Volkstrauertag in Wermelskirchen Völker trauern gemeinsam am Gedenktag

Wermelskirchen · In einer bewegenden Veranstaltung zum Volkstrauertag am Sonntag erinnerten die Redner im Hüpptal an Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft – früher und heute. Auch Menschen aus der Ukraine gestalteten die Gedenkfeier mit.

 Erinnerung und Mahnung zugleich: Zu den Rednern am Volkstrauertag gehörte auch Victor Dmytruk (r.), der vor dem Krieg aus der Ukraine geflohen ist.

Erinnerung und Mahnung zugleich: Zu den Rednern am Volkstrauertag gehörte auch Victor Dmytruk (r.), der vor dem Krieg aus der Ukraine geflohen ist.

Foto: Theresa Demski

Am Sonntagmittag treffen sie aufeinander: Die Erinnerungen der Zeitzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg und die Erfahrungen der Menschen aus der Ukraine. Gemeinsam stehen Friedel Burghoff, Lilja Ferens-Derepa und Victor Dmytruk am Gedenkstein in den Hüppanlagen, der zum Volkstrauertag mit Blumenkränzen geschmückt ist. Sie haben ein paar Zeilen aufgeschrieben für diesen Tag, der dem Gedenken gewidmet ist. Es herrscht eine besondere Atmosphäre: 77 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird in Europa wieder Krieg geführt. Und deswegen ist es Stadt und Kirchengemeinde wichtig, dass in diesem Jahr Zeitzeugen von damals und heute zu Wort kommen.

Friedhelm Burghoff erzählt von seinem Vater, von Walter Scheidler und Erich Burghoff, die am 1. September 1939 gemeinsam besorgt in die Welt blickten: „Das wird ein fürchterliches Ende nehmen“, befanden die drei Männer. Es nahm ein fürchterliches Ende. „Als Putin die Ukraine überfiel, hatte ich ein sehr beklemmendes Gefühl im Bauch“, sagt Burghoff und dann hält er ein flammendes Plädoyer für die Demokratie – vor allem in schweren Zeiten.

In diesen Aufruf stimmt Lylia Ferens-Derepa ein, die von ihrer Flucht aus der Ukraine erzählt. „Wir sind geflohen, um die Kinder vor diesem furchtbaren Krieg zu retten“, erzählt sie, „um zu überleben und das wertvollste zu schützen: die nächste Generation.“ Dann stellt sie mit Blick auf den schweren Stein im Hüpptal fest: „Die Welt hat sich verändert. Aber die Menschen scheinen sich nicht verändert zu haben. Ein Krieg ersetzt den anderen, ein Tyrann ersetzt den anderen.“ Auch Victor Dmytruk aus der Ukraine schlägt jene beklemmende Brücke zwischen den Kriegen. Er hätte nie erwartet, irgendwann seine Heimat verlassen zu müssen – auf der Flucht vor Bomben.

„Ihre Familien in Deutschland haben ihre eigenen schmerzhaften Geschichten mit Krieg“, sagt er, „jetzt ist es Zeit, Schlussfolgerungen zu ziehen.“ Künftigen Generationen müsse eine Welt ohne die schrecklichen und unnötigen Folgen eines Krieges ermöglicht werden. „Wir müssen in die Augen des Schmerzes blicken und verstehen, wie falsch Menschen liegen können und wie hoch der Preis für solche Fehler ist“, sagt Dmytruk.

Ben Platte und Jamie Hübner, Schüler des Gymnasiums, erinnern dann an die verheerenden Fehler in der deutschen Geschichte: Sie erzählen von den Opfern der Euthanasie im Dritten Reich. „Wir haben den Eindruck, dass diese Opfer manchmal zu einer vergessenen Randgruppe werden“, sagt Jamie Hübner. Deswegen hätten sie in der Projektwoche Akten gewälzt und kleine Biografien geschrieben, um ihr Leid nicht vergessen zu lassen. Gleichzeitig erinnert Ben Platte an Courage und Widerstand: Er erzählt die Geschichte von Else und Oskar Lambeck, die im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter versteckten.

Und so klingt im Gedenken dieses Volkstrauertages vielleicht noch lauter der Aufruf zum Handeln mit, zum Aufstehen für den Frieden, zum Ende des Schweigens: „Im vergangenen Jahr haben wir an diesem Gedenkstein gestanden und gesagt: Nie wieder! Nie wieder Krieg!“, erinnert Pfarrerin Sabrina Frackenpohl-Koberski. Aus diesem „Nie wieder“ sei in diesem Jahr ein „Wieder“ geworden. „Heute fangen wir nochmal neu an mit unserem ‚Nie wieder‘“, sagt die Pfarrerin, „wir machen unsere Herzen weit, lächeln trotzig dem zu, der es immer noch nicht verstanden hat: Krieg ist nie eine Lösung.“ Und sie appelliert, den Frieden im Kleinen zu suchen. „Er fängt bei jedem Einzelnen an“, sagt die Pfarrerin. Dann stimmen die Musiker des Posaunenchores eine Melodie an. Tränen laufen.

Auch Bürgermeisterin Marion Lück, die ihre Redezeit an Zeitzeugen und Jugendliche abgetreten hat, tritt sichtlich bewegt vor die Menschen. „Wir haben uns manchmal gefragt: Ist dieser Volkstrauertag noch zeitgemäß?“, sagt sie und blickt in die Runde, „wer heute zugehört hat, weiß: Es bleibt wichtig, den Opfern zu gedenken.“

Dann wird ihre Stimme ein bisschen bestimmter: „Und ich bitte Sie“, sagt sie eindringlich: „Lassen Sie uns das Richtige tun! Und lassen Sie uns für Frieden und Demokratie einstehen.“

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