Handball Der Kirmesboxer mit dem Klemmbrett

Dormagen · Beim TSV Bayer Dormagen war er Jugendkoordinator und Sportlicher Leiter, bei der Handball-Europameisterschaft ist Erik Wudtke Assistent von Bundestrainer Christian Prokop. Ein Porträt eines stillen Arbeiters.

     Erik Wudtke in seiner Dormagener Zeit zusammen mit seinem Freund Alexander Koke

Erik Wudtke in seiner Dormagener Zeit zusammen mit seinem Freund Alexander Koke

Foto: Heinz J. Zaunbrecher/Zaunbrecher, Heinz (zau)

Erik Wudtke ist das, was man nicht nur im Sport einen „Typ“ nennt. Bärbeißig, kauzig, aber mit einem feinen Sinn für Humor ausgestattet, das sind die Eigenschaften, die einem zu dem 47 Jahre alten, gebürtigen Aachener sofort einfallen. Von seinem enormen Fachwissen die Sportart Handball betreffend ganz zu schweigen.

Trotzdem kennt Erik Wudtke außerhalb der Handball-Szene kaum jemand. Daran hat auch die am Sonntag zu Ende gehende Europameisterschaft wenig geändert. Von den fünf bis neun Millionen Zuschauern, die die Spiele der deutschen Nationalmannschaft am Fernseher verfolgt haben, wird sich der ein oder andere vielleicht gefragt haben, wer denn dieser hünenhafte Mensch mit dem lichten Haar auf der Auswechselbank ist. Während Bundestrainer Christian Prokop aufspringt, gestikuliert, feiert trauert, sitzt der fast einen Kopf größere Erik Wudtke mit stoischer Ruhe zwischen den Spielern, ganz in seine Notizen auf dem Klemmbrett vertieft.

Wudtke wird vor keine Kamera geschleift, Wudtke werden keine Mikrofone unter die Nase gehalten. Vielleicht, weil er selbst für Medienvertreter ein absoluter Newcomer ist. Das verstärkte Medieninteresse, hat er in einem Interview mit dem Fachblatt „Handballwoche“ gesagt, sei der größte Unterschied sei zu seinen bisherigen Tätigkeiten: „So etwas kenne ich sonst gar nicht. Ich versuche, mich daher im Hintergrund zu halten.“

Dabei hätte Erik Wudtke, der erst zwei Monate vor Turnierbeginn als Ersatz für den erkrankten Alexander Haase zum Assistenten des Bundestrainers befördert wurde, durchaus etwas zu erzählen. Zum Beispiel, wie er sich beim ersten Lehrgang der Nationalmannschaft seinen neuen Schützlingen vorgestellt hat: „Ich sehe aus wie ein Kirmesboxer, habe aber ein gutes Herz. Ich bin nicht so böse wie ich aussehe...Das sage ich übrigens fast immer, egal, ob ich mich bei Erwachsenen oder in der Grundschule vorstelle.“

Ob er sich auch so beim TSV Bayer Dormagen vorgestellt hat, ist nicht überliefert. Am Höhenberg kannten sie ihn ohnehin schon, bevor er 2015 als hauptamtlicher Jugendkoordinator und Sportlicher Leiter anheuerte. Vor allem aus seiner Zeit als Trainer des TuS Ferndorf, mit dem der TSV über Jahre um Drittliga-Titel und Zweitliga-Aufstieg konkurrierte. Wudtke war immer ein harter Gegner, aber immer ein fairer, einer, der dem Kontrahenten mit viel Respekt begegnete. Das entspricht seinem Naturell: „Ich weiß, dass ich wahrscheinlich kein Modell mehr werde. Ich weiß auch, dass ich eine autoritäre Ausstrahlung habe und brauche die nicht auch noch über lautstarke oder harte Inhalte zu demonstrieren,“ sagt Wudtke über sich selbst, „also bin ich relativ ruhig in meiner Ansprache. Es geht ja auch darum, Inhalte rüberzubringen und dabei ist es egal, ob ich das laut oder leise mache.“

So einer hat es eher schwer heutzutage in der Sportbranche. Im Fernsehen und in den sozialen Medien sind mehr die Zappelphillippe gefragt. Dabei besitzt Erik Wudtke, der im Sommer die U19-Nationalmannschaft (mit dem Dormagener Julian Köster) zur Vize-Weltmeisterschaft führte, sicher das Zeug für höhere Aufgaben als „nur“ für Bundestrainer die Statistik zu führen. Als er nach zwei Jahren den TSV Bayer wieder verließ, tat er das, weil der DHB lockte, aber auch, weil er aus privaten Gründen nicht jedes Wochenende bei einem Spiel auf der Bank sitzen wollte. Ob er nach der EM im „Kader“ von Christian Prokop bleibt, weiß der 47-Jährige noch nicht: „Nach dem Turnier werden wir sehen, wie es weitergeht. Ich hoffe für Alexander Haase, dass er bald wieder übernehmen kann“ – auch das ist ein „typischer“ Wudtke.

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