Warenhauskonzern: Galeria schließt 16 seiner 92 Warenhäuser
EILMELDUNG
Warenhauskonzern: Galeria schließt 16 seiner 92 Warenhäuser

Vier junge Menschen aus Xanten berichten Abitur – und jetzt?

Xanten · Für viele junge Menschen endet in diesen Tagen die Schulzeit – damit beginnt der Ernst des Lebens, heißt es. Die einen wissen schon ganz genau, was sie machen werden, andere suchen noch ihren Weg. Vier Beispiele von Abiturienten der Gesamtschule in Xanten.

 Unsere Gesprächspartner gehören zum ersten Abitur-Jahrgang der Willi-Fährmann-Gesamtschule in Xanten: (v.l.): Josefin Pötzsch, Alexander Schel, Nadine Lawson und Bertan Poyraz.

Unsere Gesprächspartner gehören zum ersten Abitur-Jahrgang der Willi-Fährmann-Gesamtschule in Xanten: (v.l.): Josefin Pötzsch, Alexander Schel, Nadine Lawson und Bertan Poyraz.

Foto: Ostermann, Olaf (oo)

Nadine Lawson Sie hat ihr Ziel erreicht: „Ich wollte eine Zwei vor dem Komma schaffen“, sagt die 18-Jährige, die an der Willi-Fährmann-Gesamtschule Xanten ihr Abitur machte und am Mittwoch ihr Zeugnis entgegennahm. Durchschnittsnote: 2,8. Seit ihrem ersten Lebensjahr ist sie in Xanten zu Hause, ihre Mutter ist aus Togo (Westafrika) nach Deutschland gekommen und zunächst in Köln gelandet. Dort ist Nadine Lawson auch geboren, genau wie ihre Schwester (14), die die Marienschule besucht. St.-Helena-Kinderhaus, Viktor-Grundschule, Gesamtschule: Für Nadine Lawson, die noch heute mit ihrer Mutter zu Hause nur Französisch spricht, stand ziemlich früh fest, dass sie auf jeden Fall ihr Abitur machen will. Aber nicht auf dem Gymnasium, sondern auf der Gesamtschule. Sie gehört zum ersten Jahrgang der Schule, die 2013 eröffnet wurde. „Wir sind der blaue Jahrgang“, erzählt sie. Das blaue T-Shirt von der Einschulung hat sie immer noch, das wirft sie auch nicht weg. Ihre Noten in der vierten Grundschulklasse seien nicht schlecht gewesen, sie hätte durchaus auch aufs Gymnasium gehen können. „Aber da wollte ich nicht hin. Auch meine Freunde sind alle zur Gesamtschule gegangen.“ Nach der zehnten Klasse musste sie sich entscheiden – und entschied sich fürs Abitur. Englisch und Biologie waren ihre Leistungskurse, als drittes Abiturfach hat sie Pädagogik gewählt, das vierte mündliche Fach war Deutsch.

Und jetzt? Erst mal Pause machen? Für Nadine Lawson, die übrigens fließend ihre Muttersprache Französisch spricht, außerdem Englisch, Spanisch, Deutsch natürlich und Ewe, die Sprache ihrer Mutter, keine Option: Sie will studieren, Sozialpädagogik oder Sozialarbeit. An fünf Universitäten, die diesen Studiengang in NRW anbieten, hat sie sich im Netz beworben: Münster, Dortmund, Duisburg-Essen, Bielefeld und Bergisch-Gladbach. Am liebsten würde sie nach Dortmund gehen, weil dort der Schwerpunkt Migration und Integration angeboten wird. Und weil man in Dortmund auch ein duales Studium machen kann. „Aber dafür hätte ich einen Arbeitsvertrag gebraucht.“ Sechs Semester dauert das Studium, anschließend gibt es die Möglichkeit, in Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern oder beim Jugendamt zu arbeiten. Das würde Nadine Lawson interessieren. Am 15. Juli endet an den Hochschulen die Bewerbungsfrist, ab September werden die Studienplätze ausgelost. Dann entscheidet sich, in welche Stadt es die 18-Jährige verschlagen wird.

Alexander Schel Wie Nadine Lawson ist auch Alexander Schel in Xanten aufgewachsen. Er hat wie sie das St.-Helena-Kinderhaus besucht, war auf der Viktor-Grundschule und ist anschließend zur Willi-Fährmann-Gesamtschule gewechselt. Die beiden sind Nachbarn, kennen sich seit dem Kindergarten. „Mein bester Freund“, sagt die 18-Jährige über den frisch gebackenen Abiturienten, für den genau wie für seine 17-jährige Schwester nur die Gesamtschule in Frage kam, als er die vierte Grundschulklasse beendet hatte. „Meine Noten waren nicht so besonders“, sagt er und lacht. Biologie und Englisch waren seine Leistungskurse, Erdkunde das dritte Abiturfach, Deutsch das vierte – darin wurde er mündlich geprüft. Den Dreier-Schnitt aus der letzten Grundschulklasse hat er beibehalten: Notendurchschnitt 3,4 steht auf seinem Abizeugnis, was für Alex Schel vollkommen in Ordnung ist.

Denn er will weder Medizin studieren, noch sonst ein Fach, für das man einen sehr guten Notenschnitt braucht. Eigentlich will er überhaupt nicht studieren. „Anfangs, als ich mich entschlossen habe, mein Abitur zu machen, da wollte ich studieren. Aber mittlerweile bin ich mir unsicher“. Er könnte sich gut eine Ausbildung vorstellen, in einem kreativen Beruf. Oder etwas mit Sprachen. Was er auf keinen Fall werden will, ist Lehrer. „Ich bin aus der Schule raus, da möchte ich auch nicht wieder hin“, steht für den 19-Jährigen fest. Vielleicht ein freiwilliges Jahr? „Ich glaube nicht“, sagt Alex Schel. Vielleicht geht er erst einmal ins Ausland, für ein halbes Jahr. England würde ihn reizen. Aber da will er sich jetzt noch nicht festlegen, da machen ihm auch die Eltern keinen Druck.

Josefin Pötzsch Auch für Josefin Pötzsch ist mit der Zeugnisübergabe und dem Abiball am 16. Juni bei Schippers die Schulzeit zu Ende gegangen. Die 18-Jährige, in Bergisch Gladbach geboren, ist mit zehn Jahren mit ihrer Mutter und den beiden Geschwistern nach Xanten gezogen. Sie ist zur Gesamtschule gegangen, weil das Gymnasium nichts für sie gewesen sei und die damalige Walter-Bader-Realschule ein Auslaufmodell war. Die Marienschule, eine reine Mädchen-Realschule in katholischer Trägerschaft, sei auch nicht in Frage gekommen. Die Diversität in der Gesamtschule, die gefalle ihr sehr. „Hier gibt es für jeden einen Platz. Da gibt es Leute aus verschiedenen Kulturen und auch Menschen, die nicht so privilegiert aufgewachsen sind.“ Eigentlich wollte sie nach der zehnten Klasse abgehen. „Aber weil ich schon auf der Gesamtschule war und alles kannte, da habe ich gedacht: Ok, dann bleib ich hier und mache mein Abi. Als Absicherung quasi, falls ich später doch noch studieren will.“ Außerdem mache sich ein Abitur doch gut im Lebenslauf, sagt sie und lacht.

Biologie und Englisch waren ihre Leistungsfächer, drittes Abifach war Deutsch, die mündliche Prüfung hat sie in Philosophie gemacht. Mit ihrem Notenschnitt sei sie zufrieden. „Ich habe einen 2,8-er Schnitt, das ist okay dafür, dass ich eigentlich gar kein Abitur machen wollte.“ Jetzt macht Josefin Pötzsch erst einmal Bufdi (Bundesfreiwilligendienst), geht für ein Jahr zur Marienbaumer Grundschule, will die Zeit nutzen, um sich klar zu werden, wohin für sie die Reise geht. Weg aus Xanten, das auf jeden Fall, sagt sie. „Hier kann man sich niederlassen, wenn man Kinder hat. Oder Rentner oder Rentnerin ist.“ Vielleicht macht sie eine Ausbildung, vielleicht studiert sie. Kunst allerdings auf keinen Fall, obwohl sie „ganz gut zeichnen“ kann. „Aber man sollte niemals sein Hobby zum Beruf machen“, findet die 18-Jährige.

Bertan Poyraz Er wusste schon als Kind, was er einmal werden will: Jurist. Und dann in der Kanzlei der Tante in Düsseldorf einsteigen und sie übernehmen, wenn die Tante, Schwester seines in Trabzon an der Schwarzmeerküste geborenen Vaters, in Rente geht. Fürs Jurastudium braucht es natürlich ein Abitur. Aber danach sah es am Ende der vierten Klasse in der Alpener Grundschule erstmal nicht aus. „Ich war nicht so gut in der Schule, hatte einen Vierer-Schnitt“, gibt der 18-Jährige zu. Den hat er längst wett gemacht, hat in der zehnten Klasse auf der Willi-Fährmann-Gesamtschule einen Notendurchschnitt von 1,2 hingelegt. Was Folgen hatte: „Mein damaliger Klassenlehrer rief mich an und sagte, ich könne eine Klasse überspringen.“ Zwei Tage hat Bertan Poyraz drüber nachgedacht, dann ist er gesprungen, von der zehnten direkt in die zwölfte Klasse. Englisch und Deutsch waren im Abi seine Leistungsfächer, drittes Abiturfach war Biologie, mündlich wurde er in Geografie geprüft. Die Gesamtschule sei für ihn genau die richtige Schule gewesen, sagt er. Die Gruppengemeinschaft, die schätzt er sehr. Und die Lehrer, die seien etwas ganz Besonderes. „Die sind immer für dich da, unterstützen dich.“

 Der erste Abitur-Jahrgang der Willi-Fährmann-Gesamtschule in Xanten: 49 junge Frauen und Männer erhielten am Mittwoch ihre Abschluszeugnisse.

Der erste Abitur-Jahrgang der Willi-Fährmann-Gesamtschule in Xanten: 49 junge Frauen und Männer erhielten am Mittwoch ihre Abschluszeugnisse.

Foto: Ostermann, Olaf (oo)

Mit seinem Notendurchschnitt von 2,4 ist er zufrieden, obwohl: „Es hätte besser sein können für Jura.“ Denn an den Universitäten gibt es einen Numerus Clausus fürs Jura-Studium, der liegt in Düsseldorf bei 1,7, in Münster noch darunter. Von seinem Wunsch zu studieren rückt Bertan Poyraz trotzdem keinen Millimeter ab. Und Jura liegt quasi in der Familie: Ein Großteil der Verwandtschaft hat Jura studiert, lebt und arbeitet in Istanbul und Ankara. Eine Ausbildung, so wie sein 22-jähriger Bruder, der Bürokaufmann gelernt hat, käme für ihn nicht in Frage. Jura hat es ihm angetan, „Strafrecht und Gesellschaftsrecht, da will ich hin.“ Düsseldorf, Köln, Heidelberg, Münster, Berlin kommen als Studienorte in die engere Auswahl. Der 18-Jährige kalkuliert ein Wartesemester ein. Aber selbst wenn er schon zum Wintersemester einen Studienplatz bekommt, will er erst einmal reisen, nach Bali, von Anfang November bis Mitte Dezember.

(jas)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort