SPD und die Landtagswahlen Schwierige Wochen für den Kanzler

Berlin · Olaf Scholz und seiner SPD stehen turbulente Wochen bevor - auch die 160 Jahr-Feier der kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Partei in Bedrängnis ist. Die Bremen-Wahl am Sonntag und die „Midterms" im Herbst in Bayern und Hessen sind ein wichtiger Stimmungstest. Und dann ist da noch die Front der Länder, die gegen den Bund vor den Bund-Länder-Beratungen zur Flüchtlingspolitik Stimmung machen.

Bundeskanzler Olaf Scholz muss im Bund-Länder Streit um die Flüchtlingspolitik am Mittwoch vermitteln.

Bundeskanzler Olaf Scholz muss im Bund-Länder Streit um die Flüchtlingspolitik am Mittwoch vermitteln.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Ob die Hessen das so gerne gehört haben? Der Kanzler, bekennender Hamburger, ist zu Gast bei einer Veranstaltung der Hessen-SPD in der hessischen Landesvertretung in Berlin. Geladen wurde zu „Äppelwoi und Ahle Wurscht“, Olaf Scholz ist Ehrengast. Äppelwoi habe er schon schon als Erster Bürgermeister in Hamburg getrunken, bekennt Scholz und fügt hinzu: Auch der sei lecker gewesen. Die Hessen im Saal halten sich mit dem Applaus bei dieser Bemerkung des Kanzlers merklich zurück.

Deutlich mehr Beifall bekommt Scholz dann für seine Mutmach-Ansprache in Richtung der Spitzenkandidatin der hessischen SPD für die Landtagswahlen im Herbst, Bundesinnenministerin Nancy Faeser. „Liebe Nancy, ich freue mich immer noch, dass ich Dich zur Innenministerin gemacht habe und trotzdem wünsche ich Dir viel Erfolg bei dem, was Du in Wiesbaden vor hast“, sagt Scholz. Auch wenn er mit hessischen Traditionsgetränken etwas fremdeln mag - „die Hessen kommen“, ist sich Scholz als Sozialdemokrat sicher.

Tatsächlich steht für den SPD-Regierungschef bei den Landtagswahlen in diesem Jahr einiges auf dem Spiel - auch für den Bund. Die Wahlen in Bayern und Hessen am 8. Oktober werden auch etwas über seine Halbzeitbilanz aussagen. Da in Bayern die SPD gegen die CSU-Übermacht traditionell wenig ausrichten kann, rückt vor allem Hessen in den Blickpunkt der Sozialdemokraten. Nachdem dort nicht mehr Volker Bouffier, sondern dessen Nachfolger Boris Rhein in der Wiesbadener Staatskanzlei sitzt, rechnet man sich doch einiges aus. Allerdings sehen die Umfragen für die hessische SPD bislang nicht gut aus, die CDU und Rhein liegen deutlich in Front, aber eine Ampel mit Grünen und FDP unter Führung der SPD ist derzeit in der Theorie möglich. Scholz hält persönlich viel von Faeser und stärkte ihr auch den Rücken bei ihrer Entscheidung, den hessischen Wahlkampf als Innenministerin zu führen und - im Fall einer Niederlage - auch weiter in Berlin zu bleiben. In der Partei- und Fraktionsführung der Bundes-SPD hielten und halten das einige für einen klaren Fehler.

Für die Stimmung unter den Sozialdemokraten ist auch die Wahl am kommenden Sonntag in Bremen wichtig. Seit dem Zweiten Weltkrieg regiert die SPD in der Hansestadt ununterbrochen. 2019 wäre die Macht fast verloren gegangen, erstmals wurde die CDU stärkste Kraft. Der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte will diese Scharte ausmerzen, den Umfragen zufolge könnte die SPD, die derzeit mit den Grünen und den Linken regiert, wieder stärkste Kraft werden.

Angesichts der bundesweit derzeit schlechten Umfragewerte geht es auch für die Bundespartei um ein möglichst gutes Signal am Wahltag. Am Freitag tritt deshalb die gesammelte Parteispitze plus Kanzler und dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil zum Abschluss des Wahlkampfs noch einmal in Bremen auf.

Denn kurz vor dem 160. Geburtstag der Partei, der mit vielen Veranstaltungen begangen wird und an dem die beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil neben Scholz Reden angekündigt haben, geht es auch um eine Standortbestimmung der Partei. Die Streitereien in der Ampel-Regierung, die Diskussionen um das Heizungsgesetz zahlen bei der SPD nicht gut ein. Gleichzeitig gehen die Zahlen bei der AfD in den Umfragen weiter hoch, was nicht nur den Kanzler besorgt. Nach wie vor sind Scholz Umfragewerte besser als die seiner Partei - doch das Grummeln über Führungsstil des Kanzlers und inhaltlichen Kurs der Partei wird analog zu schlechten Umfragewerten größer werden.

Nun fügt es sich, dass Scholz vor der Bremer Wahl noch einen besonderen Balanceakt bestehen muss. Am Mittwoch tagt der Bund gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder zum Thema Flüchtlinge - und die Emotionen haben sich hochgeschaukelt. Der wahlkämpfenden Bremer SPD-Bürgermeister Bovenschulte etwa pocht im Streit um die Finanzierung der Flüchtlingshilfen auf eine hälftige Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern und schließt sich damit einer Forderung des NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst von der CDU an.

Für SPD und FDP geht es bei der Migrationspolitik auch um eine politische Verständigung, was Kontrolle, Steuerung und Rückführungen angeht. Einerseits soll ein sogenannter Spurwechsel erleichtert werden, damit qualifizierte Asylbewerber in Deutschland leichter eine Arbeit annehmen können. Zum anderen müsse aber die Zahl der sicheren Herkunftsländer zur Verkürzung der Asylverfahren ausgeweitet werden, heißt es etwa von der FDP. Und, last but noch least: Der Außengrenzschutz der EU müsse robuster werden, was nach Aussage von FDP-Chef Christian Lindner auch „Zäune“ an den Außengrenzen bedeuten könne.

All dies sind Punkte, die auch die SPD und ihr Kanzler am Mittwoch besprechen wollen. Aber die Sorge ist groß, dass am Ende doch wieder nur übers Geld geredet wird - und sich Bund und Länder die Milliardenbeträge vorrechnen, die sich jährlich für Flüchtlinge ausgeben. Scholz ist hier also als Moderator auf verschiedenen Ebenen gefragt, eine Einigung würde auch auf das Konto seiner Innenministerin einzahlen. Und wenn nicht? „Am Ende ist es dann die AfD, die das zusammenrechnet“, warnte SPD-Chef Klingbeil vor kurzem vor einer Stimmungsmache mit diesem Thema.

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