Ringen Vom Niedergang einer Sportart

Ringen · Die 8:27-Schlappe beim Tabellenletzten Adelhausen markiert den Tiefpunkt in der jüngeren Vereinsgeschichte des KSK Konkordia. Doch nicht nur in Neuss sind die Ringer im Tiefflug begriffen

 Glänzende Perspektiven sehen anders aus als die von Sergyi Skrypka (r.). Doch nicht nur bei Konkordia Neuss liegt vieles im Argen in der deutschen Ringerwelt – der Verband übt sich in Durchhalteparolen und Allgemeinplätzen.

Glänzende Perspektiven sehen anders aus als die von Sergyi Skrypka (r.). Doch nicht nur bei Konkordia Neuss liegt vieles im Argen in der deutschen Ringerwelt – der Verband übt sich in Durchhalteparolen und Allgemeinplätzen.

Foto: woi

Als Wilfried Dietrich am 6. September 1972 während der Olympischen Spiele von München den amerikanischen 182-Kilo-Koloss Chris Taylor mit einem spektakulären Untergriff auf die Schultern zwang, jubelte eine ganze Nation. Wenn am 5. August 2012 bei den XXX. Olympischen Spielen in London die Ringerwettbewerbe beginnen, könnte unter den 344 Teilnehmern ein einziger Deutscher sein.

Krasser lässt sich der Niedergang einer Sportart kaum beschreiben. Bei den Verantwortlichen des Deutschen Ringerbundes (DRB) schrillen trotzdem keine Alarmglocken. Konsequenzen hat es nach dem WM-Debakel von Istanbul, wo der fünfte Platz (und die damit erreichte Olympiaqualifikation) von Frank Stäbler (TSV Musberg) der zugleich größte und einzige Erfolg war, keine gegeben.

"Konsequenzen in Form von Trainerentlassungen sind unserer Meinung nicht der richtige Weg", sagt DRB-Vizepräsident Günter Maienschein. Dabei wartet der Verband, der meist frühere Medaillengewinner wie Maik Bullmann oder Alexander Leipold zu Bundestrainern macht, schon lange auf Erfolge.

2007 holte die Ückeratherin Steffi Groß die letzte WM-Medaille für den DRB. Bei den Männern liegt ein solches Ereignis noch weiter zurück — 2005 im griechisch-römischen, 1999 (!) im freien Stil.

Einen Zusammenhang mit der Bundesliga, in der Woche für Woche Athleten aus aller Herren Länder auf die Matte gehen, schließtMaienschein aus: "Die Bundesliga ist nicht hinderlich für die Leistungsentwicklung, ganz im Gegenteil. Wo gibt es bessere Trainingspartner als hier?"

Das mag für eine Handvoll Ringer richtig sein. Doch den Talenten — der DRB holte 2011 immerhin 20 Medaillen bei internationalen Meisterschaften im Nachwuchsbereich — wird der Weg nach oben verbaut. Im Zeitalter der Billigflieger scheint es preiswerter, Mattenkünstler aus Bulgarien, Ungarn, Russland oder der Türkei zu jedem Kampf einfliegen zu lassen als Geduld bei der Förderung des eigenen Nachwuchses zu haben.

So musste der KSK Konkordia Neuss vor Saisonbeginn Athleten wie Björn Holk, William Harth und Patrick Loes ziehen lassen, weil er sie angeblich nicht mehr bezahlen konnte. Stattdessen wurden drei Türken, zwei Schweden, zwei Bulgaren, ein Russe und ein Georgier neu verpflichtet.

Das Ergebnis ist bekannt: Konkordia steht nach der 7:28-Schlappe zum Rückrundenstart beim bis dahin sieglosen TuS Adelhausen auf dem letzten Tabellenplatz. Von den bisher 90 Bundesligakämpfen haben die 19 eingesetzten Neusser Ringer genau ein Drittel gewonnen.

Die Bilanz der Neuverpflichtungen — Yusuf Turkaya zwei Siege, sechs Niederlagen, Georgi Zlatanski zwei Siege, sechs Niederlagen, Yusuf Köse null Siege, drei Niederlagen, Lennie Persson zwei Siege, vier Niederlagen, Ismail Baygus zwei Siege, sieben Niederlagen — sähe mit Nachwuchskräften aus der Region sicher nicht viel schlechter aus. Verantwortlich für diese Personalpolitik ist Ayhan Aytemiz. Neben seiner Trainertätigkeit beim KSK arbeitet er auch als Assistent des Bundestrainers.

(NGZ)
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