Ungarn trotzt Kritik Gesetz zu Homosexualität in Kraft getreten

Budapest/Brüssel · Kanzlerin Merkel und viele ihrer EU-Kollegen fürchten um die Grundrechte sexueller Minderheiten, doch Ungarns Premier Orban ficht das nicht an - er gibt sich gar als Vorkämpfer für die Rechte von Homosexuellen. Ein Diplomat wähnt bei ihm „Hopfen und Malz verloren“.

 Auch Viktor Orban ist als Premierminister Ungarns beim EU-Gipfel in Brüssel mit dabei.

Auch Viktor Orban ist als Premierminister Ungarns beim EU-Gipfel in Brüssel mit dabei.

Foto: AP/Olivier Matthys

Trotz harscher Kritik von Menschenrechtlern und anderen EU-Staaten ist in Ungarn ein Gesetz zur Einschränkung der freien Information über Homo- und Transsexualität in Kraft getreten. Ministerpräsident Viktor Orban bekräftigte am Donnerstag vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel, er werde das seit der Nacht zum Donnerstag geltende Gesetz keinesfalls wieder zurückziehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und 15 weitere Staats- und Regierungschefs bezogen demonstrativ Position und machten mit einem Brief an die Spitzen der Europäischen Union ihre Besorgnis über die Bedrohung von Grundrechten und Diskriminierung sexueller Minderheiten deutlich.

„Wir müssen weiterhin gegen die Diskriminierung der LGBTI-Gemeinschaft kämpfen und erneut bekräftigen, dass wir ihre Grundrechte verteidigen“, schrieben sie in dem gemeinsamen Brief. Die englische Abkürzung LGBTI steht kurz für „Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Trans, Inter“. „Respekt und Toleranz sind das Herzstück des europäischen Projekts“, heißt es in dem Schreiben weiter. „Wir sind entschlossen, diese Anstrengungen fortzuführen und dafür zu sorgen, dass die künftigen Generationen Europas in einem von Gleichberechtigung und Respekt geprägten Umfeld aufwachsen.“

Der Brief erwähnt als Anlass den International Lesbian Gay Bisexual and Transgender Pride Day am 28. Juni. Diskriminierung sexueller Minderheiten ist jedoch auch Streitthema des zweitägigen EU-Gipfels, der am Donnerstag begann. Hintergrund ist das in der Vorwoche vom ungarischen Parlament gebilligte Gesetz, das ein Verbot von Büchern, Filmen und anderen Inhalten vorsieht, die Kindern und Jugendlichen zugänglich sind und in denen nicht-heterosexuelle Sexualität dargestellt wird. Darüber hinaus wird Werbung verboten, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil einer Normalität erscheinen.

Neben Deutschland wurde der Brief unter anderem von den übrigen EU-Gründerstaaten Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg unterzeichnet. Von den östlichen EU-Staaten machten nur Estland und Lettland mit. Neben Ungarn fehlten auch Länder wie Polen, Slowakei, Tschechien, Slowenien, Kroatien, Bulgarien und Rumänien.

Die EU-Kommission und zahlreiche EU-Staaten sind der Auffassung, dass das ungarische Gesetz Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ein entschiedenes Vorgehen der Kommission angekündigt. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn nannte als mögliche Konsequenzen einen Zahlungsstopp von EU-Hilfen und einen Entzug des Stimmrechts - allerdings sind die Hürden für einen solchen Schritt sehr hoch. Der Ausschluss eines Landes aus der EU gegen dessen Willen ist nach den Europäischen Verträgen gar nicht möglich.

Bei Orban sei offensichtlich „Hopfen und Malz verloren“, sagte Asselborn bei NDR Info. Er gehe davon aus, dass der ungarische Premier „nicht mehr auf die europäische Schiene kommt“. Das Gesetz sei schändlich und richte sich klar gegen nicht-heterosexuelle Menschen. „Er ist aber zu feige, das zu sagen.“

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte machte am Rande des Gipfels deutlich, dass er für Ungarn keinen Platz mehr in der EU sieht, wenn die Regierung in Budapest so weitermacht. „Für mich haben sie dann in der Europäischen Union nichts mehr zu suchen“, sagte er auf die entsprechende Frage eines Journalisten. Zugleich machte Rutte deutlich, dass er von Orban keinen Kurswechsel erwartet. „Er ist schamlos“, sagte er.

Orban weist jede Kritik an den neuen Regeln beharrlich zurück - und behauptet, er verteidige vielmehr die Rechte von Homosexuellen. Das Gesetz sorge dafür, dass Eltern alleine darüber entscheiden könnten, wie sie die sexuelle Erziehung ihrer Kinder gestalten wollten, erklärte der rechtsnationale Regierungschef. Kritiker werfen ihm vor, neben den Rechten von Minderheiten auch demokratische Institutionen und die Pressefreiheit auszuhöhlen, sich die Justiz Untertan gemacht zu haben und Ressentiments gegen Ausländer zu schüren.

Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel fand auf dem EU-Gipfel klare Worte für Orbans Haltung zur Homosexualität. Wer glaube, dass jemand wegen einer Werbung, eines Buches oder eines Films schwul geworden sei, verstehe das Leben nicht, sagte der mit einem Mann verheiratete Politiker.

(june/dpa)
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