450 Jahre evangelisches Leben in der Stadt Xantens Protestanten feiern Geburtstag

Xanten · Seit mindestens 450 Jahren leben evangelische Christen in der Stadt. Damals sollten sie noch vertrieben werden. Heute dagegen gratuliert der katholische Propst zum Jubiläum, und beide Seiten sprechen voneinander als Geschwister.

 „450 Jahre – was für eine lange Zeit“, sagte Präses Thorsten Latzel. 450 Jahre seien 3400 Sonntage, an denen Menschen sich in der Gemeinde versammelt hätten, um zu beten, gemeinsam Abendmahl zu feiern, auf Gottes Wort zu hören.

„450 Jahre – was für eine lange Zeit“, sagte Präses Thorsten Latzel. 450 Jahre seien 3400 Sonntage, an denen Menschen sich in der Gemeinde versammelt hätten, um zu beten, gemeinsam Abendmahl zu feiern, auf Gottes Wort zu hören.

Foto: Armin Fischer (arfi)

Die Evangelische Kirchengemeinde Xanten-Mörmter feiert 2022 einen runden Geburtstag: Wie aus einer Aktennotiz aus dem 16. Jahrhundert hervorgeht, leben Protestanten schon seit mindestens 450 Jahren in der Stadt. Daran erinnerte die Gemeinde mit einem Festgottesdienst am Ostermontag in der Kirche am Markt. Unter den Gratulanten waren Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thomas Görtz, Bürgermeister der Stadt, und Stefan Notz, Propst der katholischen Propsteigemeinde St. Viktor.

Die Evangelische Kirchengemeinde Xanten-Mörmter sei ein Ort, an dem Menschen seit 450 Jahren Hoffnung und Halt finden könnten, sagte Latzel, der die Predigt hielt und nach dem Gottesdienst auch ein Grußwort sprach. Er rief die Protestanten dazu auf, auch in Zukunft für andere da zu sein, damit auch in 450 Jahren die Menschen die Erfahrung machten, dass Gott ihnen zuhöre und sie rette. Gerade in einer Zeit, die von Corona-Pandemie, Klimawandel und Ukraine-Krieg geprägt seien, in der eine Krise auf die nächste folge, sei eine Gemeinschaft des Glaubens wichtig.

  Zu den Gatulanten gehörten Bürgermeister Thomas Görtz (l.) sowie Propst Stefan Notz (4.v.l.) und weitere Vertreter der Propsteigemeinde.

Zu den Gatulanten gehörten Bürgermeister Thomas Görtz (l.) sowie Propst Stefan Notz (4.v.l.) und weitere Vertreter der Propsteigemeinde.

Foto: Armin Fischer (arfi)

Görtz dankte der Kirchengemeinde Xanten-Mörmter für ihren Einsatz vor allem in der Kinder-, Jugend- und Flüchtlingsarbeit. „Sie sind sehr wertvoll“, sagte Xantens Bürgermeister. In seinem Grußwort nahm er zur aktuellen Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine Stellung. Die Forderung „Frieden schaffen ohne Waffen“ habe seine Berechtigung nicht verloren, aber wenn eine Seite sich nicht daran halte, sei sie „im Moment nicht so tauglich“. Manchmal seien Waffen notwendig, um Frieden wiederherzustellen. „Auch das ist im Sinne unserer Christenheit.“

Propst Notz betonte in seinem Grußwort die Gemeinsamkeiten der evangelischen und der katholischen Kirchen. „Wir gehen einen gemeinsamen Weg.“ Das wünsche er sich gerade in einer Zeit, in der Menschen die Glaubwürdigkeit kirchlichen Handelns infrage stellten, in der christliche Gemeinden kleiner würden und die Kirchen ihre Rolle neu überdenken müssten. In Xanten habe es in den vergangenen 450 Jahren immer schon Frauen und Männer in den beiden Kirchengemeinden gegeben, „die dem Heiligen Geist mehr zugetraut haben, als Bedenkenträger der kirchlichen Institutionen für möglich hielten“.

Propst Notz erinnerte auch an „Verletzungen, Zurückweisungen, Rechthaberei, die ganze katholische Arroganz“ der vergangenen Jahrhunderte. Das solle nicht vergessen oder beschönigt werden, aber die beiden Kirchen auch nicht von einer weiteren ökumenischen Zusammenarbeit vor Ort abhalten. „Zusammen sind wir die Kirche Jesu Christi.“ Propst Notz sprach die Protestanten als Schwestern und Brüder an, er dankte ihnen für die „Geschwisterlichkeit“.

Superintendent Pfarrer Hans-Joachim Wefers antwortete ihm, dass die beiden Kirchengemeinden in Xanten schon seit einigen Jahrzehnten zusammenarbeiteten, aber in der Amtszeit von Propst Notz habe sich diese Zusammenarbeit noch einmal verändert: Katholiken und Protestanten begegneten sich auf Augenhöhe. Die Evangelische Kirchengemeinde liege nicht mehr im Schatten des Doms (im übertragenen Sinne). „Wir spüren sehr deutlich, dass Sie uns als Geschwister wahrnehmen.“

Mindestens vor 450 Jahren war die katholische Kirche mit den Protestanten in Xanten noch anders umgegangen: Wie aus einer Aktennotiz von 2. März 1592 hervorgeht, mussten 1572 etliche Bürger „um der reinen Lehre des Evangeliums willen“ die Stadt verlassen. Einige blieben, pflegten ihre „religiösen Übungen“ aber heimlich. Die Aktennotiz ist der erste schriftliche Nachweis für Protestanten in Xanten. Wahrscheinlich dürften sie also schon vorher in der Stadt gelebt haben. An die mindestens 450 Jahre lange Geschichte des evangelischen Lebens in der Stadt will die Kirchengemeinde noch mit weiteren Veranstaltungen im Herbst erinnern. Der Festgottesdienst war nur der Auftakt.

(wer)
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