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Kampf gegen Clankriminalität NRW setzt auf Härte, Hilfe und Einsicht

Düsseldorf/Berlin · Die Lage in Sachen Clankriminalität in NRW ist aus Sicht des Innenministeriums alarmierend: Das Phänomen sei „größer und gefährlicher“ als bislang bekannt, sagte Herbert Reul im August bei der Vorstellung des zweiten Lagebilds „Clankriminalität“. Hat sich die Situation seitdem verändert?

 Zollfahnder und Polizeibeamte bei einer der Kontrollen in Velbert im Sommer 2020.

Zollfahnder und Polizeibeamte bei einer der Kontrollen in Velbert im Sommer 2020.

Foto: Polizei

„Ein Teil der Clans spielt in der gleichen Liga wie die Mafia“, sagte Reul damals. Das bevölkerungsreichste Bundesland geht mit Polizeieinsätzen gegen Kriminalität in türkisch-arabischstämmigen Großfamilien vor, etwa mit großen Razzien gegen illegales Glücksspiel. Doch Repression ist nicht alles: Seit dem Frühjahr ist im stark betroffenen Ruhrgebiet auch ein Präventionsprojekt unter dem Leitgedanken „Frühe Hilfe statt späte Härte“ hinzugekommen.

Das wissenschaftlich begleitete Programm zielt auf Kinder und junge Jugendliche, die schon ziemlich häufig mit der Polizei zu tun hatten. „Stark kriminalitätsgefährdete Kinder“ nennen die Fachleute sie. Das Projekt „Integration, Orientierung, Perspektiven! - 360 Grad“ will positiven Einfluss auf die 8- bis 14-Jährigen und ihre Eltern nehmen, etwa mit sozialen Kompetenztrainings.

Es gehe darum, „Einsicht zu fördern, Einstellungen und in der Folge Verhalten zu verändern und Perspektiven als Alternative zu einem kriminellen Lebenswandel aufzuzeigen“, erklärt ein Sprecher des Innenministeriums NRW. „In unserem Programm geht es um Wertschätzung statt Ablehnung. Sorge statt Drohung. Wenn die Menschen bereit sind, sich von Straftaten und Straftätern zu distanzieren, können sie sich unserer Unterstützung gewiss sein“, sagt Reul der Deutschen Presse-Agentur.

Standorte sind die Städte Essen, Dortmund, Bochum, Duisburg, Oberhausen, Gelsenkirchen und der Kreis Recklinghausen. 23 Jungen und drei Mädchen werden bereits begleitet. Eingebettet ist das Projekt in die Initiative „Kurve kriegen“ des Landes, die sich seit 2011 um junge sogenannte „Intensivtäter“ kümmert.

Die bisherige Resonanz sei „ganz überwiegend positiv“, so der Sprecher. „Der Praxisalltag zeigt, dass die Familien die Zusammenarbeit mit "Kurve kriegen" als eine wirkliche Chance betrachten, etwas in ihrem bisherigen Leben zu verändern.“ Die pädagogischen Fachkräfte träfen häufig auf Leidensdruck in den Familien, auf ratlose oder gar verzweifelte Eltern, die sich Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder machten. Das Projekt nimmt besonders die Mütter in den Blick: Sie seien ein neuer Ansatzpunkt mit nicht zu unterschätzender Hebelwirkung in die Familienstrukturen. „Letztlich möchte keine Mutter ihr Kind im Gefängnis sehen.“

Doch Hilfe ist das eine, das Durchsetzen von staatlichen Regeln das andere. In Berlin hat der Staat nach Einschätzung von Innensenator Andreas Geisel (SPD) zwei Jahre nach Beginn einer neuen Offensive gegen die Clankriminalität seine Autorität zurückgewonnen. „Die Polizisten vor Ort sagen: Der Respekt kehrt zurück“, sagt Geisel der Deutschen Presse-Agentur. „Vorher sind sie ausgelacht worden. Und wenn zwei Mitarbeiter der Gewerbeaufsicht eine Bar kontrollieren wollten, sind sie nicht eingelassen worden. Jetzt kommen wir mit einer entsprechenden Größenordnung, gehen rein, beschlagnahmen und setzen die organisierte Kriminalität entsprechend unter Druck.“

Die Bilanz 2020 weist Geisel zufolge bis zum 30. November 227 Einsätze der Polizei gegen kriminelle Mitglieder arabischer Clans auf. Das Resultat waren mehr als 1000 Anzeigen wegen Straftaten sowie fast 5500 Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten. Dazu kam eine Fülle an Beschlagnahmungen unversteuerter Zigaretten, Drogen, Geld, Waffen und Autos. Die Polizei müsse der organisierten Kriminalität „da auf den Füßen stehen, wo es richtig weh tut: beim Geld“, sagt Geisel. Der erfolgreichste Schritt bisher sei die Beschlagnahmung von 77 Häusern und Wohnungen gewesen.

Der Berliner Innensenator bekräftigt: „An der Stelle setzt der Staat seine Regeln durch. Wir machen deutlich: Wir meinen es ernst.“ Allerdings gebe es diese Intensität der Maßnahmen erst seit zwei Jahren. Das Ganze sei aber über Jahrzehnte entstanden. „Würden wir aufhören, kehrt das sofort zurück. Wir haben noch nicht gewonnen. Wir haben uns aber auf den Weg gemacht und werden ihn weitergehen. Aber wir brauchen noch ein paar Jahre.“

(felt/dpa)
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