Prozess gegen Marokkaner „Ich bereue, was passiert ist“

Moers/Neukirchen-Vluyn · Ein 46-jähriger Marokkaner steht wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht. Im Oktober 2017 soll er in einer Flüchtlingsunterkunft einen Mitbewohner verletzt haben.

 Vor der großen Auswärtigen Strafkammer des Landgerichtes muss sich ein 46-jähriger Marokkaner wegen Körpervereletzung verantworten. Foto: Uli Deck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Vor der großen Auswärtigen Strafkammer des Landgerichtes muss sich ein 46-jähriger Marokkaner wegen Körpervereletzung verantworten. Foto: Uli Deck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Uli Deck

„Ich bereue, was passiert ist. Das, was ich getan habe, darf man nicht tun“ – ein 46-jähriger Asylbewerber aus Marokko muss sich seit Mittwoch vor der Großen Auswärtigen Strafkammer des Landgerichtes wegen „gefährlicher Körperverletzung im Zustand verminderter Schuldfähigkeit“ verantworten. Die Vertreterin der Anklage wirft dem Angeklagten vor, am 19. Oktober 2017 zwischen 0.30 und 0.50 Uhr in einer Flüchtlingsunterkunft in Neukirchen-Vluyn einen Mitbewohner zweimal mittels Faustschlägen und einem Taschenmesser oder Schraubendreher verletzt zu haben.

Das Opfer: Ein 45-jähriger Algerier, der erst einen Tag vorher in das Asylheim eingezogen ist, in das Zimmer neben dem des Angeklagten. „Ich kann mich an nichts erinnern“, erklärte dieser über seinen Dolmetscher. „Erst im Krankenhaus habe ich meine Stichverletzungen am Bauch und im Brustbereich gesehen und von meinem Betreuer erfahren, was passiert sein soll“. Die Stichverletzungen hatte er sich nach eigener Aussage selber zugefügt.

Bevor der Angeklagte Angaben zu seiner Person und zur Sache machte, musste er sich sammeln. Über seine Kindheit und Jugend wolle er nicht reden, die sei sehr schlimm gewesen. „Mein Vater hat mich ständig geschlagen“, sagte der 46-Jährige unter Tränen. Zu seinen Eltern und seinen vier Geschwistern hat er keinen Kontakt. „Sie interessieren sich nicht für mich.“ 2003 sei er nach Europa gekommen. Nach Aufenthalten in Spanien, Italien, Frankreich und Belgien ging er zurück nach Italien, über die Schweiz kam er dann Ende 2014 nach Deutschland. Erste Station sei Detmold gewesen, dann die Flüchtlingsunterkunft in Neukirchen-Vluyn. Aus Angst vor einer Abschiebung habe er beim Asylantrag falsche Angaben zu seinem Namen und Geburtsjahr gemacht.

Er habe vor der Tat drei Tage lang ständig Drogen genommen (Speed, Kokain, Extasy) und große Mengen Alkohol getrunken. „Ich wollte vergessen“. Das sei immer sein Schema gewesen: Drei Tage non-stop Alkohol und Drogen, dann ein paar Tage nichts. Nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik in Rheinberg und mit Hilfe eines Therapeuten sei er seit drei Jahren clean: keine Drogen, kein Alkohol. „Ich nehme nur die Medikamente, die man mir verschrieben hat“.

Das Opfer konnte sich im Zeugenstand nicht mehr erinnern, was genau am 19. Oktober 2017 geschehen sein soll. Ob der Angeklagte ihn angegriffen habe, will Richter Huismann wissen. „Nein. Er wollte nur wissen, warum ich ihn beschimpft hätte“. Bei der Vernehmung durch die Polizei hatte das Opfer hingegen erzählt, der Angeklagte habe vor seine Zimmertür getreten und ihn mehrfach mit der Faust ins Gesicht und mit dem Messer-Griff auf seinen Kopf geschlagen. „Er hat mich aber nicht mit dem Messer gestochen“, so der 45-Jährige Algerier, der selber die Polizei angerufen hatte. Die hatte in der Tatnacht bei ihm kleine Schnitte an der Schläfe und hinter dem rechten Ohr protokolliert.

Es soll auch ein zweiter Mann beteiligt gewesen sein, der eine blutende Kopfwunde davongetragen hatte. Der konnte gestern allerdings nicht vernommen werden: Er hatte möglicherweise die Ladung zum Prozess nicht erhalten, weil er schon länger nicht mehr in der Unterkunft in Neukirchen-Vluyn lebt.

Die Verhandlung wird am kommenden Montag, 8. März, um 9.30 Uhr in Saal 106 des Amtsgerichtes in Moers fortgesetzt. Dann sollen zwei Betreuer aus der Asylunterkunft sowie die Polizisten gehört werden, die in der Tatnacht vor Ort waren. Außerdem will das Gericht versuchen, bis dahin das zweite Opfer ausfindig zu machen.

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