnte Klingelnberg mit Erfolg die Krise bekämpfen.“ So habe die Gruppe trotz der Katastrophe in den Märkten deutliche Erfolge erreichen können.

Die Geschäftszahlen Im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres vom 1. April bis 30. September – das Geschäftsjahr endet bei Klingelnberg traditionell am 31. März – erreichte der Auftragseingang 114,9 Millionen Euro. Das ist ein Plus von 31,1 Millionen Euro im Vergleich zum gleichen Zeitraum in 2020. Der Auftragsbestand erreichte dabei 217,5 Millionen Euro nach 122,9 Millionen im Vorjahr. „Insbesondere am Ausbau der Windenergie in China und anderen Regionen konnte Klingenberg partizipieren und damit seine Position im Segment Erneuerbare Energien stärken“, berichten die Geschäftsführer. Auch im Automobilbereich – besonders im Bereich E-Mobility – hätten signifikante Aufträge gewonnen werden können.

Die Zuversicht Infolge der Flutkatastrophe verzeichnete Klingelnberg im ersten Halbjahr des aktuellen Geschäftsjahres jedoch ein negatives Betriebsergebnis von 40 Millionen Euro, der Nettoverlust beträgt 42,9 Millionen Euro. „Bis zum Eintritt der Überflutungskatastrophe war Klingelnberg auf einem guten Weg, den angestrebten Gewinn im hohen einstelligen Millionenbereich zu erreichen oder gar zu übertreffen“, heißt es im Halbjahresbericht. Die Geschäftsführung ist sich allerdings sicher, dass das Unternehmen – nach jetziger Planung – den eingetretenen Schaden bilanziell im laufenden Geschäftsjahr verkraften wird. Zur Stärkung der Liquidität hat der Züricher Finanzdienstleister Credit Suisse eine Überbrückung von 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, für die die Familie Klingelnberg zur Hälfte bürgt.

Die aktuelle Lage Trotz der herausfordernden und anstrengenden zurückliegen Wochen ist Jan Klingelnberg hoffnungsfroh: „Heute, vier Monate nach der Flutkatastrophe, sind wir wieder zuversichtlich für die Zukunft von Klingelnberg.“ Die Fertigung und der Montagebetrieb liefen wieder. Und trotz der flutbedingten verlängerten Lieferzeiten entwickele sich der Auftragseingang der gesamten Gruppe weiter positiv. Der Auftragsbestand des Unternehmens liege derzeit so hoch wie niemals zuvor in der Unternehmensgeschichte.

„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die gesamte Führungsmannschaft arbeiten mit maximaler Kraft und vollem Einsatz an der Wiederherstellung des ,Normalbetriebs’, und Kunden und Lieferanten unterstützen nach Kräften“, berichtet der CEO. Es gebe also gute Gründe, von einem starken „Comeback“ des Unternehmens überzeugt zu sein. „Wir jedenfalls sind es und bedanken uns nicht zuletzt bei allen Beteiligten für ihren großartigen Einsatz“, sagt Klingelnberg und fügt an: „Klingelnberg ist wieder auf Kurs.“

Der Ausblick Angesichts des hohen Auftragsbestands und des unverändert anhaltenden hohen Auftragseingangs geht die Klingelnberg-Gruppe von einer positiven Geschäftsentwicklung aus. „Insbesondere die erarbeiteten Positionen mit ihren weltweit stark nachgefragten Technologien in den Kundensegmenten erneuerbare Energien sowie Automobilindustrie wirken sich positiv aus“, schreibt die Geschäftsführung in ihrem Bericht. Aufgrund der Belastungen durch die Flutkatastrophe rechnet das Unternehmen allerdings weiterhin mit einem Jahresverlust (EBIT) von 30 bis 40 Millionen Euro. Eine signifikante Verbesserung sei, bedingt durch die akuten Lieferengpässe, auch kaum zu erwarten. Aufgrund des sehr hohen Auftragsbestandes werde ein Teil der Verluste jedoch sicherlich im nächsten Jahr wieder aufgeholt werden können. Klingelnberg: „Das Unternehmen zeigt sich mehr als zuversichtlich, im nächsten Geschäftsjahr wieder in die Gewinnzone zurückzukehren.“

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