Räumung in Lützerath „Einer der größten Einsätze der Landesgeschichte“

Aachen · Die Sicherheitskräfte bereiten sich auf eine Mammutaufgabe in dem besetzten Dorf im Rheinischen Revier vor. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul fordert Aktivisten auf, sich von Krawallmachern zu distanzieren.

So sieht es kurz vor der Räumung in Lützerath aus​
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So sieht es kurz vor der Räumung in Lützerath aus

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Foto: dpa/Oliver Berg

Kurz vor der geplanten Räumung Lützeraths hat Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) vor einem harten Kern gewaltbereiter Aktivisten in dem Dorf gewarnt. „Wir haben am Sonntag erlebt, wie der größte Teil friedlich demonstriert hat. Aber gleichzeitig sind da Krawallmacher, die man schon Straftäter nennen muss“, sagte Reul.

Dieser Personenkreis beunruhige ihn sehr. „Sie haben bereits in den letzten Wochen mehrfach mit Steinen auf Polizisten geworfen. Wir haben darauf verzichtet, das öffentlich zu machen, um die Lage nicht aufzuheizen“, so der Minister. Er appellierte an die friedlichen Klimaaktivisten, sich von den Autonomen zu distanzieren: „Ich glaube, es ist an der Zeit, dass die friedlichen Klimaaktivisten sich endgültig von diesen Krawallmachern absetzen.“

Einem Eilverfahren gegen die Räumung des Braunkohledorfs hat am Montag zudem das Oberverwaltungsgericht des Landes NRW eine Absage erteilt. „Die Allgemeinverfügung des Landrats des Kreises Heinsberg zur Räumung der Ortslage Lützerath vom 20. Dezember 2022 hat weiterhin Bestand. Das darin ausgesprochene Aufenthalts- und Betretensverbot ist voraussichtlich rechtmäßig“, heißt es in einer Mitteilung. Das OVG hat damit einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Aachen bestätigt.

Der Energiekonzern RWE will Lützerath, das zu Erkelenz gehört, abreißen, um die darunter gelegene Kohle abzubauen. Boden und Häuser des Ortes, dessen Bewohner inzwischen nicht mehr dort leben, gehören mittlerweile RWE und werden von Aktivisten besetzt gehalten. Vermutlich wird der Ort in dieser Woche geräumt. Dagegen haben die Besetzer Widerstand angekündigt. Sie sehen für das Abbaggern und Verbrennen der Kohle keine Notwendigkeit.

Die Polizei bereitet sich auf einen der größten Einsätze in der Landesgeschichte vor. Kräfte aus vielen anderen Bundesländern werden in Lützerath zusammengezogen. Die Räumung soll nach Polizeiangaben frühestens ab Mittwoch erfolgen und vier Wochen dauern. Die Polizei stehe vor einem „schwierigen, herausfordernden Einsatz mit erheblichen Risiken“, sagte Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach. Einsatzleiter Wilhelm Sauer erklärte, die Räumung sei so kompliziert, weil unter anderem mehrere besetzte Häuser gesichert werden müssten. „Man weiß nicht, was sich hinter den Türen verbirgt. Wir wissen auch nicht, ob Fallen aufgebaut worden sind“, sagte Sauer.

Auch Reul rechnet angesichts einer Reihe von Attacken auf Polizisten im Vorfeld der Räumung mit weiteren Angriffen auf die Beamten in den nächsten Tagen. „Die Krawallmacher werden wir erwischen. Und dann werden sie vor den Richter kommen“, sagte der Minister.

Nicht nur die Krawallmacher bereiten Sorge, auch der Untergrund macht Probleme. Am Rande von Lützerath war es am Sonntag zu einer Unterspülung der Tagebaukante mit Wasser gekommen. Ausgelöst worden sei die Unterflutung durch einen Wasseraustritt aus einem Rohr. Dadurch bestehe in dem darüber liegenden Areal akute Lebensgefahr, hatte die Polizei gewarnt. „Wir wissen immer noch nicht genau, wie das passiert ist. Da hat ja irgendjemand eingegriffen und Wasserleitungen verändert“, sagte Reul.

Die Besetzer haben bereits mehrfach angekündigt, massiven Widerstand gegen die Polizei zu leisten. So haben sie unter anderem Gasflaschen im Boden einbetoniert und eine Vielzahl von Barrikaden errichtet. Sie kündigten zudem an, andere Ziele außerhalb von Lützerath anzugreifen, damit Polizeikräfte aus dem Dorf abgezogen werden müssen.

Einsatzleiter Wilhelm Sauer warnte davor. Es sei möglich, dass der Tagebau selbst, große Geräte, Kohlekraftwerke, Kohlebunker oder Transportwege besetzt würden. Eine Besetzung solcher Großgeräte wäre sehr gefährlich, ebenso wie das Graben am Tagebau selbst. Die Kante sei nicht befestigt, die Absturzhöhe liege bei 30 bis 40 Metern.

Die Grünen haben vor der geplanten Räumung vor einer harten Konfrontation gewarnt. „Ich finde, Deeskalation aller Beteiligten ist jetzt das Gebot der Stunde“, sagte die Co-Vorsitzende Ricarda Lang. Janine Wissler, Vorsitzende der Linken, kündigte am Montag aktiven Protest gegen die Räumung von Lützerath an. Sie werde selbst dorthin fahren „und die Proteste besuchen, ich werde mich dort an Aktionen beteiligen“, sagte Wissler. Sie bezeichnete das Abbaggern des Ortes zur Gewinnung von Braunkohle als Frontalangriff auf den Klimaschutz.

Klimaschutzaktivisten bauen unter Beobachtung der Polizei Barrikaden auf.

Klimaschutzaktivisten bauen unter Beobachtung der Polizei Barrikaden auf.

Foto: dpa/Oliver Berg

Aktivistinnen von Fridays for Future warfen der schwarz-grünen Landesregierung Nordrhein-Westfalens Planlosigkeit vor. Nach einem Gespräch mit der grünen Energieministerin Mona Neubaur zogen die teilnehmenden Aktivistinnen am Montag eine vernichtende Bilanz. „Wir haben leider das Gefühl, dass sie aktuell keinen Plan hat, wie sie das Pariser Klimaschutzabkommen und die Klimaschutzziele in Deutschland einhalten kann“, sagte etwa Pauline Brünger. An dem Austausch hatte auch Deutschlands bekannteste Klimaschützerin Luisa Neubauer teilgenommen.

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