Kurzkritik in Mönchenlgladbach Sommer, Sommerende

In ihrem Debüt-Roman „Die Sommer“ bringt Ronya Othmann die Sätze auf den Punkt. Sie erzählt von den jährlichen Besuchen ihrer kindlichen Romanheldin in einem syrischen Dorf, einem jesidschen, was die Sache komplex macht.

 Schriftstellerin Ronya Othmann, Literarischer Sommer 2021

Schriftstellerin Ronya Othmann, Literarischer Sommer 2021

Foto: Cihan Cakmak/ Hanser-Verlag/Cihan Cakmak

Leyla ist ein Mädchen aus München, Feriengast im Land des Vaters, deren Erinnerungen an diese immer wiederkehrenden Sommerferien in der Sicht der Autorin, einer erwachsenen, jesidischen, politisch engagierten jungen Frau in Deutschland, zu preisgewürdigter Literatur geworden sind. Auf dem Podest in der Rheydter Stadtbibliothek sitzt Ronya Othmann als für dieses Jahr letzter Gast der Reihe „Literarischer Sommer“ mit ihrer Gesprächspartnerin Maren Jungclaus vom Literaturbüro NRW zusammen. Und bringt kaum einen Satz zu Ende. Das allerdings in selbstbewusster Jugendsprache, voll von selbstbestätigenden Floskeln. Und schafft es gleichwohl, bei aller rhetorischen Unbeholfenheit, das Bild einer ernsthaften Schriftstellerin abzugeben.

Ronya Othmann, Jahrgang 1993, studiert noch in Leipzig, schreibt aber schon Kolumnen in der taz und der FAS, hat einen Lyrikband veröffentlicht, gewann zuletzt den Publikumspreis beim Bachmann-Wettbewerb. Ihr Thema, das Leben zwischen den Kulturen, ist ein großes und wichtiges. Das Schicksal der religiösen und ethnischen Minderheit der Jesiden im Syrien Assads im Spannungsfeld zwischen der Türkei und dem Irak, die enge und komplizierte Verbindung zur Volksgruppe der Kurden, die Katastrophe des Genozids an den Jesiden 2014 im Nordirak – das alles schlägt sich in der Lebensbeschreibung der Romanheldin nieder. Bei aller Fiktion ist die Nähe zu den Erfahrungen der Autorin offensichtlich. Und es sind die virtuose Balance zwischen Distanz und Empathie in Othmanns Prosa, die Beschreibung alltäglicher Details, die sich zu starken Metaphern verdichten, die den Romantext auszeichnen. In Rheydt liest sie ohne den Akzent ihrer Münchner Heimatstadt, ohne Pathos ebenfalls. Knapp 40 mehrheitlich Zuhörerinnen zeigen sich beeindruckt, interessiert an Person und politischen Hintergründen. Angeregter Beifall. ark

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