Trotz Beschuss Internationale Atomexperten in AKW Saporischschja eingetroffen

Enerhodar · Trotz anhaltender Kämpfe hat eine internationale Beobachtermission das AKW Saporischschja in der Südukraine erreicht. Die Experten sollen die Sicherheit des AKW gewährleisten. Derweil versuchen beide Seiten, die Beobachter zu instrumentalisieren.

 Rafael Grossi, Chef der Internationalen Atombehörde IAEA, spricht mit nicht identifizierten Behörden. Die Expertengruppe der IAEA für das Atomkraftwerk Saporischschja ist nach Angaben der russischen Besatzungstruppen bereits auf dem von ihnen kontrolliertem Gebiet.

Rafael Grossi, Chef der Internationalen Atombehörde IAEA, spricht mit nicht identifizierten Behörden. Die Expertengruppe der IAEA für das Atomkraftwerk Saporischschja ist nach Angaben der russischen Besatzungstruppen bereits auf dem von ihnen kontrolliertem Gebiet.

Foto: Uncredited/International Atomic Energy Agency/AP/dpa

In Europas größtem Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine ist erstmals seit Beginn des Kriegs vor mehr als einem halben Jahr ein Team von internationalen Experten eingetroffen. Die Beobachtermission der Internationalen Atombehörde IAEA will sich in dem AKW, das seit März von russischen Truppen besetzt ist, ein Bild von den Zuständen machen. Das Kraftwerk mit insgesamt sechs Reaktoren steht immer wieder unter Beschuss. Die beiden Kriegsparteien machen sich gegenseitig dafür verantwortlich. International gibt es zunehmend Sorgen, dass es zu einem nuklearen Zwischenfall kommen könnte.

Vor Ort hat das Team von internationalen Experten mittlerweile seine Arbeit aufgenommen. „Wir haben uns heute eine ganze Menge angesehen und mit der ersten Bewertung begonnen“, sagte der Chef der Internationalen Atombehörde IAEA, Rafael Grossi, der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge am Donnerstag vor Journalisten. „Für mich beginnt die Arbeit jetzt.“

Später erklärte Grossi, die Gruppe habe wichtige Informationen gesammelt und werde ihre Inspektion fortsetzen, die voraussichtlich bis Samstag dauern sollte. „Ich habe die entscheidenden Dinge gesehen, die ich sehen wollte“, sagte Grossi. Die Mitarbeiter in Saporischschja arbeiteten trotz der schwierigen Lage sehr professionell. Grossi erklärte nach seiner Visite im ukrainischen Atomkraftwerk, dass sein Team an der Anlage präsent bleiben werde. Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt, die IAEA setzt jedoch auf einen dauerhaften Einsatz in Saporischschja.

Nach Angaben der IAEA und der ukrainischen Atombehörde Enerhoatom, die das Kraftwerk betreibt, traf das Team am Donnerstag gegen 14.15 Uhr Ortszeit (13.15 Uhr MESZ) in Saporischschja ein. Nur eine Stunde zuvor sei das Kraftwerk noch beschossen worden, berichtete Enerhoatom. Auch der Konvoi der IAEA musste Medienberichten zufolge mehrfach stoppen, um nicht unter Feuer zu geraten. Grossi hatte bei der Abfahrt am Morgen betont, er sei sich über die Gefahren bewusst. Die Mission sei aber zu wichtig, um sie im letzten Moment abzublasen.

Insgesamt hat Grossi 13 Experten an seiner Seite. Diese wollen sich mit dem Betreiberpersonal unterhalten und das Kraftwerksgelände in Augenschein nehmen. Die Belegschaft ist größtenteils ukrainisch. Grossi kündigte an, dass einige Experten für eine längere Zeit in Saporischschja stationiert bleiben sollen.

Um die Mission hatte es ein längeres diplomatisches Tauziehen gegeben. Unter anderem wurde kritisiert, dass der IAEA-Chef die Delegation selbst anführen wolle. Beide Kriegsparteien gaben am Ende der Inspektion ihre Zustimmung zu ihren Bedingungen. So bestand beispielsweise Kiew darauf, dass die Route der Delegation über ukrainisches Territorium führen müsse und die Experten nicht über die bereits seit 2014 von Russland annektierte Krim anreisen.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow betonte erneut Moskaus Bereitschaft, die Beobachtermission zu unterstützen. „Wir erwarten davon Objektivität“, sagte der Minister in Moskau. Russland will sich als verantwortungsvoller Nutzer und Betreiber des AKW präsentieren - und gleichzeitig die Ukraine als Schuldigen für den Beschuss. Die Ukraine wiederum sieht in der Mission eine Chance auf Entmilitarisierung der Zone rund ums AKW. Dies könnte einen ersten Schritt zur Wiederherstellung der Kontrolle über das eigene Hoheitsgebiet bedeuten.

Das Atomkraftwerk Saporischschja ist mit einer Kapazität von 5700 Megawatt die leistungsstärkste Nuklearanlage in Europa. Das Gelände und die dazugehörige Stadt Enerhodar wurden bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieg von den Besatzungstruppen erobert. Seither werden sie von einer moskauhörigen Militärverwaltung kontrolliert. Das Kraftwerk selbst wird jedoch weiterhin von ukrainischem Fachpersonal betrieben.

(mzu/dpa)
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