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Veener Dorfgespräche „Ein Dorf ist Wertschätzung im Kleinen“

Veen · Was ist ein Dorf, wie muss ein Dorf sein und welche Herausforderungen gibt es: Veens Ortsvorsteher Michael van Beek gibt Antworten.

 Ein Kollege hat die Heimat gezeichnet, die wir früher oft verflucht haben, den meisten von uns aber doch schwer ans Herz gewachsen ist. Es ist eine Karte eines typisch niederrheinischen Dorfes geworden.

Ein Kollege hat die Heimat gezeichnet, die wir früher oft verflucht haben, den meisten von uns aber doch schwer ans Herz gewachsen ist. Es ist eine Karte eines typisch niederrheinischen Dorfes geworden.

Foto: Phil Ninh/RP Online/Phil Ninh

Guten Tag Herr van Beek, was ist eigentlich ein Dorf?

Michael van Beek Ein Dorf ist eine gewachsene Ansiedlung von Gebäuden mit Kirche, Schule und Kneipe in der Mitte und landwirtschaftlichen Anwesen drumherum. Für viele von uns ist Dorf aber auch Heimat, Wohnort und Lebensgefühl.

New York, Rio, Tokio: Was macht Ihrer Meinung nach ein Dorf wie Veen so reizvoll?

Van Beek Dass man die Leute kennt und dass man sich auf der Straße grüßt. Ein Dorf ist Wertschätzung im Kleinen. Alles ist überschaubar. Das Angebot ist zwar begrenzt, es überfordert aber auch nicht. Für mich persönlich hat das Dorf eine hohe Wohnqualität. Ich möchte nicht an einer Hauptverkehrsstraße wohnen. In einer Großstadt, wo ich nicht weiß, in welchen Kinofilm ich am Abend gehen soll.

Michael van Beek wohnt auf einer „Anlieger frei-Straße“ zwischen Veen und Sonsbeck. Insgesamt gibt es vier Häuser auf dieser Straße. Der nächste Nachbar liegt 300 Meter entfernt. Bis zum Dorfkern muss er gut zwei Kilometer mit dem Rad fahren. Wenn er aus dem Wohnzimmer schaut, blickt er auf die Sonsbecker Schweiz. Eine wunderbare Aussicht. Er erzählt von einem Reh, das gerne die Blätter der Rosensträucher an seiner Terrasse frisst.

Und was ist mit dem, der nicht grüßen will?

Van Beek Es gibt sicherlich auch Dorfbewohner, die hier nur schlafen und sich für nichts anderes interessieren. Man kann schließlich niemanden zwingen. Grundsätzlich wird hier aber niemand ausgeschlossen, wir sind für alle offen. Vielfalt ist eine Bereicherung. Und diejenigen, die im Dorf zu Hause sind, die grüßen sich. Die heben automatisch die Hand, wenn ein bekanntes Kennzeichen, ein bekannter Trecker auf der Straße entgegenkommt.

Und was ist mit dem, der im Dorf wohnen möchte, aber keinen Platz findet?

Van Beek Das ist unser größtes Problem. In Veen gibt es nur noch Lückenbebauung, und nicht jeder Eigentümer möchte sein Grundstück verkaufen. Da haben wir keine Handhabe, aber wir können darüber reden. Das wird ein Thema der „Veener Dorfgespräche“ sein.

Kein Bauland ist das eine, kein Supermarkt, keine Bank das andere. Es wird immer unattraktiver auf dem Land zu leben, wenn Nahversorgung und Infrastruktur nicht mehr da sind. Wie kann ein Dorf  ein Ausbluten vermeiden?

Van Beek Auch hier haben wir keine Handhabe. Wir können nur appellieren, das, was da ist, auch zu nutzen. Wenn wir nicht in die Kneipe gehen, kann der Wirt nicht leben. Wenn wir nur noch im Internet einkaufen, stirbt der lokale Einzelhandel. Letztendlich stimmen wir alle mit den Füßen ab. Unser Konsumverhalten hat sich verändert – nicht gerade zum Vorteil des Dorfes.

Muss nicht auch das Dorf moderner werden – Stichworte Digitalisierung und Globalisierung?

Van Beek Natürlich muss das Dorf mit der Zeit gehen. Das Dorf ist ein Teil von Europa, und Europa muss auch im Dorf möglich sein. Das heißt auch, dass wir eine vernünftige Breitbandversorgung haben müssen. Die Gesellschaft ist im Wandel, das Dorf muss mitgehen.

Wie sieht dann das Dorf 4.0 aus?

Van Beek Im schlimmsten Fall ist es eine reine Schlafstätte, wo nichts los ist. Kein Vereinsleben. Keine Kneipe. Keine Schule. Kein Kindergarten. Die Kirche hat zugemacht. Das ist der worst case. Im Wunschdorf der Zukunft hat man die Möglichkeit, immer noch etwas zu bekommen. Es gibt Infrastruktur wie Schule und Kindergarten. Es gibt Leute, die eine Nische gefunden haben und Arbeitsplätze schaffen. Und es gibt eine vernünftige Verkehrsanbindung. Veen zum Beispiel hat eine vernünftige Verkehrsanbindung. Die Autobahn ist nicht weit, von Alpen aus kann man mit dem Zug nach Duisburg fahren. Von dort aus steht einem die Welt offen.

 Michael van Beek liebt es, auf dem Dorf zu wohnen. Felder, Wiesen, weite Wege, das alles hat für ihn Wohnqualität.

Michael van Beek liebt es, auf dem Dorf zu wohnen. Felder, Wiesen, weite Wege, das alles hat für ihn Wohnqualität.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Veen ist ein Musterdorf. Hier gibt es Vereinskultur, Menschen, die etwas bewegen. Lukas Hegmann von der Landjugend zum Beispiel. Warum ist das so?

Van Beek Wir haben das Gemeinschaftsgefühl über die Zeit gerettet. Früher war man auf die Hilfe der anderen angewiesen, heute ist das nicht mehr der Fall. In Veen lernen die Kinder immer noch von ihren Eltern, was es heißt, etwas für den anderen zu tun, jemanden für etwas zu begeistern.

Dafür braucht es Köpfe. Sie sind so einer. Sie sind Ortsvorsteher.

Van Beek Meine Aufgabe ist es, der Spielführer im Fußball zu sein. Aber ich bin nur gut, wenn mein Team auch mitspielt. Es muss jemanden geben, der die Begrüßung macht. Und es muss jemanden geben, der mich unterstützt. Sonst können wir kein Spiel gewinnen. Mein Stellvertreter Aloys van Husen zum Beispiel macht jedes Jahr eine Kirmeswette. Da macht das ganze Dorf mit. Lukas Hegmann hat im Sommer eine Silofolie zu einer großen Wasserrutsche umfunktioniert. Das alles ist positiv verrückt.

Und was ist negativ im Dorf? Gibt es Außenseiter?

Van Beek Wir haben hier keine heile Welt. Von Außenseitern würde ich allerdings nicht sprechen. Es gibt Leute, die finden es gut, was im Dorf geschieht, und es gibt Leute, die interessieren sich eben nicht dafür. Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft, aber wir haben keinen eisernen Ring nach außen. Hier wird niemand ausgegrenzt.

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