Flucht aus Syrien „Man muss seine Träume leben“

Wermelskirchen · Safaa Sawan ist 2016 mit ihren drei Kindern aus Syrien geflohen. In Wermelskirchen wurde sie gut aufgenommen und hat hier ihre neue Heimat gefunden. Im BM-Interview spricht sie über ihre Flucht und ihre Träume.

 Safaa Sawan im Gespräch mit Redaktionsmitglied Wolfgang Weitzdörfer.  Foto: Jürgen Moll

Safaa Sawan im Gespräch mit Redaktionsmitglied Wolfgang Weitzdörfer. Foto: Jürgen Moll

Foto: Jürgen Moll

Frau Sawan, wo wurden Sie geboren?

Safaa Sawan Ich komme ursprünglich aus Idlib in Syrien. Ich bin Anfang 2016 mit meinen beiden Töchtern und meinem Sohn geflohen.

Warum mussten Sie Ihre Heimat verlassen?

Sawan Der Krieg war die hauptsächliche Ursache dafür, dass ich geflohen bin. Dazu kam, dass ich in Syrien Angst um die Zukunft meiner drei Kinder hatte.

Können Sie die Geschichte Ihrer Flucht kurz erzählen?

Sawan Wir waren damals in Aleppo. Dort war das Assad-System sehr stark, deswegen sind wir zunächst nach Idlib gegangen. Von dort sind wir durch Wälder und Gelände in drei Stunden in der Nacht in die Türkei geflohen. Mit einem Schlauchboot, auf dem ungefähr 40 Menschen waren, sind wir dann von der Türkei nach Griechenland gefahren. Es war ein Boot, das eigentlich für zehn Menschen ausgelegt ist. Zum Glück ist das gut gegangen. Wir waren dann zuerst drei Tage auf griechischen Inseln gewesen, ehe wir nach Athen mit einem großen Boot weitergefahren sind. Weitere Stationen mit dem Bus und zu Fuß waren dann Mazedonien, Serbien, Kroatien, Österreich und schließlich Deutschland. Am 28. Januar 2016 sind wir dann in Deutschland angekommen.

Wie sind Sie dann nach Wermelskirchen gekommen?

Sawan Bevor wir nach Wermelskirchen kamen, waren wir für einige Monate in Belgien. Wir sind mit dem Zug dorthin gefahren. Wegen des Dublin-Abkommens mussten wir dann aber zurück nach Deutschland, im November 2016 ging es zunächst nach Dortmund, nach Wickede und dann schließlich nach Wermelskirchen. Diese Flucht mit drei Kindern war wirklich schlimm.

Können Sie die erste Zeit hier schildern – wie haben Sie sich gefühlt?

Sawan Am Anfang waren wir für einen Monat in einem Flüchtlingsheim, das war nicht besonders schön. Danach hat das Sozialamt dafür gesorgt, dass ich mit den Kindern in eine kleine Wohnung konnte. Mein Sohn war damals zwölf Jahre alt, die beiden Mädchen zehn und fünf Jahre.

Wie sind Sie in Deutschland aufgenommen worden?

Sawan Die Menschen waren sehr freundlich. Ich fühlte mich auch sehr gut aufgenommen, auch weil die Zeit in Belgien nicht besonders schön war. Zum Beispiel hätte ich dort den Familiennachzug nicht machen können und ich wollte schon, dass mein Mann nachkommen kann. In Wermelskirchen waren die Menschen aber besonders nett und hilfsbereit, vor allem von „Willkommen in Wermelskirchen“. Ich bin bereits in der ersten Woche, in der ich hier war, zum Café International gegangen. Dort habe ich auch Cornelia Seng kennengelernt, sie ist ein sehr guter, hilfsbereiter Mensch. Ganz wichtig sind Stefan Rojewski und seine Familie für mich. Ihn habe ich bei der Tafel kennengelernt – er hilft mir bis heute bei allen möglichen Dingen. Auch seine Tochter, die unsere Nachbarin ist, hat mir sehr viel beim Deutschlernen geholfen. Damals konnte ich nur Englisch, im Heim hatte ich nur ein paar Brocken Deutsch gelernt. Ich wollte schnell Deutsch lernen. In dieser Zeit habe ich viele im Café International viele Menschen kennengelernt. Das war alles sehr, sehr hilfreich. Man hat mir nicht nur mit den Behördengängen geholfen, sondern auch mit meinen Gefühlen, um mit der Flucht klarzukommen.

Wie lange hat es gedauert, bis Ihr Mann nachkommen konnte?

Sawan Durch den Familiennachzug konnte mein Mann vor zehn Monaten nachkommen. Seitdem sind wir hier wieder zusammen.

Was sind die größten Unterschiede zwischen Syrien und Deutschland?

Sawan Es gibt natürlich viele Unterschiede. Das Leben ist hier ganz anders als in Syrien. Zum Beispiel gibt es in Syrien fast nur Muslime, hier gibt es viele unterschiedliche Religionen. Das Leben ist in Deutschland oft komplizierter, gerade was mit Bürokratie zu tun hat. Das gibt es zwar in Syrien auch, aber eben nicht für jeden Lebensbereich. Das ist ein großer Unterschied.

Haben Sie sich mittlerweile in Wermelskirchen eingewöhnt?

Sawan Ja, ich habe noch gestern zu Dorothea Hoffrogge von der Evangelischen Kirchengemeinde gesagt, dass Wermelskirchen jetzt zu meiner Heimat geworden ist.

Wie haben Sie die Sprache gelernt? War das nicht sehr schwer?

Sawan Ich konnte ja bereits ein wenig Englisch, da ich in Syrien studiert habe. Das heißt, ich kannte das Alphabet bereits und musste es nicht neu lernen. Aber die deutsche Sprache ist schon nicht einfach, viele Worte sind sehr lang und kompliziert. Auch die Aussprache ist nicht einfach. Wenn man aber eine Sprache lernen möchte, dann kann man das auch schaffen. Ich habe viel im Internet gelesen, jeden Tag versuche ich neue Worte zu lernen. Meine Deutsch-Lehrerin, die ich im Flüchtlingsheim hatte, war sehr freundlich und konnte selbst auch ein wenig Englisch, so dass sie mir beim Lernen helfen konnte. Ich habe den B1-Kursus bestanden, den B2-Kursus werde ich noch einmal machen, da ich ihn nur knapp nicht bestanden habe.

Wie war das für die Kinder?

Sawan Die waren auch mit im Unterricht. Und die haben sehr viel gelernt. Mittlerweile sprechen sie besser Deutsch als Arabisch. Meine kleine Tochter konnte schon nach sechs Monaten sehr gut Deutsch, jetzt kann sie es perfekt – ich kann das nicht so gut beurteilen, aber die Leute sagen das zumindest. Sie ist in der Grundschule, ihre Schwester besucht die Martin-Buber-Förderschule. Der Älteste ist in der neunten Klasse im Gymnasium.

Wo sehen Sie Ihre Zukunft – in Deutschland oder in Syrien?

Sawan Ich möchte hierbleiben, ich sehe meine Zukunft hier in Deutschland. Ich kann auch nicht zurück nach Syrien, nicht nur wegen des Krieges, sondern auch wegen des Assad-Regimes. Es ist zu gefährlich für mich. Auch wenn der Krieg jetzt nicht mehr ganz so schlimm ist, ist es doch ein zerstörtes Land, es gibt dort keine Sicherheit und keinen Frieden für meine Familie und mich. Unsere Zukunft ist in Deutschland. Wir haben die Sprache gelernt und lernen auch weiter.

Welche Perspektiven sehen Sie für die Zukunft?

Sawan Ich habe in Syrien ein Studium als Bauingenieursassistentin gemacht, damit ich das hier anerkannt bekommen könnte, müsste ich noch zwei oder drei Jahre Ausbildung dranhängen. Ich helfe im Moment bei Willkommen in Wermelskirchen und im Café International aus, für sieben Monate habe ich auch in einem kirchlichen Kindergarten ausgeholfen. Ich habe einen Traum, ich möchte Krankenschwester werden. Als nächstes möchte ich ein Praktikum machen, ich hoffe, dass das klappt. Dieser Traum hat angefangen, als ich 2016 hier nach Deutschland gekommen bin. Ich weiß nicht, ob es möglich ist, da ich noch nicht so gut Deutsch spreche. Aber ich will es auf jeden Fall versuchen. Man muss seine Träume leben.

Wolfgang Weitzdörfer stellte die Fragen.

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