Europawahl Wie Martin Schulz in Viersen für die EU kämpft

Kreis Viersen · Der SPD-Abgeordnete wirbt beim Besuch in Viersen für die Europäische Union und erklärte, wie der Kreis Viersen von ihr profitiert.

 Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Schulz war zu Gast in der RP-Redaktion in Viersen. Am gleichen Tag absolvierte er unter anderem noch Wahlkampftermine in Oberhausen und Geldern.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Schulz war zu Gast in der RP-Redaktion in Viersen. Am gleichen Tag absolvierte er unter anderem noch Wahlkampftermine in Oberhausen und Geldern.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Eben noch war Martin Schulz in Schwäbisch Hall und Pforzheim, jetzt sitzt er im Konferenzraum der RP-Lokalredaktion in Viersen, eine knappe Stunde später geht’s weiter nach Oberhausen und Geldern. Der ehemalige Kanzlerkandidat der SPD und einstige Präsident des Europäischen Parlaments kommt ganz schön rum auf seiner Wahlkampftour durch Deutschland. Gestenreich spricht er über Donald Trump und „Mutti“ Merkel, über Rechtspopulismus in Europa, den „Viersener Weck“, Pizza Napoletana und den europäischen Binnenmarkt. Da fällt es kaum noch auf, dass er eigentlich ziemlich müde aussieht an diesem Donnerstagmorgen.

Gemeinsam mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Udo Schiefner und dem SPD-Landtagsabgeordneten Hans Smolenaers ist Schulz zum Kurzbesuch in der Stadt. „Ich freue mich, dass Martin im Kreis Viersen den Wahlkampf unterstützt“, sagt Schiefner. „Wir arbeiten in Berlin eng zusammen.“ Schulz kennt die Wirtschaftsstruktur des Kreises zwar nicht genau, weiß aber, dass es dort grenzüberschreitende Wirtschaftsaktivitäten gibt, in der Region viele Mittelständler angesiedelt sind. „Ein starker europäischer Binnenmarkt ist für eine exportorientierte Region wie den Kreis Viersen von starker Bedeutung“, sagt er.

Erschließung des Weltmarktes, Schutz durch die EU vor unlauterem Wettbewerb: Schulz ist überzeugt, „wenn man das richtig macht, profitiert auch der Kreis Viersen davon. Wenn man das falsch macht, werden irgendwann Unternehmen zum Beispiel aus China aufgekauft.“ Und: „Wenn die EU Standards festlegt zum Umweltschutz, zu Tariflöhnen – und Waren den Zugang zum Binnenmarkt verweigert, die diese Standards nicht erfüllen – dann jubeln auch die Mittelständler im Kreis Viersen.“ Da gebe es den lokalen Café-Betreiber, der Gewerbesteuer zahlt, ein amerikanischer Kaffee-Konzern setze sich daneben und zahle keinen Cent – darum gehe es in Europa.

Die EU ist bekannt für so manche Richtlinie und Regularie, die vielen Europäern ein Kopfschütteln entlockt. Zulässige Gurkenkrümmung (Schulz: „Es gibt überhaupt gar keine Richtlinie zur Gurkenkrümmung, gibt es nicht, aber es gibt das Vorurteil“), auf Wunsch von Pizzabäckern verfasste Vorgaben für die Zubereitung einer Pizza Napoletana: „Da bin ich der Meinung, da muss sich die EU raushalten“, sagt Schulz. „Das wäre so, als würde ein Bäcker einen ,Viersener Weck‘ erfinden und dann EU-weit dafür Regularien durchsetzen wollen.“ Richtlinien, Regularien: Das sei jetzt auch nicht entscheidend. „Die EU soll sich aus kleinteiligem Blödsinn raushalten und sich auf die großen Fragen unserer Zeit konzentrieren. Die EU muss da ansetzen, wo der Nationalstaat an seine Grenzen stößt“, sagt Schulz.

In vielen Projekten im Kreis – etwa Wanderwege in Nettetal, Stadtentwicklung in Viersen – stecken Fördergelder der EU. Als Wahlkampfthema eignet sich das für Schulz aber weniger: „Ich glaube nicht, dass wir die Menschen über das Darstellen von Förderbescheiden gewinnen werden.“ Die Anti-EU-Haltung im Land ist für ihn nur eine „gefühlte“: „Die Meinungsumfragen sagen etwas anderes. 81 Prozent der Leute sagen, die Mitgliedschaft in der EU sei etwas Gutes. Und unter den verbleibenden 19 Prozent sind viele nicht entschieden. Es gibt nur einen kleinen Teil, der offen anti-europäisch ist. Aber diese Leute bestimmen die Debatte.“

Die Verführung, die Unzufriedenheit resultiere aus dem Gefühl, dass Europa schwächer werde, erläutert der Sozialdemokrat. Also müsse es gestärkt werden. „Wir sind in Zeiten, in denen du große Entwürfe brauchst und die verteidigen musst. Man muss Europa einen Geist geben.“ Es komme der Zeitpunkt, an dem sich die Menschen entscheiden müssen, ob sie die Renationalisierung wollen. „Wenn sie das wollen, werden China und die USA das 21. Jahrhundert beherrschen.“ Aber: „Die eigentliche Entscheidungsschlacht wird in den Hauptstädten der Mitgliedsstaaten ausgetragen.“

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