Eichenprozessionsspinner Städte kämpfen gegen giftige Raupe

Hilden/Haan · Der Eichenprozessionsspinner taucht wieder verstärkt in Wäldern, in Parks und auf Schulhöfen auf. Die Haare der kleinen Raupe sorgen für Ausschlag und teilweise heftige allergische Reaktionen. Die Städte sind alarmiert.

 Eichenprozessionsspinner-Entfernung an der Elbseeschule: Mario Serjanaj sprüht vom Hubsteiger aus ein Nest mit Industriekleber ein.

Eichenprozessionsspinner-Entfernung an der Elbseeschule: Mario Serjanaj sprüht vom Hubsteiger aus ein Nest mit Industriekleber ein.

Foto: Matzerath, Ralph (rm)/Matzerath, Ralph (rm-)

Lars Sempert setzt die Sprühflasche an: Das Nest mit rund 30 Raupen verschwindet unter einer dicken Schicht Industriekleber. Dann nimmt er einen großen Gefrierbeutel und sammelt die Insekten ein. Das Nest und die giftigen Haare darin flämmt er ab, damit die Schüler der Hildener Elbseeschule wieder gefahrlos spielen können.

Lars Sempert arbeitet für den Kettwiger Baumdienst, der von der Stadt Hilden mit der Beseitigung des Eichenprozessionsspinners beauftragt worden ist. Seit einigen Tagen sind er und seine Kollegen im Dauereinsatz. Denn überall in Hilden entdecken Menschen die Nester des Insekts. „Heute haben wir noch drei Einsätze in Hilden“, erklärt Lars Sempert. In der vergangenen Woche kam er auf einen Tag mit zwölf Einsätzen.

Der Eichenprozessionsspinner ist eine recht unscheinbare Nachtfalterart, die nur im Raupenstadium für den Menschen gefährlich ist. Seit einigen Jahren tritt das Insekt verstärkt in der Region auf. Grund ist der Klimawandel und die milden Winter. Zwischen Mai und Juli leben die Raupen auf Eichen, deren Blätter sie fressen. Danach verpuppen sie sich und verwandeln sich zum Falter. Die Gefahr ist dann jedoch noch nicht gebannt, denn die Nester bleiben zurück – und damit die giftigen Haare. „Die Nester bleiben auch dann gefährlich, wenn sich keine Raupen mehr darin befinden, weil sich die Haare darin jahrelang halten können. In den städtischen Grünanlagen und auf Spielplätzen werden deshalb auch alte, leerstehende Nester entfernt“, erklärt Harald Mittmann, Leiter des Hildener Grünflächenamtes.

Die Raupen besitzen bis zu 600.000 dieser sehr feinen Brennhaare, die extrem leicht brechen und das Gift Thaumetopoein beinhalten. „Das ist mit dem der Brennnesseln verwandt“, erklärt der Leiter des Kreisgesundheitsamtes, der promovierte Mediziner Rudolf Lange. Die Haare werden auch durch den Wind verbreitet. Daher reicht es durchaus, wenn ein Spaziergänger nur in die Nähe eines Nestes kommt – falls in diesem Moment ein Windstoß die Haare durch die Luft wirbelt, kann das schon zu Ausschlag und allergischen Reaktionen führen. Seit dem 15. Mai beseitigen die Kettwiger Baumdienste in Hilden die Nester des Prozessionsspinners. „Bisher rund 70“, erklärt Harald Mittmann.

Die Stadt baut einerseits auf Hinweise der Bürger, kontrolliert überprüft aber auch selbst viele Bäume. „Nach der ersten Meldung in diesem Jahr hat der städtische Baumbegeher alle Eichen im Stadtgebiet kontrolliert und eine Bestandsaufnahme erstellt. Bei seinen täglichen Außeneinsätzen hält er außerdem Ausschau nach neuen Nestern“, erklärt Mittmann. „Auch der Spielplatzkontrolleur sowie die Mitarbeiter der Grünflächenunterhaltung haben ein Auge auf die Eichen.“

Auch die Stadt Haan bekämpft den Eichenprozessionsspinner: „In dieser Woche beseitigen wir bei den bereits erfassten Bäumen in unserem Baumkataster zum ersten Mal für dieses Jahr die Eichenprozessionsspinner bzw. ihrer Nester. Wenn die Eichenprozessionsspinner von den Bäumen einmal beseitigt wurden, dann sind sie bis zum nächsten Jahr verkehrssicher. Wir werden die Bäume weiter beobachten, falls wir erneut etwas entdecken, werden wir natürlich tätig“, erklärt Stadtsprecherin Sonja Kunders. In Haan werden die Nester per Spezialsauger aus den Bäumen entfernt. Die Stadt hat sich extra dafür im vergangenen Jahr ein Spezialfahrzeug angeschafft.

Gibt es eine Alternative zum Absaugen oder Verkleben? „Eine Alternative ist das Spritzen“, erklärt Hildens Grünflächenamtsleiter Harald Mittmann. „Allerdings richten sich die Bakterien, die dabei verwendet werden, gegen alle Raupen statt nur gegen den Eichenprozessionsspinner. Für die Stadt Hilden ist diese Insekten-feindliche Methode keine Option.“

Bis zu 600.000 Brennhaare auf einer Raupe!

Woran erkenne ich die Raupen des Eichenprozessionsspinners?

Die behaarten Raupen sind anfangs orange-schwarz längsgestreift, später gelb-grau und bis zu fünf Zentimeter lang. Sie leben ausschließlich an Eichen. Finden sich spinnennetzartige Gespinste an anderen Baumarten, handelt es sich in der Regel um die für den Menschen harmlose Gespinstmotte.

 Ein Nest des Eichenprozessionsspinners an einem Baumstamm.

Ein Nest des Eichenprozessionsspinners an einem Baumstamm.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Was passiert, wenn ich mit dem Gift der Eichenprozessionsspinner in Berührung komme?

Das Gift Thaumetopoein ist stark reizend und entzündungsfördernd, erklärt Rudolf Lange, Leiter des Kreisgesundheitsamtes. Die Haare verhaken sich in der Haut, im Auge und – wenn sie eingeatmet werden – auch im Bronchialsystem. „Das kann zu massivem Hautausschlag führen und zu allergischen Reaktionen bis hin zu Asthma“, sagt der Mediziner. Dazu kommen in der Regel Müdigkeit und Übelkeit. Auch wenn es angesichts stark juckender Bereiche schwerfällt, rät er: „Hände in die Taschen, ab nach Hause, Kleidung ausziehen und waschen, unter die Dusche, einseifen“, erklärt er.

Was hilft gegen das Jucken?

Antihistaminsalbe kann bei leichten Reaktionen helfen. „Halten die Beschwerden länger an, bitte zum Arzt gehen“, erklärt erklärt Rudolf Lange. Auch bei asthmatischen Beschwerden rät er dazu. Wichtig: Die Kleidung muss bei mindestens 60 Grad gewaschen werden, dann denaturiert das Gift und wirkt nicht mehr. Diesen Effekt nutzt auch Lars Sempert von der Kettwiger Baumdiensten. Er kommt trotz Schutzausrüstung häufig mit den Haaren des Eichenprozessionsspinners in Kontakt und kann aus der Praxis berichten. „Wir entfernen nicht nur die Nester, sondern kümmern uns auch um Baumpflege. Erst vor kurzem haben wir Totholz von einer Eiche entfernt und erst am Ende ein verlassenes Nest entdeckt.“ Das Ergebnis: juckender Ausschlag an den Armen. „Ich habe abends meinen Fön genommen und meine Arme gefönt“, erklärt er. Er hat den heißen Luftstrom auf die betroffenen Stellen gerichtet. „Bis es weh tat. Und dann drei Sekunden den Schmerz aushalten.“ Danach sei das Jucken verschwunden. Dieses Verfahren ist jedoch nicht zu empfehlen, da die Haut durch die Temperaturen bereits Verbrennungen erleiden kann.

Wie kann ich mich schützen?

Raupen oder Nester niemals berühren. Die Raupe kommt lediglich auf Eichen vor. Bevor Sie sich auf eine Bank setzen, am besten einmal kurz umschauen, ob Gespinste zu sehen sind. Auch bereits verlassene Kolonien stellen eine Gefahr dar, da dort durch die Häutungen Haare zurückbleiben können. Wer mit Kindern unterwegs ist, sollte besonders aufmerksam sein: Die Raupen wirken mit ihrem Pelz aus giftigen Haaren durchaus kuschelig.

Warum ist Problem in diesem Jahr besonders groß?

Extrem starke Populationen gibt es laut Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, wenn die Frühjahrsmonate wie in diesem Jahr mild sind und im Spätsommer mit Falterflug und Eiablage trockenes Wetter mit wenig Wind herrscht. Das war 2019 der Fall.

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