Konsequenzen der Nawalny-Vergiftung Brandenburgs Regierungschef gegen Baustopp bei North Stream 2

Düsseldorf · Dietmar Woidke (SPD) warnt: „Wir dürfen uns nicht den Ast absägen, auf dem wir sitzen.“ Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schließt Sanktionen nicht aus. Der FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff sieht das Nawalny-Attentat als „Zeichen der Schwäche“ der Täter.

 Im Rügener Hafen Sassnitz-Mukran liegt ein russisches Spezialschiff für den Weiterbau der Pipeline. Der Streit um die Gasleitung ist neu entflammt

Im Rügener Hafen Sassnitz-Mukran liegt ein russisches Spezialschiff für den Weiterbau der Pipeline. Der Streit um die Gasleitung ist neu entflammt

Foto: dpa/Stefan Sauer

Nach dem Giftgasanschlag auf den russischen Kremlekritiker Alexej Nawalny geht die Debatte um mögliche Sanktionen gegen Russland und die umstrittene Gasleitung North Stream 2 weiter. Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat sich gegen einen Stopp der Arbeiten an der Ostsee-Pipeline ausgesprochen. Die Gasleitung sei wichtig für die Energieversorgung Deutschlands wie Europas insgesamt, sagte Woidke dem "Handelsblatt“.

In dem Interview verurteilt Woidke, was in Russland vor sich gehe. Der Anschlag auf Nawalny sei "ein Vorgang, der nicht unter den Teppich gekehrt werden kann". Zugleich "dürfen wir uns aber nicht den Ast absägen, auf dem wir sitzen", sagte Woidke zu North Stream 2. Die Strom- und Wärmeversorgung der Zukunft werde unter anderem auf Gas basieren müssen, unterstrich der SPD-Politiker. "Diese Wahrheit mag unbequem sein, aber es ist so."

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Kostenpflichtiger Inhalt Norbert Röttgen (CDU), hatte angeregt, Nord Stream 2 wegen des Nawalny-Anschlags auf Eis zu legen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt unterstützte seinen Vorschlag. Die größtenteils bereits fertiggestellte Pipeline soll in weitaus größerem Umfang als bislang russische Erdgaslieferungen nach Deutschland ermöglichen.

Die Bundesregierung hatte am Mittwoch erklärt, Nawalny sei "zweifelsfrei" mit einem chemischen Nervenkampfstoff vergiftet worden. Der russische Oppositionelle war am 22. August mit Vergiftungserscheinungen aus Russland zur ärztlichen Behandlung nach Berlin geflogen worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte den "versuchten Giftmord" und kündigte an, dass gemeinsam mit EU und Nato über eine "angemessene" Reaktion entschieden werde.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schloss Sanktionen gegen Russland nicht aus. Brüssel behalte "sich das Recht vor, geeignete Maßnahmen, einschließlich restriktiver Maßnahmen, zu ergreifen", erklärte der Diplomat am Abend. Die Nato befasst sich an diesem Freitag in einer Sondersitzung mit dem Fall Nawalny. Moskau weist jede Schuld an dem Giftanschlag zurück.

Für den FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff ist die Vergiftung Nawalnys ein Zeichen für die Nervosität der Täter. „Man versucht, in dem man einen Oppositionellen ausschaltet, alle anderen Kritiker und Oppositionellen einzuschüchtern und von ihrer Arbeit abzuhalten“, sagte Lambsdorff der „Passauer Neuen Presse“. „Aber für mich zeigt der Fall Nawalny, wie nervös die Täter sein müssen“, sagte er.„Im Kreml sieht man die Proteste in Belarus gegen die gefälschte Wahl, in Chabarowsk gehen die Menschen seit Wochen gegen die Regierung in Moskau auf die Straße. Auch die landesweiten Proteste von 2018 gegen die Pläne einer Rentenreform sind den Machthabern im Kreml noch immer in Erinnerung“, führte Lambsdorff aus.

„Das Attentat an Nawalny ist deshalb kein Zeichen der Stärke, sondern eher der Unsicherheit und der Schwäche.“ Auf die Frage, ob die Spur in den Kreml führe sagte Lambsdorff der Zeitung: „Es spricht leider viel dafür.“

(juju/AFP/dpa)
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