Sorge wegen Delta Merkel für einheitlichere EU-Corona-Reiseregeln

Brüssel · Die Europäische Union freut sich über ein Abklingen der Pandemie. Doch wie stoppt man die gefürchteten Varianten? Beim Brüsseler Gipfel ist das nur eines von vielen kontroversen Themen. Die Kanzlerin sorgt mit Macron für Wirbel.

 Angela Merkel bei der Ankunft in Brüssel anlässlich des EU-Gipfels.

Angela Merkel bei der Ankunft in Brüssel anlässlich des EU-Gipfels.

Foto: AP/Johanna Geron

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel einheitlichere Regeln der EU-Staaten für Einreisende aus Gebieten mit der gefürchteten Delta-Variante. Dafür werde sie werben, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Zugleich plädierte Merkel für eine Kurskorrektur im Verhältnis zu Russland - einerseits härtere koordinierte Sanktionen bei Rechtsverstößen Russlands, andererseits aber auch die Option auf Spitzentreffen mit Präsident Wladimir Putin. Der Vorschlag traf auf Bedenken.

Die Pandemie und Russland gehörten zu den Topthemen des ersten Gipfeltags. Daneben standen das Verhältnis zur Türkei und die Migrationspolitik auf der Tagesordnung. Überschattet wurde der Gipfel von einem erbitterten Streit in der EU über ein neues ungarisches Gesetz zu Informationen über Homosexualität. 17 Staaten haben Protest eingelegt und warnen vor Diskriminierung sexueller Minderheiten. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban wies die Kritik zurück und machte deutlich, dass er das Gesetz nicht zurückziehen will.

Für Merkel ist es der letzte planmäßige EU-Gipfel vor der Bundestagswahl, bei der sie nicht mehr antritt. Doch könnte sie vor der Bildung der neuen Bundesregierung noch einmal im Oktober beim Gipfel dabei sein. Bei einer Regierungserklärung im Bundestag betonte die Kanzlerin, wie wichtig die enge Zusammenarbeit der EU in Krisen wie der Pandemie sei. Im ersten Corona-Schock sei national statt europäisch abgestimmt gehandelt worden. „Wir wissen heute, dass wir das besser können und das auch in Zukunft besser machen werden“, sagte Merkel.

Die Pandemielage entwickelt sich fast überall in der EU auf den ersten Blick günstig. Sorgen bereitet jedoch die besonders ansteckende Delta-Variante des Coronavirus, die sich zunehmend ausbreitet. Deutschland hat 14 Länder als Virusvariantengebiete eingestuft, darunter Großbritannien. Für Einreisende gilt Quarantäne. Urlaubsländer wie Portugal lassen britische Touristen jedoch freier ins Land.

Wirbel löste kurz vor dem Gipfel ein Vorstoß Deutschlands und Frankreichs zur Russland-Politik aus. Merkel sagte im Bundestag: „Meines Erachtens müssen wir dazu als Europäische Union auch den direkten Kontakt mit Russland und dem russischen Präsidenten suchen.“ Es reiche nicht aus, wenn US-Präsident Joe Biden mit dem russischen Präsidenten spreche. Im Entwurf der Gipfelerklärung ist zugleich die Rede von der Option verschärfter Wirtschaftssanktionen bei russischen Rechtsverstößen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron warb für den deutsch-französischen Vorschlag. Rückendeckung kam etwa vom österreichischen Kanzler Sebastian Kurz. Dagegen äußerte sich der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins skeptisch über einen Dialog mit Russland ohne Vorbedingungen: Zugeständnisse ohne Gegenleistung sehe der Kreml nicht als ein Zeichen von Stärke.

Ähnlich uneins ist die EU beim Verhältnis zur Türkei und in der Migrationspolitik. Deutschland und einige andere Staaten wollen den Flüchtlingspakt mit der Türkei von 2016 retten. Der Regierung in Ankara sollen deshalb neue Hilfen zur Versorgung syrischer Geflüchteter in Aussicht gestellt werden - nach Vorstellungen der EU-Kommission wären das 3,5 Milliarden Euro bis 2024. Umstritten ist aber unter anderem, wie schnell der Ausbau der Zollunion mit der Türkei vorangehen soll.

In der Migrationspolitik dringt der italienische Ministerpräsident Mario Draghi darauf, dass Länder wie Deutschland und Frankreich mehr ankommende Migranten aufnehmen. Großes Entgegenkommen kann er allerdings nicht erwarten. Insgesamt geht in der Asyl- und Migrationspolitik innerhalb der EU so gut wie nichts voran. Deshalb wendet man sich erneut den äußeren Aspekten zu - also der Frage, wie Vereinbarungen mit Herkunfts- und Transitländern Menschen von der Flucht nach Europa abhalten können.

Zugleich gibt es neue Sorgen: Der Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan könnte die Lage dort noch unsicherer machen und noch mehr Menschen in die Flucht nach Europa treiben. Die Baltenstaaten warnen zudem vor einer Fluchtbewegung über Belarus in die EU. Die Zahl der Migranten an der belarussisch-litauischen Grenze sei dramatisch gestiegen, sagte Litauens Präsident Gitanas Nauseda. Dahinter wird ein gezieltes Manöver des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko vermutet, um die EU unter Druck zu setzen.

Zum Auftakt des EU-Gipfels berieten die Staats- und Regierungschefs mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Dieser forderte die EU auf, in Migrationsfragen gemeinsam zu handeln und mehr Solidarität mit den Ländern zu zeigen, die Geflüchtete aufnehmen.

(june/dpa)
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