IAEA-Inspektoren vor Ort Nur noch Reserveleitung zum Akw Saporischschja in Betrieb

Saporischschja · Das russisch besetzte Atomkraftwerk Saporischschja ist auch mit der letzten von vier externen Haupt-Stromleitungen nicht mehr verbunden. Erneut wurde zudem Beschuss gemeldet. Und trotz der Präsenz internationaler Inspektoren bleibt die Lage instabil.

IAEA-Experten am Atomkraftwerk Saporischschja (Archiv).

IAEA-Experten am Atomkraftwerk Saporischschja (Archiv).

Foto: dpa/D. Candano Laris

Am Samstag wurde erneut die letzte verbliebene Hauptstromleitung zwischen dem von russischen Truppen besetzten Kraftwerk und dem ukrainischen Stromnetz abgeschnitten, wie die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) mitteilte. Die Leitung sei „nach neuen Bombardements in der Zone“ gekappt worden. Die Verbindung zum ukrainischen Stromnetz werde jedoch über eine Reserveleitung aufrechterhalten.

Die IAEA sei „heute vor Ort“ darüber informiert worden, dass das Akw „erneut seine Verbindung zur letzten verbliebenen externen Stromleitung verloren hat“, erklärte die Organisation. Nach ihren Angaben verfügte das Akw ursprünglich über vier Hauptleitungen zum ukrainischen Stromnetz. Drei davon seien schon „früher während des Konflikts“ abgeschnitten worden.

Die letzte verbliebene Hauptleitung wurde bereits am 25. August abgetrennt. Die Unterbrechung der Leitung dauerte damals einen Tag.

Die IAEA teilte am Samstag mit, einer der sechs Reaktoren in Saporischschja arbeite noch. Er produziere Strom „sowohl für die Kühlung als auch für andere wesentliche Sicherheitsfunktionen der Anlage und über das Stromnetz für Haushalte, Fabriken und andere“.

Nach Angaben der ukrainischen Betreibergesellschaft Energoatom musste wegen des „fortgesetzten Beschusses durch die russischen Besatzer“ ein anderer Reaktor abgeschaltet werden. Die übrigen vier Reaktoren waren schon früher im Verlauf des russischen Angriffskrieges abgeschaltet worden.

Der letzte noch arbeitende Reaktor „liefert über die Reserveleitung Elektrizität mit begrenzter Kapazität an das Energiesystem der Ukraine“ und versorge auch das Akw selbst, erklärte Energoatom.

Saporischschja ist das größte Atomkraftwerk Europas. Die Kämpfe rund um das Akw schüren die Angst vor einer Nuklearkatastrophe wie 1986 in Tschernobyl. Ein vollständiger Stromausfall im Kraftwerk - wenn der von außen kommende Strom ausfällt und die Notstromaggregate nicht funktionieren - könnte zu einer Überhitzung der Anlage führen.

Am Donnerstag war ein 14-köpfiges IAEA-Team in dem Akw eingetroffen, um dessen Sicherheit zu überprüfen. IAEA-Chef Rafael Grossi und einige andere Team-Mitglieder reisten zwar bereits am Donnerstag wieder ab, sechs Inspektoren blieben nach russischen Angaben jedoch in der Anlage. Zwei IAEA-Experten sollen demnach dauerhaft in dem Akw stationiert werden.

Das seit März von der russischen Armee besetzte Akw Saporischschja sowie dessen Umgebung waren in den vergangenen Wochen immer wieder beschossen worden. Die Kämpfe gingen nach Ankunft der IAEA-Experten weiter. Die Ukraine beschoss am Freitag nach eigenen Angaben einen russischen Stützpunkt nahe des Akw.

Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, die russischen Truppen hätten am Freitag einen Versuch der ukrainischen Truppen „zurückgedrängt“, mit Hilfe von Amphibienfahrzeugen das Atomkraftwerk wieder unter ihre Kontrolle zu bringen.

Am Samstag dauerten die Kämpfe auch in anderen Regionen der Ukraine an. Im Donbass im Osten griff die russische Armee in Richtung von Bachmut und Awdijiwka an, wie die ukrainische Armee mitteilte. Die ukrainische Armee wiederum habe „fünf Angriffe“ nahe Donezk und Piwdenny geflogen.

Im Zentrum des Landes starb ein neunjähriger Junge bei russischen Angriffen, wie die ukrainischen Behörden mitteilten. Zehn weitere Menschen wurden bei den Angriffen in der Region Dnipropetrowsk schwer verletzt. Demnach gab es auch heftige Angriffe in der Region Nowgorod-Siwerks nahe der russischen Grenze mit „mehr als 50 Explosionen“. Opfer gab es demnach keine.

Angesichts der Kämpfe am Akw Saporischschja bot der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan dem russischen Präsidenten Wladimir Putin seine Vermittlung an. Nach Angaben des Präsidialamts in Ankara sagte Erdogan, dass die Türkei „eine Vermittlerrolle“ einnehmen könne, „wie sie es bereits beim Abkommen über das Getreide getan“ habe.

Unter Vermittlung der Türkei und der Uno hatten Russland und die Ukraine im Juli separate Abkommen zur Wiederaufnahme der ukrainischen Getreidelieferungen unterzeichnet. Zuvor waren die Lieferungen aufgrund des russischen Angriffskriegs monatelang blockiert gewesen.

(hebu/dpa/ap)
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